Genussvolles Haus am Meer

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Grand Hotel Heiligendamm - Gourmet-Restaurant "Friedrich Franz"

Prof.-Dr.-Vogel-Straße 6 - 18209 Bad Doberan OT Heiligendamm

www.grandhotel-heiligendamm.de

Meine erste Begegnung mit Heiligendamm geht auf das Jahr 1982 zurück. Seinerzeit war ich im Urlaub in Neubukow in einem bescheidenen Ferienhaus. Da durfte natürlich ein Ausflug in die Weiße Stadt am Meer nicht fehlen. So richtig beeindruckt hat mich das damals nicht. Hatte mich ja auch nicht wirklich mit der Geschichte des Anwesens beschäftigt. Und  ob es dort schon Gastronomie gab, ist mir auch nicht mehr erinnerlich. Allein der Aufenthalt am Strand war ganz in Ordnung. Blaues Meer, weiße Wolken, goldene Sonne – Grundlage für einen perfekten Urlaubstag. Ähnlich erging es mir Mitte der 1990er Jahre.


Die erste richtige Begegnung mit dem Grand Hotel Heiligendamm fand aber erst 2013 statt. Dort fand am 15. Juni eine Gala zum 10-jährigen Bestehen des Luxus-Hotels, bereits unter dem neuen Besitzer Paul Morzynski statt. An diesem Tag lernte ich mit Ronny Siewert auch einen der sympathischsten Köche des Landes kennen. Eine Begegnung, die schon bald zu einer freundschaftlichen Verbundenheit führen sollte.

Auch die Begegnung mit den Hoteldirektoren blieb nicht aus. Das war anfangs der eher zurückhaltende, aber sehr angenehme Tim Hansen. Ihm folgte der sehr offene und sympathische Thomas Peruzzo. Und nach einem Namenlosen mit Kurzzeit-Intermezzo samt verheerender Personalbilanz hat nun der charismatische Thies Bruhn das Zepter im Haus übernommen. Er ist offensichtlich einer, der anpacken und Mitarbeiter motivieren kann.


Fortan war Heiligendamm jährlich mindestens ein- bis zweimal mal Ziel, wenn Siewert mit Spitzenköchen aus allen Teilen Deutschlands auftischte, oder er einmal mehr im Rahmen des von mir gar nicht geschätzten Formats „Großer Gourmet Preis“ als bester Koch des Landes verkündet wurde. Ein Preis, dabei bleibe ich, ist das für mich nicht. Allenfalls das Feststellen und Verkünden einer nicht unumstrittenen Rangliste. Allen Veranstaltungen eigen war und ist aber stets exzellente Kulinarik. Und die soll auch mein Thema sein.

Im Rahmen der kulinarischen Veranstaltungen in dem imposanten Hotel-Komplex war es mir als Journalist stets Ehre und Freude zugleich, in dem noblen Haus zu übernachten und die großzügigen Zimmer und Suiten kennenzulernen.


Dabei hatte ich das große Glück, dass mich die Gastgeber stets mit einem grandiosen Blick auf die Seebrücke und die Ostsee bedachten. Die Räume sind ganz im Stil der Zeit eingerichtet, in der der mecklenburgische Herzog Friedrich Franz I. in Heiligendamm Erholung suchte und 1793 Deutschlands erstes Seebad gründete.


Zur Einrichtung der in dezenten Farbtönen gehaltenen Zimmer gehören der Zeit nachempfundene, bequeme Sitzmöbel, Schreibtische und sehr großzügige Queen- oder King-Size-Betten. Verschönert wird Ambiente durch sorgfältig ausgesuchte, schmückende Details wie Grafiken und Bilder, schlichte Raumtextilien sowie eine sehr angenehme Beleuchtung. Deren „Bedienung“ ist zwar immer wieder eine Art „Studium“, das man jedoch von Mal zu Mal besser besteht. Das trifft auch auf die regulierbare Klimaanlage zu.

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Dass das alles mit dem Komfort modernen Wohnens und damit verbundenen technischen Details wie WLAN, Fax- und PC-Anschlüsse, modernes Stereo-TV und Telefon verbunden wird, versteht sich in einem solchen Haus wohl von selbst. Die Minibar ist darüber hinaus stets für einen nächtlichen „Absacker“ gut. Obwohl ich den meist in der Nelson-Bar zu mir nehme, wo man(n) Studien treiben, sein Handy bedienen und zu dezenter (Klavier-) Musik mitsummen kann.


Beeindruckend für mich immer wieder die großzügigen Sanitärbereiche mit viel Marmor, Badewanne sowie Duschen. Für einen Mann etwas unpraktisch sind lediglich die nicht mit einer Absenkautomatik versehenen Toilettendeckel. Diesbezüglich habe ich mich schon des Öfteren schmunzelnd erschrocken, wenn der mit deutlichem Laut in seine geschlossene Ausgangslage zurückprallte. Kleiner Scherz am Rande.

