Seiten-Blicke: Idylle mit natürlichem Geschmack

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Geschmackvoll: Trau, schau, wem...

Zugegeben, wenn ich ein Restaurant aufsuche, in dem ich noch nicht war, bin ich schön etwas "krüüsch", wie der Norddeutsche für wählerisch sagt. Bei mir ist es jedoch mehr eine Art Skepsis, was mich wohl vor allem in kulinarischer Hinsicht erwartet. Klar, oft erkennt man offenen Blickes diesbezüglich seine "Schweine schon am Gang". Ein mit einem unappetitlich-schmuddeligen Handtuch durch den Gastraum schlurfender Wirt oder eine Wirtin, die das vorher angebrannte Würzfleisch auf einem Bierdeckel unschuldig gackernd zurück an den Tisch "serviert", sind nicht gerade Garanten für ein geschmackliches gastronomisches Erlebnis. "Schleuderervice" nenne ich sowas und ziehe dann meist schnell von hinnen, ohne mich zu stärken. Wie viel schöner und anregender ist es dagegen, in ein Haus zu kommen, die Gastlichkeit förmlich ausstrahlt. Das reicht vom freundlichen und  kompetent-beratenden Service über die Gestaltung von Gastraum und Tischen bis hin zur Präsentation der Gerichte. Diesbezüglich setze ich nie auf abgehobenen kulinarischen Schnickschnack, sondern auf dezente Übersichtlichkeit abseits aller XXL-Angebote. Ein übervoller Teller ist in diesem Sinne für mich stets ein Signal, dass man etwas zu verbergen hat.

Pronstorf-Strenglin. Nicht dort, wo Fuchs und Hase sich "Gute Nacht" sagen, aber auch nicht weit davon entfernt, liegt die Holsteinische Schweiz. Das ist zu allen Jahreszeiten eine sanft-hügelige Landschaft mit weiten Wiesen, Feldern und malerischen Seen. Mein Ziel war Strenglin unweit von Bad Segeberg. Denn dort weiß ich in dem Ortsteil von Pronstorf eine empfehlenswerte Gastlichkeit, die den verlockenden Namen "Strengliner Mühle" trägt. Zugegeben, eine Mühle ist es heute nicht mehr. Aber das Anwesen aus Restaurant, Hotel und Gästehaus ist als natürlich-attraktives bauliches  Ensemble gestaltet. Hier lohnt sich Einkehr in jeder Beziehung.

Wie nicht anders zu erwarten, war ich natürlich auch diesmal vor allem in kulinarischer Mission unterwegs. Kein Wunder also, dass Küchenchef Henning Molt mein Gesprächspartner war, der den "Laden mit der wechselvollen Geschichte seit 1614" gemeinsam mit seinen Eltern, der stolze 94 Jahre jungen Großmutter, und seiner Schwester führt. Es spricht übrigens für die Bodenständigkeit der Familie, dass sie ihr Haus vom DEHOGA "nur" mit drei Sternen Superior haben zertifizieren lassen, obwohl die Kriterien für ein Vier-Sterne-Haus gegeben sind.

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Vater Hans Molt erklärt mir plausibel: "Warum sollen wir die Gäste mit Sternen verunsichern. Sie sollen sich ungezwungen wohlfühlen und keinem Druck ausgesetzt sein." Für die Molts zählen deshalb Ankommen und Wohlfühlen mehr als plakative Sterne. Wenn das die Gäste so empfinden und weitersagen, hat das aus Sicht der Familie viel mehr Wert als ein weiterer Stern.

"Nu ward Tied, ok mal oewer dat Äten tau schnacken...", meine ich endlich. Soll wohl heißen, es geht um das Essen, das der Küchenchef und sein Team bieten. Er definiert seine Küche als moderne, deftige Landhausküche, die ganz auf regionale Akzente setzt, was Produkte und Geschmack betrifft. Für ihn ist in diesem Zusammenhang Regionalität  neben der Gewissheit, ein sicheres und kontrolliertes Lebensmittel zu genießen, auch ein Stück ökologisches Handeln.

Und Henning Molt kann das auch schwarz auf weiß nachweisen: Die zweisprachige Speisekarte "up platt" und in hochdeutsch ist eine regionale kulinarische Visitenkarte. So gut wie alles, von den Vorspeisen über Fleisch und Fisch bis hin zum Essen für den kleinen Hunger, stammt alles aus der unmittelbaren Region. Da fehlt Fisch in allen denkbaren Variationen ebenso nicht, wie deftige Gerichte vom Lamm, Holsteiner Rind und Entenschmaus.

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und habe mir rosa gebratenen Rücken von Strengliner Lämmern unter einer Kräuterkruste samt Ofenkartoffel und "Mühlen-Pesto" einverleibt. Serviert vom Küchenchef persönlich war das ein echter Leckerbissen mit würzigen Aromen und gekonnt aufeinander abgestimmte, bodenständige Zutaten. Sterneküche strebt Molt übrigens nicht an. Im Gegenteil, er möchte hinsichtlich der Produkte noch autarker sein und auch Bauer "spielen", um damit statt in der Küche noch mehr im Vorfeld des Kochens zu experimentieren.

Wer sich in dem Haus zur Ruhe betten möchte, wohnt in großzügigen, geschmackvoll eingerichteten  Zimmern. Besonders attraktiv war für mich das im gemütlichen Landhausstil gestaltete, reetgedeckte Gästehaus "Alte Scheune". Zum Relaxen und zur inneren Entschleunigung lädt ein Freizeitbereich mit Schwimmbad, Sauna, Dampfbad, Infrarotkabine und Solarium ein. Das wäre was für meine Frau gewesen. Kann man ja nachholen.

Ich hätte derweil im  Wintergarten-Restaurant die Aussicht auf den Mühlen-Komplex, oder im urigen Ambiente der Holsteiner Gaststube ein Getränk genossen. Leider gibt's dort im Gegensatz zum Nordosten (noch) keinen "Mann und Fru...", den würzigen Doppelkümmel. Wer aber das Glück des Wanderers hat, dem begegnen bei einem Spaziergang sogar Hasen. Denn die brauchen auch mal jemanden, der ihnen ein "Moin, Moin" zuruft...

Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 3. Februar 2015.

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