Hofstraße 12 - 17209 Fincken
www.kavaliershaus-finckenersee.de
Gefahren bin ich den Weg schon sehr oft, wenn ich die A 19 nach Rostock möglichst schnell erreichen wollte, oder in Richtung Müritz, Neustrelitz und Feldberger Seenlandschaft unterwegs war. Kurz vor besagter Autobahn jedenfalls wollte mich stets ein unscheinbares Verkehrsschild nach rechts in Richtung Fincken locken. Dass ist das stoisch ignoriert habe, lag vor allem an meinen eigentlichen Zielen. Aber auch in der Unkenntnis dessen, was man in dem Ort zu sehen bekommen und erleben kann.
Wie es der Zufall oft beschert: Ich habe schließlich doch nach Fincken gefunden. Das rund 500 Einwohner zählende Dorf ist auf den ersten Blick unscheinbar. Einige Einfamilienhäuser, ein paar Gehöfte und ein typischer, vierschossiger DDR-Bau auf dem Lande. Etwas verdeckt aber offenbart Fincken einen ganz eigenen Charme. Denn zum gleichnamigen See hin befinden sich das ehemalige Schloss Blücher und das dazugehörige Kavaliershaus.
Das ehemalige Herrenhaus derer von Blücher hat auch schon attraktivere Tage erlebt, fungierte zu DDR-Zeiten als Betriebsferienheim, wurde später saniert und als Hotel genutzt, steht inzwischen jedoch wieder leer. Offenbar lohnt sich der Aufwand für eine solche Nutzung nicht. Das Kavaliershaus aber wurde vom Berliner Architektenehepaar Johanne und Gernot Nalbach aufwendig umgebaut und wird ab 2010 als Hotel betrieben.
Moritz Nalbach, der Sohn der Inhaber und auch Mitgeschäftsführer des Seehotels am Neuklostersee, war es schließlich, der mir den entscheidenden Tipp zu einem Besuch in Fincken gab. In unserer vorbereitenden virtuellen Kommunikation verriet er mir, dass Hotelleiterin Berit Heeschen ein „großer Glücksfall für das Unternehmen und eine wirklich herzliche und gute Seele des Hauses…“ ist. Abwarten und Tee trinken, war mein erster Gedanke. Nalbach jr. hat aber nicht geflunkert. Die Chefin ist wahrlich eine junge Frau, der Herzlichkeit und Leidenschaft für ihren Job buchstäblich ins Gesicht geschrieben ist.
Sie führte mich mit Charme erst durch das weitläufige Anwesen und dann durch das Hotel, das auch einmal eine Schule beherbergte. Von Kavaliershaus aus erstreckt sich zum See hin ein recht urwüchsiger Park mit tierischen Skulpturen und sagenhaft anmutenden Bäumen wie Zerreiche, Mexikanische Spitzblattbuche und Platane. Nicht auszudenken, wenn dieser Park noch etwas mehr in seiner Struktur angepasst bzw. ausgebaut würde. Ohne aber die ganz eigene Natürlichkeit zu zerstören, versteht sich.
Zum weitflächigen Objekt gehören auch ein privater Badesteg, eine Blumen- und Liegewiese sowie ein bauliches Ensemble aus Veranstaltungsscheune mit Terrasse und Grillplatz, ein Kinderspielhaus, eine separate Feuerstelle für romantische Stunden zum Tagesausklang und eine Tischtennisplatte für den sportlich ambitionierten Gast. Sogar ein Outdoor-Saunagarten fehlt nicht. Ich bin beeindruckt von dieser Art eines Refugiums für Körper und Seele. Ganz in der Nähe befinden sich auch die Finckener Kirche, die Rundscheune als Gemeindezentrum und die sogenannte Friedenseiche.
