Bergstraße 6 - 29439 Lüchow
www.hotel-katerberg.de
Wenn ich aus Südwestmecklenburg in Richtung Süden, beispielsweise nach Sachsen, Thüringen oder Bayern unterwegs bin, habe ich früher öfters den Weg über die Elbe bei Dömitz nach Lüchow, Salzwedel, Gardelegen und Magdeburg gewählt. Mit dem Ausbau der A 14 habe ich später die Elbe eher bei Wittenberge in Richtung Stendal überquert und freue mich schon darauf, in absehbarer Zeit die Strecke vom Wismar bis Dresden „in einem Ritt“ zu absolvieren. Wohl wissend, dass man auf der Autobahn etwas von den Reizen der Natur verpasst. Frühstück abgehalten habe ich auf der Ost-Route stets in einem Landgasthof kurz vor Stendal. Das könnte und wird sich künftig ändern. Denn unmittelbar an meiner durch ein kurzes Stück Niedersachsen liegenden West-Route liegt in Lüchow das „Hotel Katerberg“, das mir eher zufällig empfohlen bzw. bekannt wurde.
Dort habe ich kürzlich zum ersten Mal völlig anonym gespeist und getestet. Ein Glücksfall, wie sich herausgestellt hat. Denn auf diese Weise habe ich das sonst kulinarisch eher nicht so bedeutsame Wendland von seiner schmackhaftesten Seite kennengelernt. Das von Iva und Salvatore Fontanazza geführte Haus hat seit 2018 im Restaurant „Field“ eine vorzügliche Küche zu bieten, die auch anspruchsvollsten Gaumen gerecht wird.
Äußerlich strahlt das Hotel schnörkellos-seriöse Schlichtheit auf. Im Haus selbst aber zeigt sich, dass hier Inhaber am Werk sind, die Sinn für unaufdringliche innenarchitektonische Eleganz und den Blick für das schöne Detail haben. Hier passt vom Ambiente her eigentlich alles: Farblich dezent und effektvoll mit Licht in Szene gesetzte Wände, nahezu puristisches schlicht-modernes Mobiliar mit angenehmen Sitzkomfort, stylisch trefflich ausgesuchte schmückende Accessoires.
Ganz diesem Anspruch geschuldet ordnet sich auch die Gestaltung und Ausstattung der Zimmer ein. Auch hier klare Linien, dezente Pastellfarben, viel Licht. Und ich scheue mich immer wieder, darauf hinzuweisen, dass Häuser der Vier-Sterne-Kategorie selbstverständlich auch über den Komfort modernen Wohnens wie Telefon, Flatscreen-TV, WLAN und einen vielseitigen Hausservice verfügen. Hier kann man sich nicht nur als Geschäftsreisender wohlfühlen. Das vom Ehepaar Fontanazza aufwendig erweiterte und modernisierte Haus ist in diesem Sinne auch eine gastgeberische Einladung, das Wendland und seine weitläufige Umgebung näher kennenzulernen.
Zeit, die kulinarische Seite des Hauses näher zu betrachten: Das Restaurant „Field“ erwartet den Gast im dezent-eleganten Stil eines Wintergartens. Die Gestaltungselemente wirken natürlich und ungekünstelt, werden durch indirektes Licht trefflich in Szene gesetzt. Salvatore Fontanazza hat mir mittlerweile verraten, dass er für einzelne Wandelemente persönlich die Entwürfe gefertigt und teilweise sogar in praxi umgesetzt hat. Das zeichnet den gebürtigen Italiener neben seinen Kochkünsten auch als geschmackssicheren Kunsthandwerker aus.
Ich habe ein ausführliches Interview mit dem charismatischen Küchenchef geführt, das man hier nachlesen kann...
Die etwa 20 bis 24 Plätze des Restaurants lassen alle den Blick nach draußen zu. Zugegeben ist das Gegenüber keine unverfälschte Natur, sondern städtische Umgebung, jedoch mit einem ansprechend gestalteten Außenbereich. Und erst recht lohnt sich abends der Blick nach drinnen. Die Lichteffekte, die von dort ausgesendet werden, sind beste Werbung, dort Einkehr zu suchen.
