Hotel Gothisches Haus: Gehobene Gastlichkeit am Marktplatz

gothisches-haus02

Travel Charme Hotel Gothisches Haus

Am Marktplatz2 - 38855 Wernigerode
www.travelcharme.com/gothisches-haus

Wernigerode ist zu allen Jahreszeiten eine Reise wert. Der 1121 erstmals urkundlich erwähnte und 1229 mit dem Stadtrecht versehene Ort wird auch die bunte Stadt am Harz genannt. Und nirgendwo ist sie so bunt wie am Marktplatz mit den malerischen Fachwerkhäusern, dem imposanten Rathaus und dem reich verzierten Wohltäterbrunnen. Hier fällt es nicht schwer, sich mittelalterliches städtisches Treiben vorzustellen.


Zum diesem historischen Ensemble gehört auch das 1480 errichtete und seit 1854 als Gastwirtschaft betriebene Gothische Haus. Das war eigentliches Ziel meines Besuches in der Stadt am Harz, deren wunderschönes Schloss und die nostalgische Brockenbahn mich immer wieder faszinieren. Denn in dem ehrwürdigen Gemäuer erwartete mich mein Facebook-Freund Ronny Kallmeyer, der die Küche des Hauses leitet, in dem heute ein Travel Charme Vier-Sterne-Superior Hotel sein Domizil hat.


Ich war, wie man lax sagt, "schier baff", was sich hinter den Mauern des Hauses an Komfort und Eleganz, verbunden mit Elementen des historischen Ambientes offenbarte. Das Hotel hat immerhin  116 Zimmer, die, wie mir Ronny Kallmeyer nicht ohne Stolz berichtete, erst 2014 neu eingerichtet wurden. Was zu beweisen war: Die Zimmer sind sehr geschmackvoll-dezent, in warmen Pastelltönen und mit dunklem Holz-Interieur gestaltet. Ich schätze in dieser Hinsicht eine gewisse Noblesse ohne Schnörkel. Genau das strahlen die Zimmer aus.

gothisches-haus04

Hier waren Innenarchitekten am Werk, die es verstanden, den historischen Charme des Hauses mit zeitgemäßen Dingen zu verbinden, die in dieser Kombination nicht gegensätzlich, sondern ergänzend wirken. Sehr attraktiv auch die geräumig historisch-rustikal, aber sehr geradlinig eingerichtete Hochzeitssuiter. Das hat was und wäre eine Idee für ein nachträgliches Honeymoon-Wochenende mit der Frau. Merken, steht auf meinem Notizblock. Dass die Zimmer allen  Komfort modernen Wohnens bieten, halte ich in solchen Beschreibungen für selbstverständlich und überflüssig. Es sei denn, das ist nicht der Fall. Abgehakt, hier stimmt alles bis ins Detail.


Zu dem großzügig in den Innenraum ausgebauten Hotel gehört (natürlich) auch ein exzellenter Wellnessbereich mit Whirlpool, Saunalandschaft, Fitnessbereich, Schönheitsprogrammen und Anwendungen. Die Hotelgäste, die dort wandelten, waren zwar durchaus meine Kragenweite, aber nicht mehr meine Altersklasse. Hier gehört ein Smiley hin. Und, schade: Ich hatte auch keine Badehose mit. Aber einer von den modischen Slips sieht auch nicht anders aus, und einen Bademantel hätte ich mir sicher ausleihen können. Muss nicht sein, ich bin schließlich schön genug. Hier muss noch ein Smiley hin.

Fazit: Empfehlenswert gesund und anregend. In jeder Beziehung. Weiter im Angebot sind Tagungs- und Banketträume mit allen Schikanen moderner Technik. WLAN inklusive. Wenn nicht, wäre das Haus für mich ein absolutes "no go". Soll heißen: Geht gar nicht. Geht aber. Letzter Smiley.


Zu den "Lokalitäten" des Hauses zählen die "Stuben", die Bohlenstube, ein Weinkeller, eine Sommerterrasse und die Lobby-Bar.  Letztere hat mir ausnehmend gut gefallen. Leider war es noch keine typische Bar-Zeit, und ich musste ja auch noch fahren. Obwohl. Na gut, ein Smiley geht noch. Auf jeden Fall habe ich dort Ronny Kallmeyer ausführlich interviewt. War ein Genuss, kann ich nur sagen. Mehr dazu über diesen Link. Die Terrasse war mir zu kalt und in die fabelhafte Weinstube werde ich mal ehemaligen Kommilitonen für ein Seminargruppentreffen empfehlen. Da kommt nicht nur wegen des tollen Weinangebots Stimmung auf, versprochen.


Womit wir bei den Stuben wären, die es im Gothischen Haus sozusagen zuhauf gibt. Kein Smiley. Zu den, man beachte die Schreibweise, "Stuben" gehören die Hexenstube, die Ritterstube und das Wintergarten-Séparée.   Keine Angst, die servierenden Damen sind alles andere als Hexen. Und Ritter als Rausschmeißer konnte ich auch nicht ausmachen. Der gastronomisch-gastgeberische Höhepunkt aber ist die Bohlenstube, in der, dem Himmel sei Dank, kein gleichnamiger Musiker die Regie hat. Oh  nein, schon wieder ein Smiley.