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Nun muss ich aber die Kurve zum Thema Kulinarik kriegen. Die konnte ich in weit über zehn Besuchen seit 2013 zur Genüge im besten Sinne des Wortes auskosten. Das gilt sowohl für die geniale Kochkunst von Ronny Siewert als auch für die exzellente Küche von Steffen Duckhorn, dem Küchenchef im Kurhaus-Restaurant.


Siewert bezeichne ich in Gedanken stets humorig als „Pasteten-Ronny“. Das ist keineswegs abwertend, sondern wertschätzend gemeint. Er wird es mit dem ihm eigenen Humor verstehen, wenn er diesen Beitrag liest. Auch die Köstlichkeiten der Sushi-Bar konnte ich schon vielfach mit großem Genuss erleben. Das soll einmal ein eigenständiger kulinarischer Abend werden, habe ich mir innerlich versprochen.


Bisher hatte ich jedoch noch nie das Vergnügen, ein Menü im Gourmet-Restaurant „Friedrich Franz“ zu genießen. Dieser Wunsch sollte sich nach einem weiteren Interview erfüllen, das ich im Oktober dieses Jahres mit Küchenchef und Sternekoch führen konnte.

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Kulinarischer Einstieg

Praline von Backkartoffeln | Thunfisch mit asiatischer Vinaiegrette und Meeralgen | Römische Pastete mit Rauchaal-Mousse
Variation vom Kürbis mit geeister Nussbutter und Trüffelkaviar

Gänseleber | Nüsse und Cox-Apfel | Cassis-Feige |  Topinambur Sorbet | Ingwer | Herbsttrüffel

Dänischer Kaisergranat | Kaiserschoten | Zitronengrasvinaigrette | Krustentier–Velouté | Korianderöl

Island Kabeljau | Petersilie | karamellisierte Selleriecrème | süße Kapern-Tapenade | Krabben-Speckstippe | Steinpilz-Beurre blanc

„De Bio Gockel“ | Brust und Keulenragout | Pastinake | Aprikosencrème |  milder Schinkenschaum| Lavendelduft

Mecklenburger Reh |  Rücken | gepresste Keule | Rehpfefferschaum | Pekannuss | Steckrübenpüree | kleine Kümmel-Karotte

Dessert von der Birne | Thymian | Birnenaufguss 

Man braucht bei der Bewertung des Menüs nicht lange um den heißen Brei herumzureden: Siewert kocht exzellent und beweist (s)eine geschmacklich-kombinatorische Meisterschaft bis ins kleinste Detail. Er ist zwar auch über die Jahre der filigranen Kleinteiligkeit seiner Gerichte treu geblieben, beweist aber auch, dass er mit der Zeit gehen kann und Luxusprodukte mit bodenständigen Produkten und Zutaten raffiniert in Szene zu setzen. Damit erliegt er aber nicht dem inflationär gebrauchten Regionalitäts-Begriff, den er als Trend längst abgehakt und nie so militant wie einige seiner Zunft-Genossen in Anwendung bringen wird.


Besonders beeindruckend ist für mich das von Siewert mit einer traumhaften Leichtigkeit betriebenen Spiels der Aromen, vor allem in der Liaison von süß und sauer. Gleiches gilt für die detailverliebte Raffinesse einzelner Gänge, die von der Präsentation her aber eher puristisch, abseits artifizieller Angeberei auf den Teller kommt.


Was der Koch aus Gänseleber zaubert, ist, um es bewusst pointiert zu sagen, „allererste Sahne“. Hier lebt der Meister sein Faible für süß-saure Kombinationen mit pikant-scharfem Einschlag in vollen Zügen aus. Das bringt er ganz unprätentiös, nahezu generalstabsmäßig geordnet auf den Teller. Aber es  macht eben den echten, originären Siewert aus, der umso mehr mit einer geschmacklichen „Wucht“ aufwartet und überrascht. Ich bin bestimmt kein Anhänger von Superlativen, wie „Geschmacksexplosionen auf dem Gaumen“. Aber diese kombinatorisch-sichere Kreativität lässt den Gaumen schon mächtig „hüpfen“.


Und so einfach der deliziöse Kaisergranat mit dem Zitronengras daher kommt: In Kombination mit dem Krustentierschaum, den Kaiserschoten und der Zitronengrasvinaigrette präsentiert Siewert einen vorzüglichen Zwischengang, der bereits auf den köstlichen Fisch-Gang einstimmt.

Der zeichnet sich wiederum als Kombination von deftig-raffinierten Bestandteilen wie der Krabben-Speckstippe und der fantastischen Beurre blanc sowie leicht süßlicher Kapern-Tapenade aus. Ein Gang, er buchstäblich auf der Zunge zergeht.


