Im Interview: Peter Knobloch, ein kochender Feingeist…

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Peter Knobloch

Peter Knobloch, Jahrgang 1954, geboren in Karl-Marx-Stadt
seit 1986 auf der Insel Rügen, verheiratet seit über 30 Jahren mit Ehefrau Christina, 3 Kinder.


Nach seiner Kochlehre im „Haus Sonne“ in Rostock bis 1973 waren seine beruflichen Stationen u.a. das Travel-Charme Hotel „Nordperd“ oder das Restaurant „Meeresblick“ in Göhren. Außerdem war Knobloch 15 Jahre auch als Berufsschullehrer im Gastronomie- und Kochbereich tätig. Er betreibt seit 2006 in der „Villa mit Sonnenhof“ eine Kräuterküche und eine Manufaktur, die aus natürlichen Zutaten wie Kräutern und Früchten schmackhafte Produkte für genussvolles Kochen herstellt.

Was bedeutet für Sie Genuss abseits von Essen und Trinken?

Ich liebe Musik von Klassik bis Jazz, höre ebenso gern Smetana wie Louis Armstrong und Till Brönner.  Und ich stehe auf Trompete wegen dem irren Sound. Sie wissen schon… Außerdem bin ich ein Liebhaber von Malerei. Die diesbezügliche Palette reicht von Otto Dix über Pablo Picasso bis Walter Womacka. Wer kennt nicht dessen Bild „Am Strand“? In unserem Besitz befinden sich auch spannende Bilder des in Mecklenburg lebenden Malers Otto Sander Tischbein.

 

Und wie definieren Sie Genuss im kulinarischen Sinne?

Ständig neue Gerichte zu entwickelnd, die den Gaumen und damit den Gast überraschen. Dabei darf man allerdings die Wurzeln des Kochens nicht vergessen. Was gemacht wird, muss im besten Sinne des Wortes Geschmack verkörpern.

 

Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?

Ganz einfach: Aus wenigen Produkten das Maximale an Genuss und Vielfalt herauszuholen und den eben genannten Geschmack zu entwickeln.

 

Hat sich dieser kulinarische Ansatz im Laufe der Zeit verändert?

Nicht wirklich grundsätzlich. Angesichts der Vielfalt der Produkte hat sich allerdings die Bandbreite der Möglichkeiten des Kochens vergrößert.

Kochen Sie heute anders als früher? Haben Sie für diese Änderungen Beispiele parat?

Ich koche „logischer“. Früher habe ich oft einfach nur „drauf zu“ gekocht. Heute weiß ich meist schon vorher, was geschmacklich herauskommt und wie es schmeckt. Und ich setze mehr auf spontane Einfälle für Menüs.

 

Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?

Ganz eindeutig: Über die Frische und Qualität der Produkte.

 

Wie wichtig ist Ihnen traditionelle Küche?

Es ist für alles die Basis, was man heute in der Küche bewegt. Damit verbunden sind Stichworte wie „regional“ und „saisonal“.


Das sagen alle…

Ja, das artet mitunter schon in Beliebigkeit aus. Diese Begriffe dürfen aber nicht nur Schlagworte und leere kulinarische Hülsen bleiben. Eben die müssen mit Substanz gefüllt sein.


Was zeichnet Ihre Küche zu vergleichbaren Angeboten im kulinarischen Umfeld aus?

Da kann ich die Gäste zitieren, die sagen, das is(s)t „typisch Knobloch“. Man will das „Profil“ des Kochs und seine kulinarischen Überraschungseffekte hautnah erleben. Das zieht offenbar an.

Worin wollen Sie sich diesbezüglich bewusst unterscheiden?

Es geht eigentlich nicht um grundsätzliches Unterscheiden, vielmehr aber um ein kulinarisches Konzept, das es in dieser Form im weiten Umfeld so nicht gibt. Das hat auch etwas damit zu tun, dass man erst einmal zu sich finden und herausfinden muss, was wirklich zu einem passt.

 

Die Gerichte Ihrer Menüs sind eher von regionalen Komponenten geprägt. Kombinieren Sie auch mit internationalen geschmacklichen Akzenten?

Ja, ich kombiniere gern mit asiatischen und italienischen, überhaupt mediterranen, Einflüssen. So kann man den Ostseedorsch, Enten, Perlhühner oder das Rügener Lamm geschmacklich-kombinatorisch immer wieder neu erfinden und  vermeintlich einfache Produkte wie Kartoffeln raffiniert in Szene setzen. Der Einsatz von Kräutern ist dafür ein ganz wesentliches Moment.