Was Berit Heeschen mir im Kavaliershaus selbst offenbarte, hat mich einigermaßen von den Socken gehauen. Hoteltechnisch gesehen, versteht sich. Das alte ehemalige Schulhaus hat Zimmer und Suiten zu bieten, die vom Ambiente eine frappierende Allianz aus ländlich-abgeleiteter, sehr natürlicher Eleganz und Gediegenheit sowie dem Komfort modernen Wohnen bilden.
Eher schlicht gestaltete Wände werden mit Holz und textilen Materialien effektvoll in Szene gesetzt. Wohlfühlecken inklusive. Bis hin zur solitären Badewanne in einer traumhaften Suite für Verliebte und alle, die sich liebevolle Gemeinsamkeit bewahrt haben. Kurzum: Man spürt in jedem Raum die gestalterische Seele und viel Geschmack im kleinen und großen Detail. Auch das gehört für mich zum Refugium des Aufenthalts in Fincken. Hier können sich Familien gleichermaßen wie Alleinreisende und Paare wohlfühlen. Auch die sanitären Bereichen lassen keine Wünsche offen. Teils sind auch Kochgelegenheiten gegeben.
Darüber hinaus ist im Kavaliershaus für Kurzweil für die Kindergäste ebenso gesorgt wie für Entspannung im kleinen, aber feinen Wellnessbereich mit Sauna, Ruheraum und Saunagarten im Freien. Und im historischen Gewölbe befindet sich ein gute bestückter Weinkeller, in dem man in anheimelnder Atmosphäre edle Tropfen und natürlich auch kulinarische Köstlichkeiten genießen und entspannte Stunden verleben kann.
Womit wir beim Thema Kulinarik wären. Auch dazu hatte Moritz Nalbach eine vorauseilende Nachricht für mich parat. Er kündigte Gunnar Müller als „absolut liebenswerten, engagierten und guten Koch“ an. Vergaß aber löblicherweise auch nicht, das „restliche Team“ des Hauses zu erwähnen.
Der Mann weiß offenbar, was die Küche geschlagen hat: Gunnar Müller entspricht genau dieser Einschätzung. Er ist ein junger Mann mit offenem Blick. Er spricht aus, was er denkt. Bei ihm hat man sofort das Gefühl von authentischer Ehrlichkeit. Da ist nichts gekünstelt. Ein Mann, ein Wort eben.
Genauso kocht der gebürtige Mecklenburger auch: Ehrlich, mit einer guten Portion Bauchgefühl, ohne viel Chichi, bodenständig und frisch. Er hat, verrät er mir im Interview, etwas gegen kochtechnische Floskeln und jagt auch keinen Trends hinterher. Präsentation mag er ohne große künstlerische Ambitionen, seine Teller sind unprätentiös angerichtet. Man erkennt das Produkt und weiß es in seiner Zubereitung zu schätzen.
Ich durfte dem Alleinkoch bei seiner Arbeit zuschauen: Er kocht sozusagen „aus der Lameng“ und pfeift auf Pinzette und aufwändig positionierte und drapierte Zutaten. Soll auch heißen, Hochkant-Möhren oder -Spargel und die oft verwendeten Creme-Tüpfelchen aller Couleur wird man bei ihm vermissen. Ein Glück auch. Denn das passt so gar nicht zu ihm und seiner Küche. Was nicht heißen soll, dass (s)eine Küche auf Raffinesse verzichten muss. Die besteht bei Gunnar Müller aus meiner Sicht hauptsächlich im geschmacklichen Detail, im Einsatz und der Komposition von Kräutern und Gewürzen.
Was in der Küche des Kavaliershauses „gemüllert“ wird, ist für mich im besten Sinne des Wortes deftige Hausmannskost. Da ist noch nicht mal der Begriff „gutbürgerlich“ wirklich zutreffend. Der junge Koch setzt auf geschmackliche Tradition in Verbindung mit überraschenden geschmacklichen Nuancen. Bei ihm gibt’s beispielsweise einen tollen Eintopf mit Belugalinsen, Keimlingen und pikanter Merguez. Oder er serviert gebackenen Brie an Linsensalat und Birnensenf. Das sind vermeintlich einfache Dinge mit einem ganz hohen Geschmackspotenzial.
