Im Interview: Eicke Steinort – ein Koch, der seinen Traum lebt …

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Eicke Steinort

Eicke Steinort, Jahrgang 1982, geboren in Rendsburg, verheiratet, 2 Kinder.


Seine Lehre zum Koch absolvierte er von 1997 bis 2000 im „Hotel Wassersleben“. Seine Wanderjahre führten ihn in renommierte Hotels und Restaurants weltweit. Er arbeitete in London, auf dem Süllberg in Hamburg, im Ritz-Charlton in Wolfsburg, im Bayerischen Hof in München aber auch auf Kreta, in Istanbul oder in Dubai. Prägend für seine Küche war die Arbeit bei Spitzenkoch Alain Ducasse in London. Seit 2018 ist er wieder an der Flensburger Förde ansässig und leitet das Hotel seiner Lehrzeit als Gastgeber und Küchenchef.

Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen und in kulinarischer Hinsicht?

Zum einen ist Genuss für mich Erholung im allumfassendsten Sinn des Wortes. In kulinarischer Hinsicht bedeutet Genuss für mich vor allem Erinnerung …


Wie erklären Sie dieses Erinnern genauer?

Es geht mir darum, alle Sinne zu berühren: Gerichte, Produkte und Aromen zu erinnern.

 

Ist Ihnen das Kochen sozusagen in die Wiege gelegt? Wer oder was hat Sie inspiriert?

Das "mit der Wiege" wäre zu weit hergeholt. Aber Handwerk hat in unserer Familie schon Tradition. Mein Großvater war Bäcker und Konditor. Da ist offenbar etwas von den Genen übergesprungen.

 

Was hat Sie nach 18 kochenden Wanderjahren aus der großen, weiten Welt wieder in den eher beschaulichen äußersten deutschen Norden gezogen?

Vor allem die Natürlichkeit. Hier ist alles echt. Ich stehe für Bodenständigkeit.

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Was hat Sie nach 18 kochenden Wanderjahren aus der großen, weiten Welt wieder in den eher beschaulichen äußersten deutschen Norden gezogen?

Vor allem die Natürlichkeit. Hier ist alles echt. Ich stehe für Bodenständigkeit.

 

Was prägt Ihre kulinarische "Philosophie"? Wie hat sie sich im Verlauf Ihres beruflichen Weges verändert?

Sagen wir es mal so: Es war ein Prozess. Am Anfang schaut man oft nach Trends. Dann prägt sich mehr und mehr eine differenzierte Wahrnehmung aus. Und die entwickelt dann kochtechnisch gesehen ein Gefühl und einen eigenen Stil.


Wird sich auch dieser Stil einer Entwicklung unterziehen?

Ich bin ein wissbegieriger Mensch, der sich nicht auf das Erlernte beschränkt, sondern offen ist für Entwicklungen und neue Ideen. Stillstand gibt es bei mir nicht.

Wie verarbeiten Sie heute Ihre Erfahrungen mit der internationalen Küche?

Ich habe mir aus den Küchen der Länder und Städte stets etwas abgeschaut. Das sind oft nur Details. Die aber verbinde ich heute mit meiner ausgeprägten Neigung zum jahreszeitlichen Kochen. Das ergibt oft interessante geschmacklich-kombinatorische Akzente.


Haben Sie dafür ein Beispiel parat?

Wir bieten im Restaurant "Der Steinort" jeden Monat eine neue Reise durch meine internationalen Stationen an. Dabei spielen auch Gerichte aus den jeweiligen Ländern eine geschmackliche Rolle, wie z.B. Inka-Zitrone und Lama-Milch aus Peru oder aktuell leichte griechische Gerichte mit Joghurt und Oktopus, die zur heißen Jahreszeit perfekt munden.

 

Also bieten Sie hier seit 2018 eine Art kulinarisches Konglomerat an?

