Nachruf auf einen Besessenen

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Michael Laumen hat sich in Mecklenburg-Vorpommern im besten Sinne des Wortes einen Ruf erarbeitet. Er kam Anfang der 1990er Jahre in den Nordosten, um mit einem Patent in der Tasche neue geschäftliche Kontakte zu knüpfen. Da diesem Anliegen kein Erfolg beschieden war, beschloss der passionierte Hobby-Koch, mit Frau Ruth und ihrer Tochter Petra in Krakow am See ein Hotel Garni zu eröffnen. Das genügte ihm schließlich nicht: 1994 kam zum Hotel ein Restaurant hinzu, das den bezeichnenden Namen „Ich weiß ein Haus am See“ erhielt.


Die Küche wurde, natürlich, vom Self-made-Koch Michael Laumen geleitet. Er schätzte einmal im Gespräch mit mir ein, zu diesem Zeitpunkt „natürlich nicht die Reife eines Spitzenkochs gehabt“ zu haben. Fest in  ihm verankert war aber seine klare Vorstellung vom Kochen. Ganz wichtig war ihm auch, mit ausgewiesenen Fachleuten in seiner Küche zu arbeiten. Sein damaliger Sous-Chef hatte immerhin bei Christian Rach im Hamburger "Tafelhaus" gekocht. Und er meinte zurückblickend von den Anfangsjahren in Krakow, dass diese „vor allem von Transpiration, denn von Intuition geprägt" waren.


Und Laumen hatte die Gabe, die Tester von Michelin, Gault Millau und Co. und Restaurantkritiker von Format wie Bernd Matthies aus Berlin auf seine kulinarische Fährte zu locken. Auf diesem Weg gelang es ihn in nahezu sensationell kurzer Zeit, bereits 1996 den ersten der begehrten Michelin-Sterne nach MV zu bringen. Nahezu entschuldigend erklärte er mir diesen Umstand einmal so: Gekocht habe er eigentlich das, was er selbst gern isst und immer darauf geachtet, seinen authentischen Kochstil nicht zu verlieren, bei dem das Produkt im Vordergrund steht. Sein Credo: Ein Rezept ist erst  dann gut, wenn man nichts mehr weglassen kann. Artifizielles Kochen ist in diesem Sinne so gar nicht sein Ding. Das passe nicht zu seiner Kochphilosophie.


Nach 10 Jahren hat sich Michael Laumen, aus welchen Gründen auch immer, aus Krakow verabschiedet, übergab aber die Küche geordnet an seinen Sous-Chef Raik Zeigner, der seither den Stern bewahrt und Jahr für Jahr verteidigt hat. Dem ambitionierten Vorhaben, auch in Rostock Sternegastronomie zu etablieren, war schließlich kein Erfolg beschieden. Er nannte das später eher sarkastisch einen  "klassischen Verheber". Die Ursachen dafür und seinen eigenen Anteil ließ er weitestgehend offen.


Trotzdem hat Laumen nie aufgehört, sich in Sachen Kulinarik zu engagieren, versuchte sich im Kloster Rühn als Produzent von Zutaten für sein kochendes Metier, beriet Unternehmen in Stralsund, übernahm gar in Sundhagen ein Hotel und beriet schließlich mit dem „Pier 7“ ein Restaurant am Schweriner See.  Dort ein weiteres Gespräch mit ihm zu führen, war mir nicht vergönnt. Er starb am 17. Februar 2019 völlig überraschend im Alter von 68 Jahren.

Michael Laumen war ein Mensch mit Widersprüchen. Sein Wesen war von Unbeugsamkeit, gelegentlich arroganter Distanziertheit und Egomanie ebenso gekennzeichnet wie von nahezu berührender Kollegialität und Verlässlichkeit, einem ganz eigenen, trockenen Humor und einer frappierenden ehrliche Direktheit gegenüber seinen Gesprächspartnern.  


Er hat vor einigen Jahren einmal versucht, einen Beitrag von mir über die kulinarische Szene des Landes buchstäblich in der Luft zu zerreißen. Und hat in diesem Zusammenhang einigermaßen wütend seine ursprünglichen Aussagen dazu zurückgenommen. Später auf dem Borgwarthof bei Stralsund hat er sich mit überraschend versöhnlicher Geste dafür gerechtfertigt und auf seine Weise entschuldigt: „Das war wohl ein emotionaler Verheber.“ Geschätzt hat er jedoch, dass ich mir nicht die Butter vom journalistischen Brot nehmen ließ und meine Grundaussagen zur Sache auch ohne den „Segen Laumen“ nicht zurückgenommen habe.


