Im Interview: Benjamin Wichert – ein Koch, der sich beweisen will…

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Benjamin Wichert

Benjamin Wichert, Jahrgang 1987, geboren in Celle, ledig, 1 Kind


Seine beruflichen Stationen waren u.a. das Restaurant „Palio“ im Fürstenhof in Celle, das Catering im Hannover Congress Centrum (HCC) und das Restaurant „Terra“ im Ritz Carlton Wolfsburg. Seit Mitte März 2019 ist er Küchenchef im Restaurant „Cheval Blanc“ des Grand Hotels Schloss Wendorf.


Bei dem Interview war auch Maja Kilgore zugegen, die seit Anfang 2019 das Hotel übernommen hat und leitet. Ihre Anmerkungen gehen teilweise (namentlich gekennzeichnet) mit in das Interview, im Detail aber auch in die Gesamtdarstellung des Hauses ein.

Welchen Stellenwert messen Sie dem kulinarischen Profil Ihres Hauses im bei?

Maja Kilgore: Schloss Wendorf bietet eine bunte Palette aus Reiten, Golf und Natur. Dem muss sich auch die kulinarische Seite des Hauses unterordnen. Man soll hier Mecklenburg buchstäblich genießen. In jeder Beziehung. Der Tag in Wendorf ist auf Entschleunigung ausgerichtet. Dazu gehört auch Genuss in kulinarischer Hinsicht.


Was sind Ihre Intentionen, das kulinarische Profil von Schloss Wendorf zu schärfen?

Maja Kilgore: Ich habe ein junges Team zusammengestellt, das sich finden muss und wird. Wir bieten eine vergleichbar kleine, aber feine Karte, die wir geschmacklich-flexibel anpassen werden.

 

Auf welchen kulinarischen Weg haben Sie sich inzwischen geeinigt?

Wir orientieren uns auf eine gesunde, regional geprägte Küche mit geschmacklich-kombinatorisch französischen Nuancen. Umschreiben wir es mal mit gehobener französischer Brasserie-Küche unter Einbeziehung möglichst vieler Produkte aus der Region.

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Wollen Sie auch Änderungen zulassen, die diesen Weg ggf. modifizieren?

Maja Kilgore: Ich denke, das wird notwendig sein.  Gerade die Gastronomie muss leben. Und leben bedeutet auch Veränderung.

Wichert: Wir wollen hier bodenständige kulinarische Raffinesse bieten und damit das Profil des Restaurants schärfen und seinen Ruf entwickeln und festigen. Eine gute Adresse eben.


Meinen Sie, dass als Küchenchef Ihre bisherigen Erfahrung einbringen und damit Akzente zur Ausrichtung der Küche auf Schloss Wendorf setzen können?

Jede Station meines bisherigen Wirkens hat mich auf ihre Weise geprägt. Ich habe überall etwas dazu gelernt und meinen Kochstil verfeinert, ohne zu kopieren.

Beschreiben Sie das künftige kulinarische Angebot Ihres Hauses in einem Satz?

Es wird ein Drei- bis Fünf-Gang-Menü im mittleren Preissegment geben. Hinzu kommt ein kleines à la carte-Angebot mit wechselnden Gerichten. Auch an Vegetarier wird gedacht. Besonderes Anliegen wird auch sein, regionale Produzenten und Erzeuger für unsere Küche einzubinden.

Maja Kilgore: Unser Haus soll ein Ort von vier „W“ sein: Wendorf, Wald, Wild, Wein. Genau genommen sogar sechs: Wiese und Wasser…


Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?

Das sind vor allem Bodenständigkeit und Kreativität. Wir wollen den Weg beschreiten, den man allgemein unter dem Begriff „Back tot he roots“ subsumiert. Und wir wollen das kulinarische Rad zum Drehen bringen, in dem wir Gerichte auch neu interpretieren.

Welche Rolle wird künftig traditionelle Küche in Ihrem Haus spielen?

Das ergibt sich aus den bisherigen Antworten: Alle unsere Gerichte werden aus der Tradition heraus entwickelt und im Detail mit modernen Nuancen angereichert.

 

Was zeichnet Ihre Küche zu Angeboten im kulinarischen Umfeld aus?

Maja Kilgore: Wir sehen  darin weniger die Unterschiede als die Ergänzung im kulinarischen Angebot. Wir entwickeln dabei eine eigene Note, die sich an der Zufriedenheitsskala der Gäste messen wird. In diesem Sinne ist es ein Vorteil, verschiedene Angebote im regionalen Umfeld nutzen zu können.

Anders gefragt: Worin wollen Sie sich bewusst unterscheiden?

Das Stichwort lautet: Transparente Regionalität. Es muss erkennbar sein, was wir verarbeiten.


Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisen?

Große Bedeutung messen wir der Saison bei. Für unsere Gäste sollen bleibende kognitive Erlebnisse geschaffen werden. Wir wollen und werden Geschmack aufleben lassen und Glücksgefühle auf den Teller zaubern.

 

Präzisiert: Wie viel „Freiheiten“ geben Sie dem Küchenchef und wo setzen Sie Grenzen?

Maja Kilgore: Eigentlich sind alle Freiheiten gegeben. Aber wir sind noch in einer Kennenlernphase. Da muss und wird sich noch einiges einspielen.

 

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Ja, zu 95 Prozent ist alles frisch und selbst zubereitet. Wir kommen selbstverständlich ohne jede chemische Zusätze aus. Das bleibt auch unser eherner Anspruch.