Jetzt schließt sich der Bogen zum kulinarischen Macher des Hauses: Ronny Kallmeyer. Der ist jung, dynamisch, kreativ. Das klingt aber wie der abgedroschene Slogan: Quadratisch, praktisch gut. Und das ist eben nicht gut, weil es  Kallmeyer nicht wirklich charakterisiert. Der Mann ist ein kulinarischer Spieler im besten Sinne des Wortes. Er wagt sich an geschmacklich-kompositorische Grenzen, die immer wieder überraschen und begeistern.  Während die "normalen" Stuben mittags und à la carte überwiegend bodenständig-regionale Küche anbieten, zaubern Kallmeyer und sein Team in der "Bohlenstube" Menüs, die jedem Gourmet-Anspruch gerecht werden und immerhin bereits 14 Gault Millau Punkte auf der kulinarischen Messlatte haben.


Mir gefällt die eindeutige Begrifflichkeit der angebotenen Speisen. Das nenne ich klare, verständliche Ansagen. Mir war nach Lamm zu Mute. Auf den Tisch kam ein Rosa Lammrücken mit Bärlauchkruste, Saubohnen und Risotto von Lammsalami und Tomaten. Handwerklich ohne Fehl und Tadel, das Fleisch auf den Punkt gegart. Geschmacklich dezent gewürzt und  hinsichtlich der Zutaten sehr gut  aufeinander abgestimmt. Nicht, dass ich danach noch Hunger gehabt hätte, aber die Versuchung einer Rehterrine mit Speckdressing, Preiselbeergelee und Mousse war zu groß. Getreu dem Motto: Eine geht noch rein. Ohne Smiley, weil gegen die schlanke Linie. Aber köstlich im Geschmack. Meine Frau hätte sicher das Filet vom Kabeljau mit Papayachutney, Tamarindensauce und Erbsenpüree gewählt. Holen wir nach, habe ich Ronny Kallmeyer versprochen.

ronny-kallmeyer08
slider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider imageslider image

Sehr gereizt hat mich auch das Herbstmenü der Bohlenstube, die offiziell als Gourmet-Restaurant gepriesen wird. Ronny Kallmeyer sieht das bescheidener und relativiert im Interview: "Das Wort Gourmet verwende ich eher selten. Ich halte es mehr mit dem, was man neudeutsch Fine Dining nennt. Das trifft den Kern dessen besser, was geboten wird.  Auf jeden Fall muss man sein Handwerk verstehen und kreativ mit den Produkten umgehen können."


Dass er das wahrlich versteht, zeigt die Bohlenstube-Speise- und Menükarte. Da kommt seine kulinarische Spielermentalität wieder zum Tragen. Er serviert Kaisergranat mit Blumenkohl, kreiert eine Suppe mit gegrillter Paprika, Kaninchen und Lavendel und bringt Schweinebauch (welche Verführung) mit Linsen, Kichererbsen und Trüffeln zusammen. Der Harz wird in diesem Sinne anhaltende kulinarische Anziehung für mich besitzen. Denn Kallmeyer präsentiert seinen Gästen auch Überraschungsmenüs. Und das zu vergleichbar günstigen Preisen. Sieben Gänge unter 100 Euro ist ein gutes Argument, bei ihm einmal  stil- und geschmackvoll zu tafeln.

Dieses quasi Surprise-Menü würde mich unter Umständen sogar noch mehr reizen als das offizielle, in der Karte ausgewiesene "Herbst-Menü". Das würde ich allerdings auch nicht von der Tischkante schubsen: Gänsemastleber / Amarenakirsche, Mandel / Falscher Hase mit Erbse und Pancetta, Filet vom Harzer Höhenvieh mit Ochsenschwanz, Graupen, Grünkohl, Apfel / Harzer Waldboden aus: Heidelbeeren, Fichtenspitzen, Schokolade und grünem Tee. Preis U60, inklusive Getränke U90. "Da kannst'e nich meckern", würde der Berliner sagen. "Ick bin keen Berlina." - und komme trotzdem in Begleitung wieder. Das ist keine Drohung , sondern ein kulinarisches Versprechen. Sympathisches Haus, ein ebenso sympathischer wie exzellenter Küchenchef, tolles Ambiente drinnen und draußen, binnen un buten, wie man im Nordosten sagt.


Zu meckern habe ich wie so oft nur über klitzekleine Details. Beispielsweise hätte das gastliche Haus eine eigene Homepage verdient, die sich nicht im Geflecht der Travel Charme Hotels versteckt. Und die grauenhaften Lebensmittel-Kennzeichnungen auf den Speisekarten sind kein Verdienst des Gothischen Hauses, sondern der EU-Bürokratie. Das ist keine kulinarische Einladung, sondern eine behördliche Zumutung. Dass die Gäste trotzdem nicht ausbleiben, ist ein Beweis, dass das Gothische Haus anspruchsvolle Gastlichkeit am Marktplatz der bunten Stadt bietet.

Das könnte Sie auch interessieren

Hier finden Sie ein paar Vorschläge zum Weiterlesen.