Wer gelegentlich meine virtuellen Social Media-Aktivitäten verfolgt, weiß, dass ich ein Anhänger von Zitaten bin, die meiner Lebensanschauung entsprechen. Da muss man manchmal auch um die Ecke denken und darf gern eigene Interpretationen einbringen. Mit leicht kulinarischem Bezug kam mir neulich ein Spruch von Kurt Tucholsky in den Sinn. Der meint: „Der Mensch hat einen Hang zum Idealen. Er will nicht immer bloß Bohnensuppe essen und nachher befriedigt, sagen wir, ausatmen ...“ Ich interpretiere das mal auf meine Art und substituiere die Bohnen mit Zwiebeln. Die Wirkung mit dem ausatmenden Effekt dürfte ähnlich sein.
In meiner Küche spielen die Bollen aller Couleur eine herausragende Rolle. Für ein deftiges Gulasch müssen recht viele davon herhalten. Und schon als junger Mann habe ich mir Röstbrot mit sehr dünn geschnittenem fetten Speck und Zwiebelscheiben belegt und mit scharfem Senf bestrichen. Ein paar Jahre später kam das obligatorische Verdauungsbier dazu. Aber damit kann und will ich Sie heute nicht an den Küchentisch locken. Es gibt gebratene Blutwurst mit Apfelspalten und glacierten Zwiebeln. Dazu schneiden für zwei Personen hausgemachte Blutwurst vom Schlachter Ihres Vertrauens in sechs dicke Scheiben und einen kleinen Apfel in sechs Spalten.
Die Wurst braten Sie ohne Fett von beiden Seiten scharf an, so dass sie außen knusprig und innen weich ist. Die Apfelspalten braten Sie mit Butter an, geben etwas Zucker hinzu und lassen alles unter ständigem Schwenken gleichmäßig karamellisieren. Nun erhitzen Sie in einem Topf gut 50 Gramm Zucker bis er karamellisiert und geben etwa 150 Gramm Perlzwiebeln oder die weißen Köpfe von Frühlingszwiebeln dazu. Abgelöscht und eingekocht wird mit Portwein bis die Zwiebeln glacieren und etwas Farbe annehmen. Dann kann schon angerichtet werden. Zu Wurst, Apfelscheiben und Zwiebelchen empfiehlt sich ein deftiges Sellerie-Püree. Ich werde mir aber Hasselback-Kartoffeln dazu gönnen. Die Anleitung für beides finden Sie in meiner virtuellen Rezeptothek.
Das war eine vergleichsweise moderate zwieblige Speise. Militant-luftiger geht es schon bei gefüllten Zwiebeln zu. Von der Sorte gibt’s ja 1001 Machart. Ich habe mir kürzlich zwei stattliche Zwiebeln mit Ziegenkäse gegönnt. Dafür schälen Sie die weißen Zwiebeln und lassen sie etwa eine Viertelstunde in Salzwasser kochen. Dann kalt abspülen und das Innere vorsichtig aushöhlen, so dass eine feste Hülle übrigbleibt. Das Innere aber wird nun sehr fein gewürfelt und mit ebenfalls feingewürfelten 50 Gramm Ziegenkäse, vier Oliven, und je einem halben Esslöffel Thymian und Petersilie vermischt und gut gewürzt. Alles rein in die Hüllen und bei 200 Grad etwa eine halbe Stunde backen.
Angerichtet habe ich das an leicht in Butter geschwenkten Pfirsichscheiben und dazu frisches Brot verzehrt. Köstlich. Weitere luftig-gefüllte Ideen: Sie wissen schon … Und das Gute daran: Je nach zwiebeliger Dosierung bestimmen Sie das Ausatmen selbst. In diesem Sinne: Mahlzeit.
Das Kolumnen-Titelfoto für den Monat März zeigt einen Gang von Alexander Ramm, Küchenchef im Jagdhaus Heiligendamm, im Rahmen der Veranstaltung "Siewert & Friends" im November 2022 im Grand Hotel Heiligendamm: "Die Kunst der Verpackung" Taube | Gänseleber | Aal | Steinpilzessenz
Diese Kolumne erschien am 16.3.2023 in allen Ausgaben der Schweriner Volkszeitung sowie der Norddeutschen Neuesten Nachrichten.