Seiten-Blicke: Geschichte und Genuss entdecken

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Geschmackvoll: Neugier ist auch eine Zier

Damit das mal klar ist: Neugierig bin ich nicht, aber ich möchte viel wissen... Kein Wunder also, dass ich im Rahmen meiner dienstlichen Reisen oft von der offiziellen Route abweiche. Der Grund dafür ist simpel. An vielen Straßen kann man kleinere oder größere Schilder entdecken, die an alle möglichen Orte locken sollen. Manche dieser Schilder sind eine einzige Enttäuschung, wenn man an der realität angekommen ist. Aber mit ein wenig Vorahnung und der eingangs genannten Neugier kann man im besten Sinne des Wortes fündig werden. Da ist dann das Wort Geheimtipp sehr passend, wenngleich der Begriff oft inflationär gebraucht wird. Zu solchen Entdeckungen gehören immer wieder die teils in malerische Landschaften eingebetteten Guts- und Herrenhäuser. Da lohnt sich ein Besuch allein  schon durch die Tatsache, einmal in herrlicher Natur einfach nur abschalten zu können. Wenn dann noch die Möglichkeit gegeben ist, Geschichte zu entdecken und regionale Küche genussvoll zu erleben, sind solche Abstecher ein nachhaltiges Erlebnis. Bleiben Sie also auch bei vermeintlich unscheinbaren Wegweisern immer neugierig und trauen Sie sich, vom Wege abzukommen.

Bömitz bei Anklam. Von der Elbe bis zur Insel Usedom kann man nahezu allerorts auf historischen Pfaden wandeln und Zeugnisse architektonischen Könnens bewundern. Der Nordosten bietet eine beachtliche Anzahl von Schlössern, Burgen und Festungen. Nicht minder interessant und sehenswert sind aber auch die zahllosen Guts- und Herrenhäuser, von denen die meisten heute in neuem Glanz erstrahlen. Mehr noch, viele von diesen zum Teil prachtvollen Anwesen bieten Urlaubern stilvolle Unterkunft und gastliche Einkehr mit tollen kulinarischen Genüssen. Wer sich im Internet ausführlich zu dieser Thematik informieren möchte, dem sei die Website www.gutshaeuser.de empfohlen.

Eines von diesen architektonischen Kleinoden ist das 1750 erbaute Rittergut Bömitz, auf das ich eher zufällig bei einer Fahrt von Greifswald zur Feldberger Seenlandschaft gestoßen bin. Nach wechselvoller Geschichte und wechselnden Besitzern befindet sich heute in dem malerischen Anwesen ein kleines, aber feines Hotel, dass Zeit zur inneren Entschleunigung und Entspannung bietet. Grund genug für mich, von meiner Route abzubiegen, Halt zu machen und mich einfach mal umzusehen.

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Hier haben sich Nicola und Lorenz Flierl samt der neunjährigen Tochter, einem Hund und drei Pferden ein berufliches und privates Refugium geschaffen und sich den Traum vom eigenen Haus, respektive Hotel erfüllt. "Unsere Tochter wächst hier auf wie Michel in Lönneberga", verrät Nicola Flierl lachend. Und auch ihr Mann kommt als Förster in dieser herrlichen Wald- und Wiesenlandschaft ganz auf seine Kosten. Die gelernte Hotelfachfrau und Köchin schwingt in der Küche des Zepter.

Mit leuchtenden Augen erklärt sie mir, dass sie seinerzeit ihre Kochlehre gar nicht abgeschlossen hat, weil ein Studium an der Hotelfachschule in Lausanne lockte. Später war sie in renommierten Häusern als Hausdame und Hoteldirektorin tätig.
In Vorpommern aber hat sie inzwischen ihre Kochausbildung erfolgreich abgeschlossen und tischt den Gästen alles auf, was die Region zu bieten hat. Man(n) glaubt ihr auf's Wort, dass die lebensfrohe Mittvierzigerin für frische, saisonale und bodenständige Küche steht. Darauf war ich natürlich neugierig.

Nicola Flierl: "Meine Küche ist ehrlich und kommt ohne artifiziellen Schnickschnack aus. Das erwarten unsere Gäste in dieser Umgebung auch." Soll wohl auch heißen, auf den Tellern des Hauses fehlen die üblichen Pünktchen und Striche aus Gelees und Soßen, sind die Möhren oder der Spargel nicht senkrecht um das Fleisch drapiert. "Richtig", meint die gebürtige Münsterländerin, "für mich kommt es darauf an, aus dem Produkt des Bestmögliche herauszuholen und den Geschmack in den Mittelpunkt zu stellen."

Dafür sucht sie vor allem die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern, von denen sie weiß, wie produziert und dass so Qualität in ihre Küche kommt. Für mich beeindruckend, mit welcher experimentellen Kreativität Nicola Flierl dabei zu Werke geht. Sie kombiniert Ostseelachs mit Spargel-Rhabarber-Gemüse, umhüllt gebratenes Haff-Zanderfilet mit einer aromatischen Kartoffelkruste und gart Kalbsfilet im Heu. Etwas exotischer, aber nicht minder schmackhaft ist ihr Spieß von Lachs und Jakobsmuschel mit Gemüse-Couscous und Orangensauce.

Ich konnte mir letztendlich die geschmorten Spanferkelbäckchen mit gebratener Polentaschnitte nicht verkneifen. Ich habe es nicht bereut: Das war ein echter Gaumenschmaus. Beim nächsten Besuch werde ich sicher den mit Chilikirschen gefüllten Lammhüftchen samt den Bärlauchgnoccis meine Aufwartung machen. Und genau genommen möchte ich auch wissen, wie wohl die Veilchen Crème brûlée mundet. Eigentlich bin ich ja kein Leckermäulchen, aber das lockt doch ziemlich.

Zum Abschluss meiner kurzen Stippvisite führt mich die Küchenchefin noch durch den Kräutergarten des Hauses und erklärt mir, was sie daraus alles zaubern kann. Allein das lässt mir erneut das Wasser im Gaumen zusammenlaufen. Ich muss aber weiter und habe nach einem Besuch bei Sternekoch Daniel Schmidthaler in Fürstenhagen am frühen Abend Mühe, kurz hinter Vipperow an der Müritz nicht noch nach Ludorf abzubiegen. Denn dort weiß ich auch eines von den eleganten Gutshäusern mit exzellenter Küche. Schauen Sie sich einfach einmal virtuell um, wo Sie ähnliche kulinarische, entspannende und wissensbildende Erlebnisse erwarten.

Diese Kolumne und dieser Beitrag erschienen im Rahmen der Seite
"Kochen & genießen" in der Schweriner Volkszeitung vom 27. Mai 2014.

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