 

Halten Sie sich an Kriterien für die Entwicklung Ihrer Menü-Gänge, oder geben Sie sich diesbezüglich eher der Intuition hin?

Habe ich mich früher weitgehend an die klassischen Menüregeln gehalten, koche ich heute intuitiver und damit selbstbewusster. Aber die Regeln, die Grundlagen, lasse ich trotzdem nicht außer Acht. Glauben Sie mir, das ist kein Widerspruch in sich.

Denken Sie dabei nur an den Geschmack Ihrer Gäste?

Es ist für mich kein kochend umgesetzter Egoismus, wenn ich nur das auftische, was mir selber schmeckt. Wie soll ich dem Gast denn etwas schmackhaft machen, wovon ich selbst nicht überzeugt bin?


Zielen Sie mit Ihrem Angebot auf eine spezielle Klientel ab, die Genuss schätzt und versteht?

Ich setze auf Genussmenschen. Die sind für mich keine Klientel mit vordergründig monetärem Hintergrund. Genuss ist schließlich all- und vielseitig, beginnt beim Wein, setzt sich über die Wahrnehmung von geschmacklichen Akzenten bis hin zur gedeckten Tafel fort.


Hat also doch was mit besserverdienende Gäste zu tun?

Das ist nicht der Punkt, denn zu uns kommen Gäste, die sich etwas gönnen und Geschmack erkunden wollen. Die Leute, die hier waren und unsere Linie erkennen und entdecken, sagen das anderen Genussmenschen weiter. Das ist auch eine Art Philosophie.

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Nochmals in Richtung Gast: Was meinen Sie, inwieweit sollte man ihm kulinarisch empfehlen, ihn geschmacklich lenken und für gutes Essen sensibilisieren?

Auf den Punkt gebracht: Man darf kein kulinarischer Schulmeister, sollte aber in der Lage sein, zu helfen, um die Vielfalt der Genusswelt zu entdecken.

 

Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?

Handwerk ist Trumpf. Ein guter Handwerker ist aber auch ein Künstler.

 

Legen Sie sich bei der Entwicklung Ihrer Menüs Beschränkungen finanzieller Art auf?

Wenn man das Ganze nicht als Jux und Dallerei betreibt, muss das Handwerk auch etwas einbringen. Soll heißen: Es muss sich alles rechnen und demzufolge wirtschaftlich kalkuliert sein.

 

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Ohne Abstriche: Ja. Die geschmacksbildenden Zutaten meiner Gerichte sind natürlicher Art.

Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Für mich ist es außerordentlich wichtig, die Produzenten zu kennen, deren Ware ich weiterverarbeite. Das reicht vom Fischer über den Geflügelhalter und Gemüsebauern bis zum Schafzüchter und erübrigt eigentlich weitere Erklärungen.

 

Wollen Sie mit Ihrem Angebot dem Gast Anregungen geben, sich kochend zu betätigen?

Das ist eines meiner Anliegen. Ich arbeite in einer offenen Küche. Jeder kann mir über die Schulter schauen und mich mit Fragen löchern…

 

Definieren Sie sich im Detail auch über den Begriff Gourmet-Küche?

Ich biete exklusive regionale Küche. Vom Gourmet-Begriff habe ich mich längst verabschiedet, weil der aus meiner Sicht zu klischeebehaftet ist und etwas abwertend auf „wenig Essen für viel Geld“ abzielt.

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Was gehört aus Ihrer Sicht zum Gourmet-Begriff?

Dazu gehört für mich die Fähigkeit, Hochwertigkeit in Produkt und Zubereitung umzusetzen. Das muss man aber nicht über einen mehr oder weniger fiktiven Begriff definieren. Der Gourmet-Ansatz beginnt bereits bei handwerklich gut ausgeführter Hausmannskost. Dinge wie Sous vide braucht man genau genommen nicht, weil sie viel zu viel Plastik-Müll produzieren und mit einem viel zu hohen Energieaufwand verbunden sind.

 

Gibt es einen Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmet-Küche? Wenn ja: Praktizieren Sie den?

Ja, den gibt es wohl. Den sollte aber jeder für sich definieren. Ich bleibe bei meinem Ansatz, anspruchsvolle regionale Küche zu bieten.

 

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Die Spitzengastronomie definiert sich weitgehend über den Stern und andere kulinarische Meriten. Das birgt jedoch auch Widersprüche in sich. Man sollte sich davor hüten, einen Spitzenkoch an solchen Dingen festzumachen.

Würden Sie sich dem Druck aussetzen, für einen Stern zu kochen?

