Kutteln waren einst ein Arme-Leute-Essen, das heute vorwiegend in Sachsen oder Süddeutschland noch auf Speisenkarten angeboten wird. Regional unterschiedlich werden die Dinger auch als Kaldaunen, Flauzen oder Flecke bezeichnet. Von Letzteren soll fortan die Rede sein. Der naseweise Erzgebirger spricht sogar doppelt-gemoppelt von Kuttel-Flecken. Für den unbefleckten Mecklenburger aber sei kurz erläutert: Flecke sind in Streifen geschnittener (das Wort versteht der Norddeutsche am besten) Pansen von Wiederkäuern, also vom Rind, Schaf, Ziege sogar vom Reh.
Sie merken schon, das steuert in Richtung kulinarisches Kopfkino und ist vielleicht nicht jedermanns Sache. Deshalb erspare ich Ihnen an dieser Stelle die vorbereitenden Arbeiten, die Sie aber an bekannter Stelle in meiner virtuellen Rezeptothek nachlesen können. Dort finden Sie auch die Zubereitung des Klassikers Saure Flecke, den man als Suppe, aber auch in Kombination mit Salz- oder Bratkartoffeln genießen kann. Beim Schlachter Ihres Vertrauens können Sie sich aber auf Bestellung geputzte und vorgekochte Flecke bestellen.
Und dann kann die kochende Kür beginnen, die Ihrer Kreativität keine Grenzen setzt. Bei Spitzenkoch Franz Keller habe ich kürzlich sogar eine Kombination von Flecken mit Hechtfilet und Fischblasenringen gesehen, die er „Calamaretti“ nannte. Das stelle ich mir sehr schmackhaft vor. Wenn er mir das Rezept rausrückt, werde ich es in meine Sammlung aufnehmen. Ich denke, man kann die „weiß“ in Champagner mit Lauch oder Gurke und Dill, aber auch „braun“ mit Paprika oder asiatisch mit Wokgemüse zubereiten.
Eine weitere Möglichkeit, vorbereitete Flecke zuzubereiten, ist das „Tablier de sapeur“. Da weiß der gebildete Mecklenburger sofort, das ist ein traditionelles französisches Rinderflecke-Gericht aus Lyon. Man kann es auch mit den Flecken vom Reh aus heimischen Wäldern zaubern. Dazu teilt man die nicht in Streifen geschnittenen Flecke in annähernd gleichmäßige Stücke, bestäubt sie wie ein Schnitzel mit Mehl, wendet sie in einem verquirlten Ei und wälzt sie schließlich in Semmelmehl. Dann rein in eine Pfanne mir reichlich Butterschmalz und bei guter Hitze beidseitig goldbraun ausbacken. Dazu passt geröstetes saisonales Gemüse und, ganz nach Geschmack, ein Baguette nebst einer Kräuterremoulade. Letztere ist nicht so mein Ding, abgelehnt. Es sei denn, ich kreiere eine geileCreme nach eigenem Geschmack, und vor allem ohne Majo…
Auch nicht von der Tischkante schubsen würde ich einen Flecke-Salat. Der geht Karo einfach, ist aber echt schmackhaft. Das wird mal ein Samstagabend-Essen in Verbindung mit einem würzigen Wein. Dazu werden Frühlingszwiebeln, die gibt’s ja auch im Herbst, in halbierte Ringe geschnitten und mit einer Art Marinade aus Essig, Öl, etwas Wasser, Salz, Pfeffer und je nach Geschmack mit ein paar Spritzern Worcestersoße und/oder Tabasco vermischt. Dazu kommen die gegarten, vielleicht auch leicht angeschmorten und in Streifen geschnittenen Flecke. Fertig ist die Laube…
Zu dieser Art von Mahlzeit passt sogar ein Zitat von Schiller. Der sagt: „Jedwede Tugend ist flecke(n)frei, bis auf den Augenblick der Probe.“ In diesem Sinne, beweisen Sie Mut zum Geschmack. Auf solche Flecke können Sie es getrost ankommen lassen.
Diese Kolumne erschien am 17.9.2020 in der Schweriner Volkszeitung.