Der sehr umsichtige und freundliche Service wird von Hotelchefin Iva Fontanazza persönlich geleitet. Die aus Tschechien stammende Frau versteht es fantastisch, den Gast mit Charme und Kompetenz im besten Sinne des Wortes zu betreuen. Auf sie ist in hohem Maße auch die beachtlich breit angelegte Weinkarte mit deutschen und internationalen Tropfen zurückzuführen. Ihr Anliegen ist es, machte sie im Gespräch deutlich, hier noch größere Vielfalt zu bieten, die natürlich auch optimal mit der Küche ihres Mannes korrespondiert.
Das als Gourmet-Restaurant deklarierte „Field“ bietet zwei Menüs, die von regionalen und internationalen Einflüssen geprägt sind. Fontanazza beweist eine beeindruckende Gabe, Fleisch, Wild und Geflügel aus der Region mit feinen Zutaten zu kombinieren. Dass dazu vor allem mediterrane Komponenten gehören, überrascht mich nicht. Aber wie er beispielsweise Meeresfisch, Trüffel und Gänseleber im Zusammenspiel mit Gewürzen, Aromen und Texturen in Szene setzt, kennzeichnet ihn als geschmackssicheren, kreativen Küchenchef.
Mein Menü, das auch meine Frau in reduzierter Form sehr genossen hat, bestand aus:
Gruß aus der Küche: Paprika Madeleines | Lardo di Colonnata | Zitronen-Quark
Kulinarische Einstimmung:
Granny Smith-Smoothie
Rindertatar | Fenchelcreme | Kaviar
Geräucherter Lachs-Lolipop | Avocadocreme
Spinat-Schwamm | Schweinebauch | Aalcreme | Zwiebel-Asche
Hähnchen-Piri Piri
Pulpo-Salat | Ananas-Senf
Gänge:
Jakobsmuschel | Rotkohl | Ingwer | Ziegenkäse
Thunfisch | Fenchel | Avocado | Escabeche
Skrei | Ibérico | Räucheraal | Bohnen
Mieral Taube | Schwarzwurzel | Haselnuss | Feigen
Reh aus heimischem Forst | Morcheln | Sellerie | Hibiskus
Mandarine | Ricotta | weiße Schokolade | Zitronengras
Hausgemachte Pralinen und Gebäck
Aufwändig komponiert und verlockend in Szene gesetzt ist das Amuse Bouche ebenso wie die vorzüglichen Appetizer. Dabei beweist Fontanazza auch ansprechende visuelle Kreativität. Und die eher deftig-raffiniert zubereiteten Kleinigkeiten treffen ganz meinen individuellen Geschmackssinn.
Die einzelnen Gänge sind durch eine große geschmacklich-kombinatorische Vielfalt geprägt. Trotzdem entsteht im Verlauf des Menüs ein angenehmer genusstechnischer „Fluss“. Die Verbindung von regional und mediterran-international gelingt dem Maître de Cuisine vorzüglich. Er verbindet beim Thunfisch ein vorzügliches Escabeche-Espuma mit einer Teriyaki-Sauce. Ein aromatischer Hochgenuss. Beim Kabeljau-Gang „traut“ er sich, Bohnensoße mit Kartoffelstampf aus Apfel, dicken Bohnen und Räucheraal zu inszenieren und dazu ein krosses Brot mit geräucherter Aalcreme und kleinen Aal-Stückchen zu reichen. Köstliche Einstimmung auf die folgenden Gänge.
Das alles richtet er unprätentiös, aber anspruchsvoll an. Deutlich erkennbar ist aber auch sein Hang zu visuellen Effekten, im Detail sogar zu artifizieller Verspieltheit. Hier könnte ich mir einen Gang zurück als gestalterischen Vorteil vorstellen. Der kulinarische Pinselstrich a la Picasso, den der Meister für sich selbstbewusst in Anspruch nimmt, könnte an dieser Stelle etwas mehr „Schwung“ im Sinne von Lässigkeit und weniger bunte Vielfalt mit Creme-Punkten ausstrahlen.
