Im Interview: Hans-Peter Wodarz – ein Koch, bei dem (fast) alles Theater is(s)t…

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Hans-PeterWodarz, Jahrgang 1948, geboren in Wiesbaden, verheiratet, eine Tochter.


Es war wie im „richtigen“ Leben: Kennengelernt habe ich diesen Mann über Facebook. Hier darf gern ein Smiley gesetzt werden … Inzwischen haben wir uns (verabredet oder zufällig) mehrfach in Berlin getroffen, geredet, gut gegessen und viel gelacht. Und der virtuelle Kontakt über alle Kanäle ist selbstverständlich nie abgebrochen. Und wir sind natürlich auch längst „per Du“. Ich habe das Interview aber der ursprünglichen Authentizität wegen so belassen.


Dieser Hans-Peter Wodarz ist für mich ein wandelndes kulinarisches Lexikon. Er kennt nicht nur alle Granden der Szene persönlich. Er weiß, was kulinarisch Sache war und ist. Und vor allem, er ordnet das mit der ihm eigenen Besessenheit ein. Seine Umtriebigkeit im besten Sinne des Wortes fasziniert mich immer wieder. Grandios sein Engagement als Spiritus Rector und unermüdlicher Organisator der Gala zum 80. Geburtstag von Eckart Witzigmann in der Königlichen Porzellan Manufaktur in Berlin (nicht etwa in Bayern). Mit dem Jahrhundertkoch hat er Mitte der 1980-er Jahre übrigens in Brüssel die deutsche Sektion der Euro Toques gegründet. Wodarz ist ein Arbeits- und Lebenskünstler par excellence und Ereignisse aus seinem wechselvollen beruflichen Leben erinnern mich an eigene Erlebnisse und Erfahrungen.

Das nachfolgende Interview, das ich mit ihm geführt habe, hat schon einige Tage „auf dem Buckel“. Es wurde aus vielfältigen Gründen hinsichtlich der Publizierung immer wieder verschoben, aber auch einer Ergänzung unterzogen. Ich habe inzwischen eine so umfangreiche Quellensammlung über ihn als „Mister Palazzo“, dass ich den Umfang des Interviews und die Informationen über HPW (so meldet er sich, übrigens auf Englisch, auch am Telefon) locker verzehnfachen könnte. Ich hoffe auf weitere Begegnungen und Gespräche mit dem Mann, dem meine große Hochachtung gebührt. Die aktuellste Begegnung war am 20. Mai 2023 im Hexenhaus in Falkensee, wo ich ihn erstmal als „praktizierenden Koch“ erlebt habe. Chapeau, lieber HPW …

 

Die schwierigste Frage gleich am Anfang: Wie charakterisieren Sie HPW in einem Satz?

Können wir uns diese Frage bis zum Schluss aufheben? (lacht) Da bin ich im Moment doch etwas überfordert.

 

Gern, aber ich werde die Frage ganz sicher nicht vergessen…

 

Und nun etwas der Reihe nach, aber hypothetisch: Was wäre heute aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht Koch, sondern Kellner gelernt hätten?

Wer weiß, vielleicht hätte ich eine ganz andere Karriere eingeschlagen. Aber mit Sicherheit nicht so eine kreative, verbunden mit kulinarischem Entertainment.

 

Der Koch siegte schließlich doch. War es Ihrer Umtriebigkeit zu verdanken, dass Sie schon bald in die Gourmet-Abteilung einer bekannten Kaufhaus-Kette wechselten?

Es war eine Mischung aus Zufall und Neugier. Ich arbeitete 1971 als Chef-Gardemanager. Es war die Zeit der großen Buffets. Und im KaDeWe war das diesbezügliche Angebot gigantisch. Ich war der Versuchung schnell erlegen.

 

Anders gefragt: Haben Sie sich mit diesem Job nicht eigentlich gegen die eigentlichen Werte eines Kochs entschieden?

Nein, im Gegenteil. Es gab ja für die allgemeine Gastronomie nicht wirklich viel. Und dort war alles, was das Herz eines ambitionierten Kochs begehrte.

Wie bewerten Sie aus heutiger Sicht den Gang zu Witzigmann ins „Tantris“?

Es gibt kulinarisch gesehen eine Zeitrechnung vor und nach Witzigmann. Insofern war es eine glückliche Fügung ins Tantris und zu Eckart Witzigmann zu kommen. Diese Zeit hat mein späteres Schaffen sehr geprägt.

 

Welche Visionen hatten Sie, als Sie schließlich in die Selbstständigkeit wechselten und die „Ente im Lehel“ eröffneten?

