Im Interview: Ralf Achilles, ein Koch, der Taten sprechen lässt…

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Ralf Achilles

Ralf Achilles, Jahrgang 1962, geboren in Berlin, in Lebenspartnerschaft. 2 Kinder.


Er begann 1979 seine Kochlehre im legendären Restaurant Rübezahl am Müggelsee und hat vor und nach der Wende den Abschluss als Küchenmeister erfolgreiche bestanden.  Stationen seines beruflichen Lebens waren u.a. da Gästehaus des ZK der SED am Müggelsee, der Tannenhof in Schöneiche, eine interessante Arbeit als Direktor für Schulspeisung in Berlin, Catering an der Rennbahn in Hoppegarten sowie auch eine zeitweise Tätigkeit als Weinverkäufer. Seit 1997 führt er mit seiner Lebensgefährtin Florentin das Restaurant „Schönblick“ in Woltersdorf bei Berlin. Er ist aktives Mitglied der Brandenburger Kochfamilie.

Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen, abseits von Essen und Trinken?

Das werden auf solch eine Frage sicherlich viele antworten. Da mach ich keine Ausnahme: Genuss ist für mich eine Frage von Zeit und Muße. Wie immer man das auslegen möchte…

 

 Und wie definieren Sie Genuss in kulinarischer Hinsicht?

Auch das ist eine Frage von Wohlfühlen als Gesamterlebnis: Gutes, ehrliches Essen, Ambiente, angenehmer Service. Nicht zu vergessen: Neue Geschmackserlebnisse…

 

Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?

Ich stehe für frische, regionale und saisonale Küche. Und ich verrate auch nichts wirklich Neues, dass ich diesbezüglich ein Vertreter der sogenannten „Alten Schule“ bin. Soll heißen: Keine Fisimatenten auf dem Teller. Der Geschmack muss es richten.

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Beschreiben Sie Ihr kulinarisches Angebot in einem Satz?

Das habe ich eigentlich mit meiner Philosophie schon verraten. Alles, was die Saison bietet und meine Jäger vor die Flinte bekommen, verarbeite ich für unsere Gäste.

 

Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?

Ich verarbeite und koche das, was ich selbst gern mag und wofür ich als Koch stehe. Warum soll ich mich verbiegen lassen und Dinge zelebrieren, die gar nicht meinem Geschmack entsprechen?

 

Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?

Zu 95 Prozent als Handwerker. Denn ohne Handwerk kann man keine Kunst machen. Die letzten fünf Prozent machen dann den Künstler im Koch aus.

 

Wie wichtig ist Ihnen traditionelle Küche?

Darauf kann und werde ich nie verzichten. Ich bin ein traditionsbewusster Mensch und Koch.

 

Worin wollen Sie sich im kulinarischen Umfeld bewusst unterscheiden?

Mein Markenzeichen ist meine Karte, die ständig modifiziert wird. Dort findet man beispielsweise keine Pommes und ähnliche kulinarische Verdächtige. Ich richte mich konsequent saisonal aus.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisen?

Saison heißt natürlich auch Preis. Da kann man anders kalkulieren als das außerhalb der Saison möglich ist. Und der Preis muss dem angemessen sein, was man dem Gast in diesem Umfeld zumuten kann. Letztendlich muss es sich für alle Beteiligten rechnen.

 

Wie leben Sie als Küchenchef Ihre kreative Ader als Koch aus?

Das habe ich in der vorhergehenden Antwort schon angerissen: Man kann nicht immer aus dem Vollen schöpfen. Es muss alles auch verkaufbar sein und als Koch darf ich also nicht in Schönheit sterben.


Heißt das Verlust an Kreativität und Geschmack?

Natürlich nicht, man muss aus den vorhandenen Produkten etwas machen. Kochen fängt in diesem Sinne für mich dort an, wo das Rezept aufhört.

 

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Welche Antwort erwarten Sie diesbezüglich von einem Euro-Toques-Koch? Zweimal ein klares „Nein“. Punkt.