Geschmacklich jedoch ist Fontanazzas Küche ohne Fehl und Tadel. Er erreicht damit ein Niveau, das höheren kulinarischen Weihen und Meriten wert ist. Seine bisher 13 Punkte Gault Millau sind aus der Kenntnis vieler vergleichbarer Restaurants definitiv unterbewertet. Für einen Bib Gourmand ist er zu gut und nicht im dementsprechenden Bewertungs-Raster. Für einen Stern fehlen ihm aus meiner Sicht noch die Aufmerksamkeit der Marktführer im Bewertungs-Segment und wohl auch noch etwas Zeit, sich kulinarisch zu etablieren. Das Potenzial dafür ist zweifelsohne auch vorhanden.
Vielleicht sollte er auch sein plakatives Interesse an solchen Ehrungen etwas zurücknehmen. Trotzdem mag ich auf jeden Fall Typen wie ihn, den viele Salvo nennen, die aus ihrer Leidenschaft kein Geheimnis machen und für ihre Leistungen eintreten und kämpfen.
Geschmacklich-kombinatorisch in nichts nach steht auch das vegetarische Menü des „Field“. Eine kulinarische Nummer kleiner präsentiert sich das „Bistro by Field“. Dort kann man (s)ein Menü individuell und preiswert nach seinem Geschmack zusammenstellen. Weniger gut wird dort mit Sicherheit nicht gekocht. Das wissen vor allem Geschäftsreisende Hotelgäste zu schätzen, die so den Tag ohne großen Aufwand genussvoll beschließen und ein guten Tropfen Wein genießen wollen.
Das Angebot reicht von deftig bis raffiniert. Ich würde mir dort ein klassisches Beef Tatar ebenso gönnen wie Taglioni mit Roastbeefstreifen oder Gambas mit Knoblauch und Brot-Gemüse-Salat. Nur was ein Schnitzel nach Wiener Art ist, erschließt sich mir auch hier nicht. Ein Wiener Schnitzel wird aus Kalbfleisch zubereitet. Punkt. Alles andere ist ein Schnitzel, meist vom Schwein. Aber ich weiß natürlich, dass es eine Art Behördenbürokratie ist, die Panierung des Schnitzels in dieser Form anzugeben. Kleiner Scherz am Rande...
Mein (vorläufiges) Fazit: Das Hotel Katerberg ist eine ausgezeichnete gastgeberische und mit dem Restaurant „Field“ eine exzellente kulinarische Adresse im Wendland mit viel Potenzial „nach oben“. Das Haus wird nicht mehr lange ein Geheimtipp sein und auch den Restaurant-Führern nicht verborgen bleiben, auf die man Wert legen sollte. Wenn einem das, außer dem Urteil der Gäste, wichtig ist.
Ich werde den Katerberg jedenfalls in meine eingangs genannten künftigen Reisen „gen Süden“ einbeziehen. Auf der Hinfahrt wegen des tollen Frühstücks-Angebots. Auf der Rückfahrt wegen einem guten Abendessen. Und zu besonderen Anlässen sowieso. Spätestens also zum Kartenwechsel komme ich wieder. Davon werde ich von den Fontanazzas persönlich, oder aus dem Internet-Auftritt des Hauses erfahren. Der entspricht übrigens ebenfalls ganz meinem Geschmack an sehr individuelle und dezent-elegante virtuelle Information. An den Texten könnte man hier und da noch etwas feilen. Aber das ist wohl dem sprachlich ambitionierten Anspruch eines einzelnen Herrn geschuldet. Namen werden nicht genannt. Denn, wie heißt es so treffend: Lesen bildet. Hier müsste ein finaler Smiley hin...
Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept
Kategorie: Restaurants - Februar 2019