25 Jahre MV – 25 Köpfe: Optimistischer Schrittmacher – Meinhard Nehmer

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Bob-Olympiasieger Meinhard Nehmer blickt auf mindestens drei Karrieren zurück

VARNKEVITZ   Er wohnt sozusagen am Ende der Welt. Zumindest am nördlichsten Ende unweit von Kap Arkona von Mecklenburg-Vorpommerns, Luftlinie etwa auf gleicher Höhe von Flensburg. Was sportlich gesehen auf dem elterlichen Hof im Ortsteil Varnkevitz der Gemeinde Putgarten begann, sollte ihn später zu einem der erfolgreichsten deutschen Wintersportler machen, der auf (mindestens) drei Karrieren verweisen kann. Sein Name: Meinhard Nehmer.

Er war in seiner Jugendzeit ebenso talentierter wie begeisterter Leichtathlet und gewann mit dem Speer, aber auch mit Diskus und Kugel sportlichem Lorbeeren. Durch eine Schulterverletzung und damit verbundene anhaltende Schmerzen musste er sich Anfang der 1970er Jahre von der Leichtathletik verabschieden und fand eher durch Zufall mit immerhin bereits 32 Jahren den Weg zum Bobsport, wechselte 1973 vom ASK Vorwärts Potsdam zum gleichnamigen Verein im thüringischen Oberhof. Nehmer erinnert sich: "Ich habe mich seit frühester Jugend sportlich betätigt, so dass diese Laufbahn eigentlich vorgezeichnet war. Dass ich aber sozusagen als sportlicher Senior in  nur vier Jahren so viele internationale Erfolge im Bobsport einfuhr, daran hätte ich nicht gedacht. Es war aber in jeder Hinsicht eine sehr erfüllte Zeit, die ich nicht missen möchte."

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Seine ersten beiden Olympiasiege feierte er 1976 in Innsbruck, wurde Welt- und Europameister im Zweier- und Viererbob und stand auch 1980 in Lake Placid als Gewinner der Bronzemedaille auf dem Podest. Danach aber war für ihn klar: Ich höre als aktiver Sportler auf. Das wurde, man höre und staune, von der DDR-Sportführung sofort akzeptiert. Selbst der allgewaltige NOK-Chef Manfred Ewald legte ihm keine Steine in den Weg. "Ich war schließlich bereits ein gestandener Mann und wollte mich nicht weiter unterordnen, was aber im Leistungssport unerlässlich war", kommentiert Nehmer diesen Schritt. Er arbeitete künftig bei der Volksmarine in Dranske auf Rügen als Offizier für Ausbildung und Instandsetzung. Grundlage dafür war seine Ingenieurausbildung für Landtechnik.


Trotzdem holte ihn der Sport bereits 1985 wieder ein. Die Armeesportvereinigung Vorwärts beorderte ihn als Berater und Tester für den Bobsport zurück nach Oberhof. Nehmer war fortan bei allen wichtigen nationalen und internationalen Rennen an der Bahn, um angesichts der wachsenden internationalen Konkurrenz vor allem seine technischen Erfahrungen einzubringen. "Ich wurde in diesem Sinne sozusagen zum Schrittmacher für die Weiterentwicklung unserer Bobs", erklärt er schmunzelnd. Sein Wunsch, das bis zu seinem 50. Geburtstag weiterzuführen, wurde nicht erfüllt. Nach der Übernahme in die Bundeswehr wurde der Fregattenkapitän drei Monate vor der Übergangsrente in die Arbeitslosigkeit entlassen, lebte wieder auf dem Hof der Eltern.


"Die nächsten Monate waren gekennzeichnet von Existenzangst und Ungewissheit. Auf dem Arbeitsamt war ich einmal und nie wieder. Das ließ mein Stolz nicht zu. Aber es musste für mich und meine Frau Renate, die ja als Physiotherapeutin auch beim ASK angestellt war, irgendwie weitergehen", erklärt der Vater zweier Töchter und eines Sohnes. Die Frau schließlich wagte den Gang in die Selbstständigkeit, ihn erreichte Ende 1991 der Ruf als Bob-Nationaltrainer für die USA, später für Italien. Fortan feierte er auch als Trainer beachtliche internationale Erfolge, darunter der Olympiasieg von Günther Huber 1998 in  Nagano. Ab 2000 bis 2006 arbeitete der Mann, der mit seinem Bob nie gestürzt ist, noch als Disziplintrainer für die Bob-Nationalmannschaft.


Danach war, bis auf gelegentliche Beratertätigkeit in Europa, auch aus gesundheitlichen Gründen endgültig Schluss mit dem Sport. Nehmer: "Seitdem mache ich im Haus und auf dem Riesengrundstück alles, was erforderlich ist und mir Spaß macht. Ich bin Landwirt, Gärtner und Tischler zugleich. Werkeln ist sowieso meine Leidenschaft. Manchmal angle ich noch und gehe auch zur Jagd. Und nicht zuletzt genieße ich mit meiner Frau auch das Alter und die Natur." Geholfen habe ihm immer, so Nehmer beim Abschied, sein Optimismus in die Zukunft. Das habe er auch stets versucht, seinen Kindern zu vermitteln.

Dieser Beitrag erschien am 7. Juli 2015 in der Schweriner Volkszeitung.

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