In späteren Gesprächen und Chats beispielsweise über Facebook haben wir uns sehr deutlich und oft argumentativ konträr  ausgetauscht. Auch hier hat mich, der ich für klare und deutliche Worte bekannt bin, mitunter (s)eine überheblich-abwertende Arroganz sehr geärgert und ich habe kräftig gekontert.


Peter Knobloch aus Göhren, einer seiner Mitstreiter aus den ersten Jahren der Gourmet-Szene im Land, bringt es so auf den Punkt: „Er war in allen Belangen  ein rücksichtloser Genussmensch“. Das ist wohl der Punkt, der Pro und Kontra Laumen in einem Satz zusammenfasst.

Michael Laumen war immer ein Koch, der sich stets nur dem guten Geschmack verpflichtet fühlte.  Ich kenne ihn sicher nur aus gelegentlichen  Gesprächen und kurzem Gedankenaustausch in kulinarischen Details. Seine früheren kulinarischen Mitstreiter kennzeichnen ihn unisono als „Pionier des guten Geschmacks“ in MV. Peter Knobloch meint zu seinem Ableben ziemlich betroffen: „Er war ein positiver Querdenker. Was Gastronomie und Küche im Speziellen betrifft, hat er in unserem Bundesland neue Impulse gesetzt und mich zu neuen Ideen angeregt…“


Ähnlich äußert sich auch Georg Walther, Küchenchef im Restaurant Blüchers im Schlosshotel Fleesensee. Er schätzte an Laumen stets seine „unnachahmliche Art“, die Walther jedoch immer mit Geschmack und Stil verband. Vor allem aber werde ihm der Rat des Altmeisters fehlen, meint Georg Walther betroffen über den Tod seines einstigen Mentors mit dem er gelegentlich Rezepte ausgetauscht und, wie auf der der Gourmet-Veranstaltung Burmé (Foto unten), sogar zusammen gekocht hat.


Auch weitere Kollegen und ehemalige Wegbegleiter Laumens schätzen seine inspirierende  Kochkunst und Kollegialität. Große Verdienste habe er sich vor allem 1996 mit der Gründung einer Köchevereinigung „Verbund der qualitätsorientierten Köche Mecklenburg-Vorpommerns“ (später: Festtafel MV) erworben, die seit 2000 in den sogenannten „Köche-Oskar“, 2006 in den „Großen Gourmet Preis MV“ mündete. Dass die Veranstaltung in den letzten Jahren trotz exzellenter Kulinarik zu einer faden Mogelpackung verkam, ist sicherlich nicht Laumen als einstigem „spiritus rector“ zuzuschreiben.

Der sagte mir auf den Tag genau vor fünf Jahren folgendes (und einiges mehr über die deutsche Ess-Landschaft, das nicht wiedergegeben werden sollte) : „Ich bin innerlich auf dem Wege mich von alldem zu trennen, was mit Sterneküche zu tun hat.“ Ich meine, das hatte etwas mit Koketterie gegenüber seinen aktuellen Möglichkeiten zu tun, weil die Trauben viel zu hoch hängen.


Seiner Meinung nach diene die artifizielle Küche jedenfalls nur noch dem Ego vermeintlicher Starköche und der Rechtfertigung hoher Preise. Er hadere deshalb mit dem Gedanken, wohl einem gewissen Hamsterrad nicht zu entkommen, in dem er sich befindet und mitunter auch das machen müsse, wovon er nicht zu 100 Prozent überzeugt ist. Und trotzdem meinte er seinerzeit verschmitzt lächelnd im eher provinziellen  Sundhagen: „ Es gibt sie noch, die alte Laumen-Küche".


Ehrlich gefreut hat sich Michael Laumen im Grunde seines Herzens jedoch über die erstaunliche Entwicklung der kulinarischen Szene im Nordosten. Es ist ein großer Verdienst von Laumen, in dieser Hinsicht einer der Wegbereiter gewesen zu sein.

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Ich war, bin und bleibe ihm verbunden in seiner offenen Direktheit. Wohl wissend, dass wir beide nicht unfehlbar sind. Er hinterlässt eine Lücke in der kulinarischen Landschaft Mecklenburg-Vorpommerns. Und ich bin mir ziemlich sicher: Er wird die Himmels-Küche kräftig aufmischen. Kritisch-argumentativ. Und geschmacklich sowieso.

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