Jahrgang 1963, verheiratet, keine Kinder.
Nach seiner Lehre als Koch und Konditor arbeitete er zunächst im legendären Restaurant „L‘ Auberge de I’ll“ bei Paul und Jean-Pierre Haeberlin. Weitere Stationen waren das Restaurant „Waldhorn“ von Albert Bouley in Ravensburg und das Restaurant „Posttürmle“ von Robert Stark in Oberstaufen. Einem kulinarischen Intermezzo im Discovery Beach auf Barbados folgte das Golfhotel Bodensee in Weißensberg. Seit 1995 kocht er im eigenen „Gasthof zum Hirsch“ in Neukirch-Goppertsweiler nahe dem Bodensee.
Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen abseits kulinarischer Freuden?
Das ist einfach beantwortet: Mir sind Zeit und Ruhe sehr wichtig. Ich verbringe gern entspannte Stunden mit meiner Frau und schalte ab, wenn ich mit meinem Hund Franz unterwegs bin.
Und wie beschreiben Sie kulinarischen Genuss?
Jetzt wird’s schon schwieriger: Ich möchte Frische, Regionalität und handwerklich gut zubereitetes Essen genießen. Das ist im Übrigen nicht an einen bestimmten Typ von Restaurant gebunden. Ge-nuss bietet mir auch ein gutes Gulasch in einem Wirtshaus. Für mich ist wichtig, Spaß am essen zu haben. Nur weil ich Hunger habe, brauche ich nicht essen zu gehen.
Was kennzeichnet Ihre kulinarische "Philosophie"?
Mein Anspruch ist es, dem Gast mit meinem Essen Genuss zum Mitnehmen einzupacken. Das ist natürlich sinnbildlich gemeint. Ich will in diesem Sinne ein bleibendes Gesamterlebnis vermitteln und versuche, auch vermeintlich einfache Dinge kreativ-raffiniert auf den Teller zu bringen.
Wie würden Sie das kulinarische Angebot Ihres Restaurants in einen Satz fassen?
Kurz und bündig: Regional, saisonal, und ein wenig schräg. Was immer man auch da hinein interpretieren kann.
Sie preisen für Ihr Haus und Ihre Küche das Zusammenwirken von Tradition und Moderne. An welchen Eckpunkten machen Sie das fest?
Ich setze traditionelle Gerichte geschmacklich-kompositorisch neu, modern um. Selbst Zutaten wie Risotto werden bei mir ganz anders zubereitet.
Anders gefragt: Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?
Neben der Qualität und Frische der Produkte ist mir Regionalität sehr wichtig. Auf dem Teller muss sich die Region widerspiegeln und so ein Wir-Gefühl herauskommen, das der Region gut zu Gesicht steht.
Spielt dabei auch Bio eine Rolle? Gehört für Sie für Bio ein Zertifikat?
Diesbezüglich kann man geteilter Meinung sein. Diese Bio-Zertifzierung ist oft nicht wirklich nach-vollziehbar, so toll Bio vom Grundsatz her ist. Deshalb ist mir die bereits beschriebene Regionalität mit kurzen Wegen lieber. Wenn ich weiß, wie meine Produkte produziert werden, ist das für mich auch ohne Siegel das beste Bio-Zertifikat.
Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?
Ich verteile diesbezüglich keine festgesetzten Anteile. Ich verkörpere wohl beides, denke aber, dass der künstlerische Aspekt ein Quäntchen überwiegt.
Ergänzende Frage: Welche Rolle spielt der künstlerische Aspekt auf Ihren Tellern?
Ich sage immer scherzhaft, man muss als kreativer Koch immer auch ein bissel verrückt sein… Das muss sich auch auf dem Teller zeigen. Trotzdem muss man auch in dieser Hinsicht die Kirche im Dorf lassen und nichts übertreiben. Wichtiger als artifizielle Verspieltheit ist mir, dass das Essen heiß auf den Tisch kommt.
Sie bieten aus meiner Sicht bodenständige Küche mit gehobenem Anspruch. Inwieweit kommen in Ihrem Angebot auch regionale Komponenten zu Tragen?
An meinen bisherigen Antworten werden Sie erkennen, dass ich im doppeldeutigen Sinn ziemlich konsequent auf die regionale Karte setze. Ich verarbeite mindestens 80 Prozent regionale Zutaten. Also ist es auch mein Bestreben, diese Produkte in regionale Küche umzusetzen.