Das ist nur bedingt zutreffend. Eine klare Linie, also das, was man Handschrift nennt, hat sich erst seit 2020 ausgebildet. Erst einmal muss man ankommen, die Küche laufen lassen und dann die Details verbessern.

Hat das auch etwas mit dem Geschmack der Gäste zu tun?

Klassiker der Schleswig-Holsteinischen Küche gibt es in französischer Machart in unserem Restaurant ‚Wassersleben Vier‘. Mit dem Gourmet-Restaurant ‚Der Steinort‘ bediene ich die Gäste, die sich auf eine spannende Hochküche einlassen wollen. Dort kann ich mein Faible für Produkte, Techniken und Aromen-Kombinationen ausleben.

 

Beschreiben Sie Ihr aktuelles kulinarisches Angebot in einem Satz?

International interpretierte, französische Küche.

 

Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?

Diesbezüglich setze ich vor allem auf die Frische und die Qualität der Produkte. Ganz wichtig ist es für mich auch die Chemie mit und die Sympathie zu den Lieferanten, die ich persönlich kennen muss.

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Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?

Es ist wohl eine Kombination aus beidem. Einigen wir uns doch auf „künstlerischer Koch-Handwerker“. Aber nur Kreativität ist kein Handwerk mehr. Und eben das ist die Grundlage für das Kochen.

 

Worin wollen Sie sich im kulinarischen Umfeld bewusst unterscheiden?

Diesbezüglich setze ich mich mit keinem Vergleich auseinander. Denn ich vergleiche nicht und ich kopiere auch nicht. Der Gast soll schätzen, was und wie ich koche. Vergleiche sind da eher kontraproduktiv.

 

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisen?

Für mich zählt inspirative, jahreszeitliche Kreativität.

 

Wo setzen Sie ggf. mit Beschränkungen an?

Der Preis kennt im Gourmet-Segment eigentlich keine Begrenzung. Man muss dabei aber schon ein Gespür für das entwickeln, was man dem Gast zumuten kann. Geschmackliche und kreative Beschränkungen gibt es sowieso nicht. Das wäre traurig.


Kommt Ihre Küche ohne "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Künstliche Verstärker gibt es bei uns nicht. Und wir stellen auch alle Produkte selbst her.

Woher beziehen Sie Ihre Produkte?

Ich versuche stets, die Produkte für meine Küche aus der Region zu beziehen. Da bin ich auch immer auf der Suche. Das ist auch meinem bereits genannten Anspruch an Bodenständigkeit geschuldet.

 

Wie bedeutet Ihnen traditionelle Küche?

Traditionelle Küche ist die Grundlage für alles, was man daraus entwickelt. Das ist für die französische Küche nicht anders. In diesem Sinne übe ich mich in kreativen geschmacklich-kombinatorischen Abwandlungen, bleibe aber durchaus bei meinen handwerklichen Leisten.

 

Wie stehen Sie zu dem Grundsatz „Vom Einfachen das Beste“? Oder anders gefragt: Welchen Standpunkt vertreten Sie in Sachen ganzheitliche Verwertung?

Das ist der Weg und das Ziel. Vor allem muss man diesen Grundsatz verstehen, verinnerlichen und leben. Denn verarbeiten kann man alles. Auf diesem Weg lernt man auch das Produkt an sich zu schätzen.

 

Kochen Sie mehr nach Rezepten oder nach geschmacklich-kombinatorischer Intuition?

Ich koche eigentlich vor allem intuitiv. Was nicht heißt, dass ein bestimmtes Gericht immer anders aufgebaut ist und schmeckt. Aber das ist auch tagesformabhängig. Man muss gut drauf sein …

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Wie oft wechseln Sie Ihre Karte?

Normalerweise wechsle ich die Karte monatlich. Aber es werden auch spontan Gerichte ausgewechselt oder ergänzt.

 

Wie viel „Kunst“ auf dem Teller sollte man dem Gast überhaupt zumuten?