 

Woher beziehen Sie Ihre Produkte?

Ich beziehe Bunte Bentheimer Schweine, die auf der Fritz-Koppel in Prötzel heranwachsen. Das als Bechlin Beef bekannte Rind wird mir von Guido Leinitz aus Bechlin bei Neuruppin geliefert. Wild kommt von zwei mir gut bekannten Jägern und Gemüse stammt beispielsweise aus dem Oderbruch.

Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Das ist damit ja schon beantwortet. Ohne gute Produkte kann man auch keine guten Gerichte zubereiten. Das eine bedingt das andere. Einer profitiert vom anderen. Man muss Produzenten und Produkte gleichermaßen kennen.


Sie begreifen also Zusammenarbeit als Gebot der Stunde?

Selbstverständlich. Ohne das geht es gar nicht mehr. Und ein Erfahrungsaustausch, wie ich ihn beispielsweise bei und mit der Brandenburger Kochfamilie erlebe, ist sozusagen ein Jungbrunnen für kulinarische Ideen und eine Quelle der Wissenserweiterung

 

Wie stehen Sie zu dem Grundsatz „Vom Einfachen das Beste“?

Da hat Franz Keller sehr recht. Außerdem erleichtert ein gutes Produkt auch die Arbeit.


Weil man es nicht so anspruchsvoll verwerten muss?

Mitnichten. Aber der Geschmack an sich ist eigentlich schon vorhanden. Man braucht „nur“ noch sein kochendes Handwerk zu verstehen und nicht Aromen und Texturen zu jonglieren. Die natürlich im Detail auch ihre Berechtigung haben.


…und welchen Standpunkt vertreten Sie in Sachen ganzheitliche Verwertung?

Bei mir bleibt nichts übrig. Nichts wird in die Tonne gekloppt, alles wird verwertet. Das ist schließlich auch Zeit und Geld. Insofern eine gleichermaßen eine Frage der Ökonomie und der kochenden Moral.

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Wie holen Sie sich Inspirationen für Ihre Speisekarte? Wie oft wechseln Sie diese?

Ich lese in Büchern und Zeitschriften, klaue mit den Augen und dem Gaumen, wenn ich essen gehe. Und dann geht es durch die Gehirnwindungen bis ein Gericht herauskommt, das für meine Küche machbar ist. Insofern ist unsere Karte einem ständigen Prozess der Überarbeitung unterworfen.

 

Kochen Sie mehr nach Rezepten, oder nach geschmacklich-kombinatorischer Intuition?

Sagen wir es mal so: Es ist eine Kombination aus Rezept und Erfahrung. Ich richte alles passend auf mein Küchenprofil aus. In diesem Sinne bin ich übrigens kein sehr guter Bäcker, denn da kommt es auf die genaue Einhaltung von Rezepten an.

 

Wie viel Kreativität gönnen Sie sich bei der Präsentation Ihrer Gerichte?

Im Tagesgeschäft muss ich mich da als Alleinkoch eher beschränken und Maß halten. Da sind einfach auch zeitliche Grenzen gesetzt.

 

Wie viel „Kunst“ auf dem Teller sollte man dem Gast überhaupt zumuten?

Man darf das Profil seines Restaurants nicht aus dem Auge verlieren und muss den Aufwand abwägen. Und das Produkt an sich sollte auch schon noch erkennbar sein.

 

Inwieweit fließen auch internationale Akzente in Ihre Speisekarte ein?

In dieser Beziehung lebe ich vor allem eigenen Geschmack aus. Da kommt eben auch schon mal im Sommer eine spanische Fischsuppe auf den Tisch und setze ich Gerichte um, die ich auf Reisen kennengelernt habe. Aber natürlich in Kombination mit regionalen Komponenten. Auch das ist für mich eine Art Blick über den Tellerrand.

Wie setzen Sie Euro-Toques-Prinzipien in Ihrer Küche um?