Begeistert hat mich auch der „Bio-Gockel“, den Siewert als speziellen, regional geprägten Gang in das Menü einbringt. In Verbindung mit Aprikosen, Schinken und Lavendel gelingt ihm eine erstklassige, moderne Interpretation von Geflügel. Das gehört sonst nicht unbedingt zu meinen Favoriten. Von dem Gockel aber könnte ich mir auch einen fulminanten Hauptgang vorstellen.


Der wird mir aber in Gestalt von Mecklenburger Reh gereicht, das als Variation aus Brust und einem Keulenragout auf den Tisch kommt und samt einer Kümmel-Karotte und Steckrüben-Püree an die regionale Schiene anknüpft. Egal, ob ein Mecklenburger Reh anders schmeckt als eines aus Bayern: Siewert hat damit einmal mehr seine kochende Bodenständigkeit abseits von Luxusprodukten bewiesen.


Ein Pre-Dessert war schließlich eine erfrischende Auflockerung von Sorbet mit Koriander und Kokos. Das finale Dessert schloss sich in Stil und Geschmack nahtlos an. Hier wurde Birne mit einer Art Flammerie aus Weichweizengrieß in Szene gesetzt und raffiniert mit Thymian und dem Birnenaufguss ergänzt.


"Ein Träumchen", würde ein ehemaliger Koch mit markantem Schnauzbart jetzt sagen. Damit nicht genug, zum Abschluss gab’s noch ein Tellerchen mit süßen Leckereien. Auch die habe ich mit Vergnügen verdrückt, obwohl ich sonst kein passioniertes Leckermäulchen bin.

A la bonne heure für dieses genussvolle Erlebnis, an dem es nichts zu deuteln gab. Der Service abseits allem oberlehrerhaft-erklärendem Brimborium dezent-zurückhaltende Umsicht. Und Maitre Norman Rex im Restaurant und am eigenen Tisch zu beobachten, ist ein nachhaltiges Erlebnis. Der wird gelegentlich als „eigenwillig“ bezeichnet. Ist er aber für mich nicht. Er beweist einen feinen, manchmal etwas hintersinnigen Humor und großes Wein-Fachwissen. Wir beide gehören schließlich, jeder in seinem Bereich, sozusagen schon zum Inventar des Grand Hotels. Auch das ist ausdrücklich nur Humor und eine nicht von der Hand zu weisende Pointe.


Mein Fazit: Ronny Siewert ist im doppeldeutigen Sinn ein „ausgezeichneter“ Koch. Er führt die Riege seiner Kollegen im Land MV seit zehn Jahren souverän an. Michelin hat ihn seither mit einem Stern, Gault Millau mit 18 Punkt nahezu geadelt. Und genau hier liegt mein Problem. Was muss ein Koch noch tun, um mit diesen Gault-Millau-Punkten den zweiten Stern zu erhalten. Da ist nicht nur für mich etwas faul im Staate der Restaurant-Tester.


Denn diese beiden Guides sind die maßgebende Staaten im kulinarischen Verbund. Mal abgesehen davon, dass es auch Guides gibt, deren Urteil man getrost in Tonne kloppen kann. Es gibt aber auch einige wie Gusto und Gastrotel, die verfolgen einen akzeptablen, bewertenden Ansatz. Aber darüber zu parlieren, ist hier nicht das richtige Forum.

Ungeachtet vom persönlichen Eindruck und Geschmack eines Testers ist nicht nur für mich klar, dass der zweite Stern für Siewert längst fällig ist. Er fällt bei Michelin offenbar immer wieder durch ein elitäres, abgehobenes Raster der Tester und muss wohl auch mit dem regionalen Stigma leben, mit dem der kochende Osten noch behaftet ist. In Berlin, München oder im gourmet-verwöhnten Baden-Württemberg würde der begehrte Stern längst doppelt an seinem Restaurant prangen.


Durchaus denkbar ist auch, dass man Ronny Siewerts präsentative Leistung als zu brav einschätzt. Da haben die jungen Wilden a la „brutal lokal“ die besseren Karten. Aber sehr nicht per se die besseren Argumente. Und es ehrt den Spitzenkoch Siewert, dass er sich weder durch Sterne, noch durch Punkte nicht verrückt machen lässt, sondern sein Ding durchzieht. Soll heißen: Küche zu zelebrieren, wie er sie mag: In Kombination von Luxus und bodenständig, einfach und raffiniert. Und vor allem immer wieder mit seinem kochenden Markenzeichen, den Gänseleber-Pasteten. Chapeau, lieber Ronny. Genieße die Sterne an der abendlichen Ostsee. Die machen das Leben mehr aus als zwei auf einem roten Blechschild. Aber, wer weiß...

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  • 97.7%
    Max’ Geschmacks Quotient (MGQ)

Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf 
Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept

Kategorie: Restaurants - Spitzengastronomie Oktober 2019

  • Angebot 97%
  • Geschmack 99%
  • Präsentation 98%
  • Preis-Leistung 97%
  • Service 98%
  • Ambiente 97%
  • Konzept 97%

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