Ganz einfach und schwer zugleich: Ich wollte meine Art der guten Küche sozusagen auf meinem eigenen Parkett umsetzen. Das habe ich nie bereut.

 

Apropos „Ente“: Kann man sagen, dass die eine Art Glückstier für Sie war/ist?

Ja, Sie kennen doch den Spruch: „Ente gut, alles gut…“ oder „Es gibt im Leben manches mal Momente, da fühlt man sich wie eine Ente…“ Soll auch heißen, man darf Humor und Mut gleichermaßen nicht verlieren.

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Und wie fühlt sich eine Ente manchmal? Können Sie das humorig-authentisch beschreiben?

Na ja, Sie werden sich denken können, dass das eher eine Pointe ist. Und das soll sie auch bleiben. Das Wichtigste für mich ist, dass ich etwas zu tun habe und kreativ sein kann. Und natürlich sind zufriedene Gäste auch das gastgeberische Salz in der Suppe, um im kulinarischen Bild zu bleiben. Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir in der Palazzo-Spielzeit 2022/23 etwa 30.000 begeisterte Gäste begrüßen, unterhalten und bewirten konnten.

 

Mal im Vertrauen, war Ihr damaliges Promi-Klientel eher Zufall, oder wohl bedachtes unternehmerisches Kalkül?

Das war eher Zufall. Gunter Sachs war der treibende Motor. Der „Rest“ war nahezu ein Selbstläufer, denn er kannte alle bekannten Namen. Und zurückblickend kann ich auch sagen, dass ich von den Erfahrungen der Gäste viel gelernt habe.

 

Was würden Sie heute einem Gastronomen und/oder Koch raten, der sich der „reinen Gourmet-Szene“ zuwenden möchte?

Auch hier ist das Rezept einfach und schwer zugleich: Man muss sein Handwerk beherrschen, auf sein Herz und seine Seele hören, und dann einfach „machen“ und viel arbeiten. Gerade in dieser Branche wird einem nichts geschenkt.

 

Was halten Sie übrigens vom Gourmet-Begriff: Wie definieren Sie ihn heute, ist er überhaupt noch zeitgemäß?

Man kann es eigentlich nennen, wie man will. Das Artifizielle darf auf jeden Fall nicht überwiegen, nicht abheben.

Also meinen Sie, der Koch als Handwerker hat Vorrang vor dem kochenden Künstler?

Ja, kann man so sagen. Guter Geschmack setzt sich schließlich über das Handwerk durch.


Hinterfragt: Halten Sie einen sogenannten Mittelweg zwischen Gourmet und regionaler Spitzenküche für möglich bzw. wünschenswert?

Ja, den gibt es durchaus. Ich hatte seit 1979 die Vision, ein First Class Restaurant mit ersten Ansätzen zum kulinarischen Entertainment zu etablieren, mit einem Bistro und Feinkost zu kombinieren und im Enten-Keller erstklassige regionaltypische Küche zu bieten.

 

Wie ordnen Sie in diesem Zusammenhang das kulinarische Palazzo-Angebot ein?

Die Mischung von Kulinarik und Entertainment ist ja eigentlich nichts Neues. Ich will „nur“ alle Sinne ansprechen und hatte das Glück, immer mit hervorragenden Chefs wie Schuhbeck, Lohse du Kleeberg zusammenzuarbeiten, die ihre Aufgaben verstanden und sich einbringen.

 

Welche Rolle spielt Kolja Kleeberg in dem kongenialem Palazzo-Duo?

Das Wort „Duo“ beschreibt es sehr gut. Wir sind gleichberechtigte Ideenfinder und Kolja Kleeberg und sein Team setzt die Kulinarik erstklassig in Szene.

 

Gedankensprung: Wie kommt man als Koch darauf, Essen mit Theater zu verbinden?

Ich sagte es bereits an anderer Stelle: Ich habe viel von den Gästen gelernt. Karajan beispielsweise verdeutlicht, dass Musik differenziert sein muss. In eben dieser Weise muss man auch Kulinarik und Entertainment verstehen. Es muss letztlich alles zu einer Symbiose führen.

Sehen Sie sich diesbezüglich als Erfinder gehobener „Erlebnisgastronomie“, die Sie begrifflich ja wohl ablehnen? Ist Restaurant-Theater der bessere Begriff?

Als Erfinder verstehe ich mich sicher nicht. Dinge wie das kleine und das große Fest gab es schon lange, so auch in Wiesbaden. Aber die Idee, eine Art Restaurant-Theater zu zelebrieren entstand aus der Erkenntnis, dass glückliche Menschen auch mehr konsumieren.