Soll auch heißen: Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?
Da wiederhole ich mich gern: Ohne regionale Erzeuger und die enge Zusammenarbeit mit ihnen wäre meine Küche nicht die, die sie ist. Und ich werde alle Möglichkeiten nutzen, immer wieder neue Kooperationen anzuschieben.
Was zeichnet Ihre Küche zu vergleichbaren Angeboten im kulinarischen Umfeld aus? Worin wollen Sie sich bewusst unterscheiden?
Ich richte mich diesbezüglich nicht nach dem Umfeld aus. Wir überdenken jedes Gericht sehr individuell und sind in diesem Zusammenhang kochende Querdenker, die Tradition kreativ, raffiniert und pfiffig neu aufleben und genießen lassen. Die Unterschiede sehe ich dann höchstens im Preis-Leistungs-Verhältnis.
Inwieweit räumen Sie dem Gast ein, (s)ein Menü zusammenstellen?
Das kann im Rahmen unserer Karte so individuell wie gewünscht sein. Gleichwohl sollen unsere Menüs natürlich gewisse Empfehlungen geben. Denn wir haben uns dabei mit der Zusammenstellung schließlich Gedanken gemacht und wissen, was geschmacklich passt. Ich wechsle im Übrigen unsere Karte meist spontan nach Gutdünken.
Wenn ein Gast sich von Ihnen ein Vier-Gang-Überraschungs-Menü mit starkem regionalen Bezug wünschen würde, was fiele Ihnen diesbezüglich spontan ein?
Oh, dazu würde mir einiges einfallen. Wie wäre es mit einer Forelle auf Linsen, dem ein Roastbeef-Tagliata auf Risottobasis mit Kürbis folt. Auch nicht zu verachten wäre eine klare Tomatenessenz mit Bodenseefisch. Und als Dessert kredenze ich ein Jogurt-Tonkabohnen Sorbet mit Beeren.
Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisen?
Saison und Produkt müssen optimal passen, damit auf dem Teller eine wohltuende Leichtigkeit entsteht. Natürlich muss das alles mit einem adäquaten Preis korrespondieren und dem Gast vermittelbar bleiben. Ich halte mich diesbezüglich an den schwäbisch-humorigen Grundsatz: Sparen ohne geizig zu wirken.
Legen Sie sich Beschränkungen monetärer Art auf, wenn Sie neue Gerichte entwickeln?
Sagte ich doch gerade: Sparen, ohne geizig zu wirken. Nein, im Ernst: Die Gesamtkomposition muss passen. Demzufolge ist vieles als Mischkalkulation zu verstehen. Ich lege stets viel Wert auf einen ausgewogenen Mix der Zutaten.
Kommt Ihre Küche ohne "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?
Ja. Punkt. Außerdem sind mir, Stichwort Geiz, Convenience-Produkte auch zu teuer.
Sie definieren sich sicher über den Begriff Gourmet-Küche? Ist der überhaupt noch zeitgemäß?
Letzteres will und werde ich nicht entscheiden. Mein Verständnis geht aber mehr in Richtung puristische Feinschmecker-Küche ohne allzu viel artifiziellen Schnickschnack.
Was gehört aus Ihrer Sicht zur Gourmetküche?
Wenn Sie unbedingt auf Gourmet abstellen wollen: Das ist für mich frische, raffinierte, neu inspirierte Küche auf hohe handwerklichen Niveau.
Wie kann der Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmet-Küche aussehen?
Ob das nun ein Mittelweg ist, sei dahingestellt. Aber den bieten wir dann wohl mit unserer Küche, die für jeden Anspruch etwas bietet.
Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?
Nein, der Stern ist kein Kriterium dafür. Was ein Spitzenkoch auf den Tisch bringt, muss einen WOW-Effekt auslösen. Kreativität ist in diesem Sinne wichtiger als ein Stern. Über die Klasse eines Kochs entscheidet ohnehin nur der Gaumen.
Hand auf’s Herz: Ist der Stern Ziel Ihres Kochens?
Für mich ist es kein Ziel. Ich bin ein eher bodenständiger Typ und käme auch mit der typischen Sternerestaurant-Klientel nicht wirklich klar. Für mich hat die Zufriedenheit des Gastes oberste Priorität.
