Kommentiert: Angst vor der virtuellen Fresssucht

fresssucht

Sachen gibt's, da muss man erst einmal drauf kommen. Jüngst wurde gemeldet, dass man Essstörungen bekommen kann, wenn man sein Essen permanent fotografiert und die mehr oder weniger guten Ergebnisse dieses Lasters auf virtuellem Wege veröffentlicht. "Food Porn" (ein Schelm, wer Böses dabei denkt) wird das genannt. Herausgefunden haben will das eine kanadische Psychologin. Die Fotos, meint die Dame, können zu Fresssucht oder Bulemie führen.

"Ach du leiwe tied", würde der Norddeutsche sagen. Was kommt da noch alles auf die Menschheit zu? Verkommt gar das Internet zum kulinarischen Sündenpfuhl? Nein, meine ich. Trotzdem hat die gute Frau mit ihren Beobachtungen nicht nur für mich Fragen aufgeworfen. Denn die Angewohnheiten, in Restaurants die mehr oder weniger stilvoll angerichteten Teller zu fotografieren, haben mittlerweile nahezu inflationäre Züge angenommen. Man greift entzückt zum iPhone, weil man ja zeigen will, dass man eines hat, und klickt was das Zeug hält auf den Auslöser. Das man dabei später noch ganz dezent am Rande mitteilen kann, in welchem Nobelschuppen man war und wie viel Euronen man für das Menü abdrücken musste, dessen Namen man nicht mal aussprechen, geschweige denn schreiben kann.

Über den Sinn und Unsinn solcher Aktivitäten kann man nun gar trefflich diskutieren. Und genau genommen bin ich ja auch so ein Food-Paparazzo. Denn auch von mir gelangen Food-Fotos in die virtuellen Welten von Facebook und Co. Manchmal auch privat, überwiegend aber meinem journalistischen Faible für kulinarische Entdeckungen geschuldet.

Soll auch heißen, ich brauche für alle möglichen Beiträge Motive von gutem Essen. Vom schlechtem Essen lohnt sich sowieso kein Foto, weil man den Mangel an Genuss wohl nicht sichtbar machen kann. Es sei denn, eine dicke Schnecke rast fresssüchtig über den Salat.


Und was hat das Ganze mit Food-Porn zu tun? Gar nichts. Ich halte bis zum Beweis des Gegenteils nichts von der These, dass Food-Fotografie dick oder krank macht. Und das Schreiben über das Essen wohl auch nicht. Zugegeben, mir läuft manchmal schon das Wasser im Munde zusammen, wenn ich ein gelungenes Menü oder einen Spitzenkoch in seinem Metier fotografiere. Deswegen esse ich aber weder weniger noch mehr. Und wenn ich mal auf Diät-Trip gehen will, werde ich nur das Salatbuffet ablichten. Das hilft der schlanken Linie ungemein.

Im privaten Bereich aber halte ich von solcher Food-Pornografie nicht viel. Es schmälert durchaus den Genuss, wenn in einem Restaurant dauernd geklickt und geblitzt wird. Da konzentriere ich mich lieber auf das genussvolle Essen, einen guten Tropfen und auf anregende Gespräche mit (sofern vorhanden) meiner Begleiterin. Das hat für mich eine Menge mit Kultur zu tun. Kultur ist es aber auch, wenn man Kultur vermittelt. Alles klar...

Fazit: Es lebe die Food-Porno..., sorry, -Fotografie und die Diskussion darüber, was genussvoll über Zunge und Gaumen gleitet. Es kommt immer auf Umfeld und Maß an, beim Essen wie im Leben überhaupt. In diesem Sinne, bleiben Sie schön neugierig...

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