 

Stimmt es übrigens, dass Sie wegen Ihrer kulinarischen Entertainment-Shows auf den zweiten Stern verzichten mussten? War das überhaupt in Ihrem Gesichtsfeld präsent?

Ja, ein Michelin-Tester hat mir bestätigt, dass ich ohne „Theater“ ein Anwärter auf den zweiten Stern wäre. Es ist bekannt, wofür ich mich entschieden habe.

 

Sie haben einmal „Olympia“ als Missgriff Ihres Schaffens bezeichnet. Ist das tatsächlich so, würden Sie sich mit den Erfahrungen von heute an ähnlichen Projekten beteiligen?

Ja, ich hatte damit sozusagen dreimal Pech: 1972 München, 1992 Barcelona und 1996 Atlanta. Ob ich diesbezüglich als gebranntes Kind das olympische Feuer scheue, ist eher hypothetisch. Es waren durchaus leidvolle Erfahrungen, die aber zu meinem Leben gehören.

 

Wann stand HPW eigentlich das letzte Mal aktiv am Herd?

…eigentlich (mit wenigen Ausnahmen) nur noch familiär für Frau und Tochter.


Aus Neugier hinterfragt: Wer gehörte eigentlich zu den ostdeutschen Köchen, mit denen Sie Anfang der 1990er Jahre bei Projekten beispielsweise in Berlin zusammenarbeiteten?

Es waren vor allem Köche aus den Interhotels der DDR sowie Köchinnen wie Doris Burneleit aus Köpenick und Peter Frühsammer aus dem damaligen West-Berlin.

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Zwischen-Fazit: Charakterisieren Sie bitte Ihr Lebenswerk in einem Satz.

(schmunzelt) Auch hier erbitte ich eine Art Gnadenfrist zur Beantwortung.


Aber worauf Sie noch stolz sind, verraten Sie mir sicher gleich?

Das ist aus beruflicher Sicht u.a. die Gründung des Committees 2000, das ich gemeinsam mit sechs Gästen in der „Ente“ in München gegründet habe. Wir haben dazu seinerzeit ein Plakat gestaltet, auf dem "nur" alle Daten bis zum Jahr 2000 aufgelistet waren. Kinder eines unserer Mitglieder haben später aber einen Feher entdeckt. Der grandiose Künstler Joseph Beuys, der immer sagte: "Verlasst euch nicht auf Computer", hat diesen Fehler handschriftlich korrigiert und signiert. Damit hatten wir 2000 Kunstwerke. Eines der Plakate schenkte Beuys in New York dem grandiosen Pop Art-Künstler Andy Warhol. Der wollte schließlich auch mit dabei sein und schuf ein weiteres Plakat mit drei Chamapagnergläsern, das ebenfalls 2000 Mal gedruckt und von Warhol handsigniert wurde. Diese Kunstwerke sind heute sehr begehrt und besitzen einen enormen Sammlerwert.

 

Übrigens: Wie viel Entertainer sollte/darf heute ein Koch aus Ihrer Sicht sein?

Es hat sich vieles gewandelt in er Szene. Heute ist vieles Show. Die Gäste erwarten, dass man mit ihnen redet. Die eigentliche Show aber muss auf dem Teller abgehen.

Eine persönliche Frage: Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen und/oder im kulinarischen Sinn?

Beides wird von Geschmack im allumfassendsten Sinn des Wortes geprägt. Und vor allem spielt dabei meine Familie die Hauptrolle.

 

Soll auch heißen, was ist gegenwärtig die Küche Ihrer Begierde, oder schränken Sie das nicht ein…?

Das ist auch immer eine Tagesfrage, worauf ich gerade Appetit habe. Zu Hause richtet sich das nach den Wünschen der Familie. Ansonsten probiere ich gern dieVielfalt der regionalen Küche. Ab und zu darf es auch mal asiatisch sein. Auf den Geschcmack gekommen bin ich diesbezüglich während einer China-Reise Anfang der 1980er Jahre, die ich gemeinsam u.a. mit Eckart Witzigmann, Franz Keller unternommen habe.

 

Nach welchen Kriterien haben Sie als Koch Ihre Speisen und Menüfolgen entwickelt? Spielten dabei monetäre Überlegungen eine Rolle?

Ich habe mich stets von meiner kochenden Intuition leiten lassen. Und es sind auf diese Weise auch sehr bizarre Gerichte entstanden.


Haben Sie dafür Beispiele parat?

Klar, Sie wissen ja, dass ich selten um eine Antwort verlegen bin: Ich war beispielsweise einer der ersten Köche, die Fleisch-Fisch-Gerichte mit zwei Soßen auf den Teller gebracht haben. Dazu zählten Kombinationen wie Lach und Kalb im Blätterteig, Lamm und Hummer oder Kalbskopf und Karpfen in Morchelsoße.