Und ich fahre garantiert bei meiner nächsten Fahrt gen Osten vor der A 19 rechts ab und bestelle mir eine köstliche Wildterrine, die Müller mit Preisebeeren anbietet. Dazu sein frisches, hauseigenes Brot aus Roggenschrot, Gewürzen und Vollkorn. Ein Gedicht zu allen Jahreszeiten, das kombiniert mit Tomaten und Rührei oder Bauernschinken und Spiegelei kulinarisch rezitiert, sprich: aufgetischt, wird. Auch die Flammkuchen sind, da glaube ich Müller auf’s Wort, immer ein beliebter kulinarischer Renner.
Nur beim Sauerfleisch mit Remoulade würde ich empört abwinken. Denn letztere ist für mich ein absolutes „no go“, wie der Mecklenburger sagen würde. „Null Problem“, sagt Gunnar Müller lächelnd, „dann reiche ich dazu eben die traditionelle Ergänzung in Form von Öl und Essig.“ Dass ess‘ ich…, ist meine launige Pointe. Wann möglich aber mit Sülze. Wenn die „aus“ ist, steige ich auf marinierten Hering nach den Rezept von Käthe um, wer immer die auch is(s)t. Zusammen mit Brat-, aber auch Pellkartoffeln geht das immer. Dazu ein würziges Bier, was will man(n) mehr. Muss ja kein Craft-Bier sein, wie es im Klassenzimmer angeboten wird. Ein frisches Lübzer tut’s auch. Na gut, es gibt bessere Biere, aber man muss ja auch „flüssig“ regional denken.
Und nicht zu vergessen, aus Müllers Küche kommen auch Drei-Gang-Menüs, die sich sehen lassen und trefflich munden. Lesen Sie dazu das Interview mit dem Koch, in dem er mir eine Menü-Variante verraten und angedeutet hat, dass er davon noch einige Dutzend auf seiner körperlichen Festplatte gespeichert und parat hat. Ich konnte ihn bei der Zubereitung von zwei kleinen Snacks für mich beobachten: Der Mann zaubert mit wenigen, oft geübten Handgriffen Geschmack auf den Teller und steckt dabei keine Planquadrate ab. So ahne ich zumindest, was manche unter dem Begriff „Kochlöffel-Dompteur“ verstehen. Kleiner Scherz am Rande...
Und für die Leckermäulchen unter den Gästen bietet das Klassenzimmer noch eine große Palette selbstgebackenem Kuchens und Eis aus eigener Herstellung mit Ingredienzen wie Vanille, Himbeere, Orange-Zartbitterschokolade, Birne-Sanddorn, Orange-Marzipan, Jogurt-Banane, Kaffee-Baileys-Gewürze, Zitrone „und weiteren saisonale Sorten je nach Verfügbarkeit“. So steht es jedenfalls auf der Karte. Nicht schlecht, Herr Müller, die Orange-Version könnte sogar einen Max reizen, der sonst als Dessert lieber Käse verdrückt.
Der charmante Service im Klassenzimmer obliegt übrigens drei zauberhaften Damen. Chefin im servierenden Ring ist einmal mehr Berit Heeschen, assistiert bzw. ergänzt von Susann Freund und Diana Jahn, die auch umsichtig in anderen Bereichen des Hauses tätig sind. Manchmal traut sich, wie in meinem Fall, sogar der Müller an den Tisch und zeigt, was er in bzw. auf der Pfanne hat(te).
Anmerkung: Die Bewertung des Klassenzimmers ist sozusagen der erste Eindruck und erhebt noch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Besuche werden folgen und dem MGQ ständig aktualisiert.
Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept
Kategorie: Restaurants - April 2019