Kennen Sie auch noch die Zeit vor etwa 30 Jahren, als es nichts zu essen gab und alles nur Mangelwirtschaft war? Gähnende Leere in den Kaufhallen. Fleisch nur auf Zuteilung oder Bück-dich-Ware ganz nach Beziehung. Obst und Gemüse nur gegen harte Währung. Die Hausfrauen waren schier am Verzweifeln. Die Kinder machten vor Hunger Klimmzüge an den Tischkanten, schafften aber wegen Vitaminmangel nicht mehr als drei. Oder man musste nach dem Motto handeln: „Wo jeder klaut, fehlt keinem was…“ Rouladen oder Steaks waren kulinarische Sechser auf dem Mittagstisch. Und die Köche konnten alle nicht kochen, weil sie mehr Marxismus als Warenkunde und Kochtechniken büffeln mussten. „Fourschtbar…“, wie ein Berliner Kollege gelegentlich sagt.
Sie werden merken, ich spiele pointiert auf Vorwendezeiten in hiesigen Landen an. Also legen wir mal den Schalter um: Klar musste man oft improvisieren. Aber die DDR-Küche war nicht so schlecht wie ihr Ruf, die Köche konnten auch mit weniger exquisiten Zutaten passabel kochen. Ich habe in dieser Zeit sehr gern Kurzgebratenes gegessen und mit allem kombiniert, dem man habhaft werden konnte. Auch den legendären Toast Hawaii habe ich des Öfteren in den Alu-Grill geschoben. War kein kulinarischer Hammer, aber eine durchaus schmackhafte und sättigende Speise.
Daran habe ich kürzlich gedacht, als ich ein Steak-Rezept mit Ananas entdeckte. Natürlich versehen mit den Vorzügen der Überflusswirtschaft. Da wurde Schweinehals in Szene gesetzt. Klingt nach Wendehals. Meine Mutter hätte aber Schweinkamm oder -nacken dazu gesagt. Der ist schön durchwachsen, so dass der Braten saftig wird.
Also gibt es heute Schweinesteak à la Max. Damit Sie keinen Erinnerungskoller an den Postsozialismus bekommen, ersetze ich die Ananas mit Melone. Das Ganze geht so: Zuerst brate ich den Schweinehals am Stück etwa zehn Minuten scharf an, den ich mit einer Mischung aus Salz, Pfeffer, Orangenabrieb und Chili gewürzt habe. Raus aus der Pfanne auf einen Teller, mit je einer Scheibe gegrillter Melone belegt und mit Alufolie bedeckt zum Warmhalten rein in den Ofen.
Nun kommen ganz nach Geschmack zwei bis drei klein geschnittene Knoblauchzehen samt Currypulver in die Pfanne, die leicht angebraten werden. Danach wandern ein fein geriebenes Stück Ingwer, Melonenstückchen, etwa 400 Gramm Spinatsalat und 180 Milliliter Kokosmilch hinterher. Alles kurz aufkochen lassen, vom Herd nehmen und mit Zitronensaft, Salz und Cayennepfeffer abschmecken. Erst jetzt das Fleisch aufschneiden und in tiefere Teller legen, mit dem Spinat-Melonen-Gemisch garnieren und den Melonenscheiben krönen. Durch ein paar Limettenblätter kann man dem Ganzen noch eine frische Note geben, wie mir Küchenchef Stefan Zeisler vom „Esszimmer“ in Plau am See empfahl.
Stellen Sie sich mal vor: Das hat trotz ostalgischer Geschmacksnähe und ganz ohne Käse in Kombination mit einem Baguette trefflich gemundet. Es is(s)t eben eine Frage der Kraft, das wusste schon der alte Tucholsky, wenn man sich selber treu bleibt… Und wenn mir wieder mal danach ist, kommt was Kurgebratenes in die Pfanne und der Kühlschrank wird nach Kombinationsmöglichkeiten durchsucht.
Diese Kolumne erschien am 14. März 2017 in der Schweriner Volkszeitung.