Haben Sie sich als Koch eher als Handwerker oder als Künstler verstanden?

Im Ansatz habe ich ja bereits etwas zu diesem Thema gesagt. Ich will es mal so formulieren: Ich verstehe mich als handwerklich geprägter Künstler. Und das trifft in der Verbindung zum Entertainment umso mehr zu.

 

Welche Rolle spielte kochende Intuition in Ihrem Leben?

Das war, ich wiederhole mich, immer meine kochende Leitlinie. Das halt ich auch im übertragenen Sinne für das bessere Rezept.

 

Alle Welt spricht gegenwärtig von der Zuwendung zur regionalen Frischeküche. Was halten Sie davon, wird damit nicht das kulinarische Rad zweimal erfunden?

Das gab es eigentlich schon immer. Mit wechselnden Vorzeichen, oft auch als plakative Einladung an den Gast. Heute wird dabei vor allem auf die Qualität der Produkte geachtet. Das halte ich für ein Gebot der Stunde.

 

Franz Keller wartet zurzeit überall mit seiner These „Vom Einfachen das Beste“ auf. Ist das eigentlich eine so neue Erkenntnis?

Auch diese These ist nicht neu, wurde aber von Franz Keller, der ein sehr guter Koch ist, aufgegriffen und sozusagen neu interpretiert. Das trifft den Nerv der Zeit und kommt bei den Gästen gut an.

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Dann verstehen Sie Kellers These also als Plädoyer für bewusstes, gutes Essen?

Dieser These stimme ich zu. Man muss sich mit dem Essen mehr auseinandersetzen.

 

Wie ordnen Sie anspruchsvolle regionale (Land-) Küche, oder das, was man landläufig mit gutbürgerlicher Küche bezeichnet, in das gastronomische Angebot ein?

Sie ist einer Entwicklung unterworfen wie die Mode. Und das hat im Übrigen auch etwas mit Keller zu tun: Man is(s)t natürlich und vielseitig.

 

Auf welchem Stand sehen Sie die deutsche Küche des Jahres 2023? Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen?

Da werden mir jetzt sicher nicht alle meine Berufskollegen zustimmen: Ich bin der Meinung, dass in Deutschland noch nie so gut gekocht und gesessen wird, wie heute. Berlin beispielsweise ist für mich ein erstklassiger kulinarischer Hotspot in Europa.


Woran, klären Sie mich bitte auf, machen Sie das fest? Nicht zu Unrecht wird doch gerade den Deutschen eine Geiz-is(s)t-geil-Mentalität vorgeworfen…

Wissen Sie, in der Spitzengastronomie ist diese Mentalität lange vorbei. Außerdem gibt es wie im Fußball 2. und 3. Ligen, in denen absolut exzellent gekocht wird. Man hat also die Wahl …

 

Oder anders gefragt: Is(s)t der deutsche Gast per se dem gastronomischen Mittelmaß erlegen, weil er im Detail Masse statt Klasse wählt?

Aus der Eintopfideologie nach den Kriegen ist schon ein anderer, gigantischer Anspruch geworden und die deutsche Küche hat stark aufgeholt. Aus dieser Entwicklung heraus haben sich die Granden der Zunft wie Witzigmann entwickelt.

Was könnte man tun, um das zu ändern? Ist Aufklärung dafür ein gutes Mittel?

Kommt auf die Art der Aufklärung an. Man muss gegen das kulinarische Mittelmaß argumentieren. Das gilt für das Essen Zuhause ebenso wie für das im Restaurant.

 

Und vor allem, worin sollte diese Aufklärung bestehen?

Vor allem den Medien kommt hier eine wichtige Rolle zu. Aufklärung muss aber weniger Show, sondern mehr echte Wissensvermittlung sein. Billige PR-Botschaften sind eben nicht das kulinarische Ei des Kolumbus.

 

Durch die Medien werden nicht erst seit heute Begriffe wie „Starkoch“, „Spitzenkoch“ und „TV-Koch“ getrieben. Was halten Sie von solchen Klischees?

Jeder will seine Stars haben. Die Gewichtung dafür ändert sich eben. Früher war der Oberkellner der Star, heute sind es die sogenannten TV-Köche. Man sollte ihnen diese Berechtigung nicht absprechen.

 

Sind alle, die man so bezeichnet, solcher Superlative wert?