Verstehen Sie sich als Koch eher als Handwerker oder Künstler?

Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Ich fühle mich aber mehr als kreativer Handwerker. Und zum Kochen gehören auch Fächer wie Chemie, Physik, Mathematik und Biologie. Wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will…

 

Ja, das verstehe ich. Trotzdem hinterfragt: Wie viel „Kunst“ lassen Sie auf Ihren Tellern zu?

Man muss das Produkt auf dem Teller erkennen und eine Balance zur Präsentation auf dem Teller finden. Das wird also mal mehr, mal weniger ausgeprägt sein.


Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Sehr wichtig, denn das soll die Grundlage unseres kulinarischen Angebots sein.

 

Wie viel Regionalität wird sich auf Ihrer Karte wiederfinden?

Dazu hatte ich schon etwas gesagt: So viel wie möglich. Aber das muss sich entwickeln.

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Welche konkreten Kooperationen in der Region gibt es bereits?

Da kann ich u.a. den Naturverbund Müritz, die Müritz Fischer, den Käseladen Mühlenberg sowie das Spirituosen- und Tabakunternehmen Brinkmann in Schwerin nennen. Wir werden weitere Kooperationen suchen und finden. Da bin ich mir sicher.

 

Inwieweit arbeiten Sie auch internationale Akzente in Ihre Küche ein?

Die sind nicht essentiell wichtig, spielen aber eine Rolle bei den geschmacklich- kombinatorischen i-Tüpfelchen.

 

Wie stehen Sie zu dem Grundsatz der ganzheitlichen Verwertung von  Tieren?

Das ist ein grundsätzlicher Anspruch. Wir verarbeiten alles. Das geht hin bis zur Herstellung von Fonds, von Mehl und pasteurisierten Produkten. Auch für die Amuse Bouches kommt vieles zum Einsatz.

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür ein Muss?

Der Stern ist dafür kein Muss. Ein Spitzenkoch muss für seinen Beruf leben, Verständnis für die jeweilige Küche beweisen und immer wieder auf’s Neue Kreativität entwickeln.

 

Was halten Sie von der kulinarischen These: Vom Einfachen das Beste?

Das „Beste“ liegt im Auge des Betrachters. Auf jeden Fall muss man in der Lage sein, beste Grundprodukte so gut und edel wie möglich zu verarbeiten. Und das Beste kann  sich auch auf ein (Lieblings-) Restaurant an sich beziehen. Auch ein Landgasthof kann solchen Prämissen durchaus gerecht werden. Jedes Haus entwickelt diesbezüglich sein eigenes Profil.

 

Worin besteht aus Ihrer Sicht die virtuell offerierte „authentische“ Mecklenburger Küche?

Maja Kilgore: Die Herkunft der Produkte ist das Originäre. Natürlich stets verbunden mit höchster Qualität.  Dann kommt die Zubereitung. Hier muss man kulinarische Tradition und Moderne kompositorisch in Szene setzen.

Sie definieren das Restaurant nicht (mehr) über den Begriff Gourmet. Wie viel Gourmet-Potenzial steckt trotzdem drin?

Das Ziel an sich geht dabei nicht unter. Wir „spielen“ diesbezüglich schon recht kreativ und schaffen damit eigene Signaturen. Und natürlich ist auch der Anlass des Essens ein Kriterium für den Einsatz von Gourmet-Facetten.

 

Können Sie sich in diesem Zusammenhang eine Art Mittelweg von Gourmetküche und anspruchsvoller regionalen Landküche vorstellen?

Genau den möchten wir umsetzen. Es bleibt aber dabei: Das Produkt steht im Mittelpunkt

 

Von welcher Gäste-Klientel gehen Sie in Sachen Kulinarik aus?

Maja Kilgore: Wir sind für alle da, die auf den Reiz unseren vier bis sechs „W“ setzen. Unser Ziel ist es, das uns Gäste besuchen, die nach Wendorf kommen, um „einfach mal gut zu essen“. In Verbindung mit herrlicher Natur und Ruhe, versteht sich.

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Wollen Sie das Restaurant über die Hotel-Gäste hinaus auch der Öffentlichkeit zugänglich machen?

Maja Kilgore: In unserem Restaurant ist jeder willkommen. In diesem Kontext setzen wir vor allem auf Mundpropaganda. Geschmack und Genuss in jeder Beziehung sind die beste Empfehlung für ein Restaurant. Das spricht sich herum.

 

Befürworten Sie es, den Gast für gutes Essen zu „erziehen“ und evtl. Empfehlungen für geschmacklich-kombinatorische Nuancen zu geben?

Erziehen im klassischen Sinne möchte ich nicht. Aber gegen kleine persönliche Empfehlungen und Hinweise ist nichts einzuwenden. Der Gast schätzt durchaus eine Empfehlung, die von geschmacklicher Begeisterung geprägt ist.

 

Streben Sie höhere kulinarische Weihen an?

Das hat keine vordergründige Bedeutung. Wenn Michelin & Co. uns gut finden, dann freut uns das. Unsere Auszeichnung ist aber vor allem das Lob der Gäste. Über Restaurant-Führer wollen wir uns jedenfalls nicht definieren.

 

Sind künftig auch spezielle kulinarische Veranstaltungen geplant?

Maja Kilgore: Geplant sind mittelfristig Veranstaltungen zum Thema Wen und Zigarren. Dabei werden natürlich auch kulinarische Leckerbissen eine Rolle spielen.

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