Ich setze diesbezüglich eher auf minimalistische Komplexität. Das ist kein Widerspruch in sich. Zu viel und zu artifiziell muss nicht sein. Das bin dann auch nicht ich. Vielmehr muss das Produkt erkennbar sein und seine Umsetzung auf dem Teller überzeugen.

 

Praktizieren Sie klassische Gourmet-Küche, oder eher einer Art Mittelweg?

Egal, wie man zu solchen begrifflichen Einordnungen steht: Ich praktiziere das, was man wohl als Casual Dining bezeichnet. Das ist für mich eine Kombination aus zwanglosem Essen in niveauvoller, ästhetischer Umgebung und nachhaltigem Genuss.

 

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Für diese Einordnung ist aus meiner Sicht Kontinuität in Bezug auf handwerkliche Qualität und Kreativität das entscheidende Kriterium. Das hat nichts mit dem automatischen Anspruch auf einen Stern zu tun. Da spielen oft ganz andere Dinge eine Rolle.

Möchten Sie mit Ihrem Restaurant „Der Steinort“ nach den Sternen greifen?

Scherzhaft sage ich immer: Der Stern ist nicht kriegsentscheidend. Und ernsthaft: Der Stern ist kein erklärtes Ziel, aber ein erfreuliches Ereignis, wenn er leuchtet …

 

Wie ordnen Sie die Bewertungen durch die Restaurant-Guides ein?

Jeder Guide hat Vor- und Nachteile. Die Palette reicht von extrem-fachlich bis oberflächlich. Und oft sind bestimmte Bewertungen auch nicht nachvollziehbar. Das gilt beispielweise auch für den Vergleich zwischen Michelin und Gault Millau.


Also alles nur Dampfplauderei?

Nein, natürlich nicht. Insgesamt sind die Guides schon gut, weil sich der Gast daran orientieren und sich schließlich ein eigenes Bild machen kann.

 

Welche Köche sind für Sie Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Ganz eindeutig: Alain Ducasse. Ihm geht es immer um das Produkt. Und seine Gerichte kann man immer unverkennbar identifizieren.

 

Wie viel bedeutet Ihnen der Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus der Region?

Das muss sich ergeben. Mir liegt mehr der länderübergreifende fachliche Austausch.

 

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Das gesamte Projekt Wassersleben ist der Traum. Der hat noch viele Facetten.

 

Was hat ein Koch und Hotelier wie Sie für Hobbys?

Segeln. Die Möglichkeiten dafür sind ja hier optimal gegeben. Und sonst ganz einfach entspannte menschliche Kontakte ohne Fachgespräche. Das ist ein nicht zu unterschätzender Ausgleich und für mich nahezu Luxus.

 

Corona, der Fluch der Gegenwart. Was kann man künftig aus der Situation in einen gastgeberischen und kulinarischen Segen ummünzen?

Ich werde Wassersleben auch weiterhin als Zufluchtsort für Ruhe und Genuss entwickeln. Daran ändern auch solche Pandemien nichts.

 

Meinen Sie, dass nach Corona bestimmte Modelle wie „Gourmet to go“ oder anspruchsvolles Streetfood Bestand haben werden?

Ja, da wird es wohl verschiedene Modelle geben, die auch an den Wünschen der Gäste orientiert sind. Wir werden aber darauf nicht eingehen. Was wir machen, kann man nicht auf bzw. über die Straße transportieren.

 

Wenn Sie einen Blick in die kulinarische Zukunft werfen: Welche Küche wird sich durchsetzen? Bleibt es beim alten Gourmet-Verständnis, oder „lockert“ das auf/wandelt sich?

Gourmet ist aus Sicht des Gastes immer Erwartung. Aus meiner Sicht muss sich das Verständnis dafür lockern und es muss alles in Bewegung bleiben. Casual Dining ist für mich, wie bereits angemerkt, die richtige Richtung. Das bedeutet aber nicht, dass man auf eine gewisse Etikette verzichtet. Denn gutes Essen hat wohl auch viel mit Kultur zu tun.

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