Sicher nicht, aber das beurteile ich im Detail nicht. Die Gesellschaft braucht in allen Bereichen ihre Stars. Besser, sie will sie haben…

Anders gefragt, wann ist ein Koch für Sie ein „Spitzenkoch“? Sind ein Stern oder andere kulinarische Meriten dafür ein Muss?

Früher war das mehr der Fall als heute. Solche Bewertung sind auch Empfehlungen für die Gäste. Daraus entwickelt sich auch das, was man Gourmet-Tourismus nennt. Aber auch in Restaurants ohne Sterne und Punkte wirken oft exzellente Köche, die man durchaus als Spitzenköche bezeichnen kann.

 

Wie sehen Sie die Bewertungen der „führenden“ Restaurant-Guides? Treten dabei nicht Diskrepanzen auf, die man dem geneigten Gast eigentlich nicht erklären kann?

Jeder Guide hat seine Fans. Michelin wertet für mich auch kleinere Restaurants differenziert. Aber auch einige Internet-Portale sind recht ansprechend auf der Suche nach guter Küche. Und wir brauchen über diese Bewertungen Zugpferde für die Branche.

 

Beispiel: Was sind 18 Punkte Gault Millau wirklich wert, wenn Michelin dafür nicht einmal den zweiten Stern übrig hat?

Ganz ehrlich: Darüber zu polemisieren, ist müßig. Und man darf auch nie vergessen, es sind Menschen, die kritisieren und bewerten.

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Also gilt das Motto: Nobody is(s) perfekt?

(schmunzelt) Wenn Sie es so wollen… Die unterschiedlichen Bewertungen resultieren aus meiner Sicht auch daraus, dass wir Köche eigentlich keine wirklich messbaren Kriterien haben.

 

Bei dieser Gelegenheit: Was haben Sterne, Hauben und Punkte in Ihrer kochenden Karriere bedeutet? Wir das gelegentlich überbewertet?

Das muss jeder für sich entscheiden. Mir hat es immer viel bedeutet, zumal die Mischung aus solchen Bewertungen durchaus auch motiviert.

 

Fazit: Haben Sie in Ihrem beruflichen Leben alles erreicht, oder gibt es noch geheime Wünsche?

Im Mittelpunkt steht meine Familie. Aber ich möchte noch ein Buch schreiben aus einem Mix aus erlebbaren autobiografischen Begebenheiten und fachlicher Erfahrung. Außerdem hat der bekannte Schweizer Dokumentarfilmer Stephan Guntli gerade einen 90-minütigen Film über das Leben von HPW gedreht, der bald zu sehen sein wird. Und ich bringe demnächst auch mein berühmtestes Gericht „Dialog der Früchte“ variiert auf das Etikett einer Flasche als „Dialog der Kräuter mit Frucht“.

A propos „Dialog der Früchte“ – dazu haben Sie sicherlich noch ein paar erklärende Worte parat …

Selbstverständlich: Andy Warhol hat seinerzeit auf dem Etikett eines 1975-er Mouton Rothschild sieben Farben in Szene gesetzt. Das hat mich inspiriert, die Farben in Gestalt von Früchten auf den Teller zu bringen. Diese geschmackvolle Kreation kommt immer wieder gut an.

 

Zu guter Letzt: Stehlen Sie in Ihrem zweiten Leben als Kellner dem Koch die Show…?

Sie kennen doch mein Motto: Ente gut, alles gut… Und es ist auch eine alte Weisheit, dass man ein gutes Team nicht austauscht. Das trifft meiner Meinung nach auch auf den Einzelnen zu. Deshalb denke ich, dass auch mein zweites Leben davon geprägt sein wird, dem Kellner die Show zu lassen und den Gast mit meinem kochenden Handwerk zu überzeugen.


Eigentlich wären wir jetzt am Ende dieses Interviews. Kommen wir aber trotzdem zu den unerledigten Hausaufgaben. Wie charakterisieren Sie nun Ihr bisheriges Lebenswerk?

Mein privates und berufliches Leben hatte viele Höhepunkte, aber auch markante Tiefpunkte. Ich denke aber, insgesamt halten sie sich die Waage. Man muss sein Leben in der Gesamtheit seines Schaffens begreifen. Da, denke ich, bin ich ganz gut weggekommen. Und das Leben ist ja auch noch nicht vorbei.


Und was macht den HPW nun in seiner Gesamtheit aus: Sie haben das Schlusswort…

Ich bin kein Mann wie jeder Mann, manchmal überkreativ, zu gutgläubig, auch zu naiv. Was zur Folge hat, dass ich mich mitunter wie eine Ente fühle. Ich meine aber, alles das macht mich aus. In diesem Sinne bin ich ganz zufrieden mit mir.

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