Diese Prinzipien in Bezug auf Region und Saison sowie die handwerkliche Umsetzung beim Kochen werden nur dann mit Leben erfüllt, wenn man es auch wirklich praktiziert. Sonst bleibt das nur plakativ beschriebenes Papier. Und dafür stehe ich nicht. Und ganz wichtig ist natürlich auch der Austausch mit den Kollegen, der immer wieder neue Ideen hervorbringt.

 

Sie bieten auch Veranstaltungen mit Gourmet-Anspruch an. Was muss man sich darunter vorstellen?

Gourmet ist weites Feld und eine Frage der Definition. Wir bieten beispielsweise Themenabende oder den kulinarische Gang durch eine Region an. Da kann man dann schon mal seine künstlerische Ader strapazieren und aufwändiger präsentieren. Gourmet ist für mich aber bereits gutes Essen, das vom Handwerk des Kochs geprägt wird.

 

Entspricht das für Sie dem klassischen Gourmet-Begriff, oder eher einer Art Mittelweg?

Ganz ehrlich: Das können Sie halten, wie Sie wollen. Genau genommen wird es bei uns immer eine Art Mittelweg sein, bei dem man Aufwand und Nutzen abwägen muss. Ich sagte schon anderer Stelle, ich bin keiner, der in kochender Schönheit sterben will und werde.

 

Bieten Sie bei Bedarf auch das, wann man Fine Dining nennt?

Sagen wir es mal so: Alles ist möglich. Ich richte Speisen und Menüs ganz nach Wunsch an. Das hat natürlich seinen Preis. Aber grundsätzlich zaubere ich Dinge, die auch den verwöhnten Gaumen überzeugen.

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Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Natürlich ein Stern kein Muss, höchstens eine Bestätigung dafür, dass man für seinen Beruf und den Genuss lebt. Hier könnte ich auch wieder die Verbindung zwischen Handwerk und kulinarischer Kunst ziehen. Und Sie wissen doch: Alles ist irgendwie Geschmackssache.

 

Ist ein Stern, vielleicht auch anderem Ort, ein Ziel Ihres kulinarischen Schaffens?

Nö, warum sollte es so sein? Mir ist das Lob zufriedener Gäste wichtig. Punkt. Dazu hätte ich gar keine Kapazitäten. Soll ich jetzt nochmal da Wort vom „Sterben in Schönheit“ bemühen…?

 

Welche Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Das sind neben anderen die Haeberlins und die Franzosen, die kulinarischen Minimalismus auf höchsten Niveau zelebrieren. Aber da hat eben jeder seine Note. Und das ist gut so.

Wie viel bedeutet Ihnen der Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus der Region?

Dazu habe ich schon etwas gesagt. Das ist für mich essentiell, oberwichtig und sozusagen das Salz in der Suppe kollegialer Beziehung. Auf diese Weise entwickelt man sich auch als Koch weiter und erweitert seinen Horizont. Mal ganz davon abgesehen, dass das, wie beispielsweise in der Brandenburger Kochfamilie, richtig viel Spaß macht.

 

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Ein Vierseitenhof aus dem Land mit kleiner, aber feiner Gaststätte und angeschlossener Landwirtschaft. Das wird nur ein Traum bleiben. Aber träumen muss man auch dürfen…

 

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Es muss alles passen. Ich bringe mal Begriffe wie Flair, Feeling, passendes Ambiente, angenehmer und professioneller Service ins Gespräch. Und natürlich gutes Essen nicht zu vergessen.

 

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Im Allgemeinen liebe ich freie Zeit und Urlaub  mit Familie und Hund. Beispielsweise an der Ostsee. Wir essen und trinken aber auch gern und gut. Da versuche ich immer, etwas für mich aufzugreifen und individuell weiterzuentwickeln. Ich beschäftige mich auch mit Wein- und Whiskey-Wissen. Das hält das Gehirn fit und bietet zudem viel Genuss.

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