Früher habe ich schon nach dem Stern „geschielt“. Heute käme ich nicht im Traum darauf, mir das noch einmal zum Ziel zu setzen. Das ist neben wirtschaftlichen Zwängen schließlich auch ein enormer Druck auf das Küchen-Team. Diese Energie kann man anders „verschwenden“…

 

Meinen Sie übrigens, dass das Wort Spitzen- und Starkoch an sich abgedroschen ist?

Ja, das ist abgedroschene Wortspielerei und dient oft nur vordergründiger PR.

 

Was halten Sie von kulinarischen Auszeichnungen wie Michelin-Stern, Gault Millau-Punkte, Kochmützen und Löffeln aller Couleur?

Ich hatte es schon angesprochen: Diese Dinge sind mit diversen Widersprüche behaftet. Man freut sich (meist), wenn man sie bekommt, zweifelt aber auch an den Kriterien, wenn sie ausbleiben. Und man sucht oft krampfhaft die Unterschiede, die es angeblich geben soll.


Aber der Stern war in früheren Jahren schon einmal Objekt Ihrer Begierde?

Ja, das ändert doch nichts an der Tatsache, dass ich mir diese Art von Sterndeuterei nicht mehr antun würde. Außerdem (er schmunzelt) muss ja auch erlaubt sein, mit den Jahren etwas weiser zu werden…

Nachgefragt: Auf welchem Stand sehen Sie das kulinarische MV von heute?

Es gibt zweifelsohne Leuchttürme, die dem Land geschmacklich-einladend gut zu Gesicht stehen. Insgesamt hat aber noch die Liga der Covenience-Produkte gesiegt.


Ist das nicht eine „ungeheure“ Unterstellung?

Sie wissen sehr wohl, das beweisen mir auch Ihre Fragen, was ich meine. Diese These hat vor allem etwas mit den Köchen zu tun, die oft über diese Schiene ausgebildet werden. Man muss sich als Koch also entscheiden, ob man mit Messern oder mit der Schere ans Werk gehen will.

 

Wo liegen die Reserven für die Zukunft, was muss sich ändern?

Es muss wieder richtig ausgebildet werden. Denn das, was heute vielfach praktiziert wird, ist eine moderne Form der Ausbeutung, die vom eigentlichen Anliegen fernhalten.

 

Sie gehören zu den „Pionieren“ der anspruchsvollen Küche, den „Köchen der ersten Stunde“ in MV. Hat sich der Ende der 1990er Jahre eingeschlagene Weg gelohnt?

Wir haben bewiesen, dass es möglich ist, auch im Nordosten „in Spitzenküche zu machen“. Insofern hat es sich gelohnt. Das Potenzial ist aber längst nicht ausgereizt.

Anders gefragt: Sind Koch-Veranstaltungen mit Wertungen nach irgendwelchen Listen überhaupt noch zeitgemäß, oder welche sind auch für den Gast der bessere Weg?

Das habe ich im Rahmen dieses Interviews schon mehrfach angesprochen. Zeitgemäß sind keine imaginären Wertungen oder Rangfolgen, sondern die Ausnutzung der Potenziale gemeinschaftlichen Kochen, um dem Gast Geschmack nahe zu bringen und damit dem Beruf des Kochs zu mehr Wertschätzung zu verhelfen.


Hatten/haben Sie kochende Vorbilder aus der deutschen oder internationalen Küche?

Ob man das nun unbedingt als Vorbilder deklarieren muss, sei dahingestellt. Aber ich schätze Köche wie Tim Raue und Steffen Henssler. Beide sind, jeder auf seine Art, Typen im besten Sinne des Wortes und bieten überraschende Geschmackserlebnisse. Auch Heinz O. Wehmann aus Hamburg, bei dem ich einst Praktika absolviert habe, hat mir viel beigebracht, was kochende Perfektion ausmacht.

 

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Es ist keine Resignation, wenn ich sage: Jetzt kommt nichts mehr. Ich habe ein tolles, genussvolles Leben und setze in diesem Sinne meine Träume täglich um.  Insofern lasse ich meinen Wünschen freien Lauf und freue mich, wenn das bei Kunden und Gästen ankommt.

 

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Es muss sauber wirken und sein. Es muss ein gewisses Flair verbreiten und zum „Stil“ der Küche passen. Neben dem guten Essen muss es einen perfekten, unaufdringlichen Service bieten.

 

Ganz nebenbei gefragt: Spielt Kulinarik auch in Ihrer Freizeit eine Rolle? Schauen Sie sich gern nach Anregungen für Ihre Menüs um?

Gutes Essen ist das gemeinsame Hobby von meiner Frau und mir. In diesem Sinne sind wir immer auf der Suche und schöpfen daraus neue Ideen.

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