Zusatzfrage: Haben Sie Verständnis für Kollegen, die ihren Stern freiwillig zurückgeben?
Ja, denn der Druck ist sehr groß, dem man mit dem Stern ausgesetzt ist, der sprichwörtlich über Leben und Tod eines Gastronomen entscheiden kann. Wie viel komfortabler habe ich es doch, wenn ich gelassen über solchen Dingen stehen kann…
Lässt es sich also für einen ambitionierten Koch auch ohne Stern ganz passabel leben?
Genau das will ich damit sagen. Zumal es im Detail auch Zweifel am Wort und Wert der Kritiker gibt. Ich frage mich ohnehin, so lieb und teuer kulinarische Ehren immer sein mögen, ob Sterne und andere Meriten überhaupt noch zeitgemäß sind.
Wie viel Entertainer muss ein Koch heutzutage sein? Wie viel kochender Entertainer sind Sie selbst?
Ich sage immer scherzhaft: Wir müssen uns prostituieren. Die Gäste wollen den Küchenchef sehen, mit ihm plaudern. Dem muss man sich einfach stellen, ohne dabei mehr Schein als Sein zu verkör-pern. Auch auf Kochshows und im Rahmen eigener Kochkurse kommt dieser Aspekt unserer Arbeit natürlich in besonderem Maße zum Tragen.
Was halten Sie von der aktuellen Flut von Kochsendungen aller Couleur?
Auf jeden Fall sind es zu viel. Auf jeden Fall dürfen solche Sendungen um der Einschaltquote Willen den Beruf des Kochs nicht verklären. Im französischen Fernsehen wird das meiner Meinung nach besser als in Deutschland umgesetzt.
Kochnachwuchs: Wo liegen aus Ihrer Sicht diesbezüglich die Probleme und Reserven?
Ich glaube nicht, dass es am Geld liegt. Die Köche, die jetzt kommen, sind gute Köche, die wissen, was man in dem Beruf alles erreichen kann. Wichtiger sind für mich die Behandlung des Kochnachwuchses und die Einteilung der Arbeitszeiten.
Muss nicht auch Motivation entwickelt werden, um den Nachwuchs im Beruf zu halten?
Richtig: Das erreicht man über die Möglichkeit der Teilnahme an Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen ebenso wie über das Einräumen gewisser Freiheiten und den gleichberechtigten Er-fahrungsaustausch. Jeder muss sich einbringen können.
Halten Sie die Kochausbildung heute noch für zeitgemäß?
Diesbezüglich muss unbedingt etwas passieren. Und ein neues Prüfungssystem muss her. Kopfschmerzen bereiten mir in dieser Hinsicht auch die teilweise starken regionalen Unterschiede im Anspruch an die Kochausbildung und -prüfung.
Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?
Da nenne ich beispielshaft Eckart Witzigmann und Haeberlin junior. Beide zeichnet Bodenständigkeit ebenso aus, wie konstante kulinarische Leistungen in Perfektion.
Mit welchem Koch würden Sie selbst einmal zusammenarbeiten?
Typen wie Ralf Jakumeit passen in die Welt. Mit dem würde ich gern einmal gemeinsam am Herd stehen und Ideen austauschen.
Welchen Traum würden Sie sich als Koch gern noch verwirklichen?
Mehr Zeit wäre ein unerfüllbarer Traum. Aber eigentlich bin ich mit dem Erreichten zufrieden, ohne selbstzufrieden zu sein. Die mehr oder weniger kleinen Träume liegen eher im Detail. Vielleicht in solchen Kleinigkeiten, dass man sich leisten kann, einmal nicht zu kochen, weil man gerade nicht inspiriert ist. Das stammt nicht von mir, sondern aus dem Munde eines bekannten Kollegen.
Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?
In Schwaben sagt man dazu „hoimelig“. Man muss sich schon beim Hereinkommen wohlfühlen. Wenn dann noch das Essen mundet, umso bessert…
Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?
Wir kommen wieder zum Ausgangspunkt zurück: Ich genieße gern die Ruhe, bin gern in den Bergen und laufe viel mit meinem Hund Franz in der Natur. Kulinarik bleibt aber deswegen nahezu immer präsent. Denn im Kopf entwickeln sich schließlich gerade dann die besten Ideen.