Hauptstraße 9 - 19412 Kuhlen-Wendorf
www.schlosshotel-wendorf.de
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir Schloss Wendorf unweit von Schwerin und Crivitz bis vor wenigen Wochen nur dem Namen nach bekannt war. Man weiß ja, oft liegt das Gute so nah, dass man es erst sehr spät entdeckt. Aber nicht zu spät, denn ich habe auf diesem Weg Maja Kilgore getroffen, mit der ich schon einige Zeit über Facebook in Kontakt war. Sie und ihr Mann Thomas haben schon Anfang des Jahrtausends in Mecklenburg auf Burg Schlitz tätig.
Dann verschlug es sie einige Jahre in die weite Welt u.a. nach Fidschi auf Laucale Island und in eine Hotellerie-Akademie nach Peking. Nun zog es die Pfälzerin und den Bayern wieder nach Mecklenburg zurück, wo sie auch bei Teterow ihr privates Domizil, einen Forsthof mit Gästehaus und Stallungen für Pferde, gefunden haben.
Die Kilgores sind mit den Eigentümern des Anwesens in Wendorf schon seit langem befreundet und waren dort oft zu Besuch. Maja Kilgore: „Man hat uns als Pferdeliebehaber und gestandene Gastgeber schließlich davon überzeugt, dass ich die Leitung des Hauses übernehme. Es gibt eben irgendwann einen Zeitpunkt, wo man nicht mehr ablehnen kann.“ Sie fasst es so zusammen: „Ich wollte nach elf tollen Jahren wieder nach Hause, nach Mecklenburg.“
Gereizt habe sie, berichtet mir die neue Hoteldirektorin, vor allem die einzigartige Kombination von Natur, Erholung, Reiten und Golf. Das zu gestalten und zu entwickeln, habe für sie den Reiz der neuen Aufgabe ausgemacht. Außerdem sei sie ein „Landkind“, das diese Atmosphäre in vollen Zügen genießt. Was Wendorf für Maja Kilgore in wenigen Worten bedeutet, haben wir im Gespräch sozusagen gemeinsam entwickelt: Ein Ort der 6 „W“ – Wendorf, Wald, Wiese, Wasser, Wild und Wein. Klingt gut, meine ich. Und weckt interessante Assoziationen. Kopfkino eben.
Ihr erklärtes Ziel sei es, dass das Haus unter ihrer Leitung mit Leben erfüllt wird und sich jeder Gast auf seine Weise wohlfühlt und entspannt lachen kann. Die Kombination aus Hotel und Reitsport, ergänzend auch mit Golf, sei dafür ideale Voraussetzung, meint Kilgore. Der Mix aus Natur, Sport und Noblesse soll kein Rückzugsort für eine abgehobene Klientel, sondern für alle da sein, die Tradition und Ruhe schätzen. Sie verstehe das Schlosshotel Wendorf in diesem Sinne als attraktives Puzzle im Urlaubsland MV und werde sich mit ihrem neuen, jungen Team einiges einfallen lassen, um „anziehende“ Akzente zu setzen.
Ein Rundgang durch das vor rund 130 Jahren auf den Grundmauern einer alten Burg errichteten Schlossgebäudes hat mich als historisch ambitionierten Mann ziemlich beeindruckt. Im Haupthaus, dem einziges 5-Sterne-Schlosshotel in MV, warten neun luxuriöse Suiten, gegenüber in der Hotel Residenz 12 Zimmer und Suiten auf ihre Gäste. Ab Juni 2019 sind auch die Landlust-Ferienhäuser Haus Monika und Haus Yvonne, ab Juli das Haus Maria & Josef bezugsfertig. Ab etwa September stehen darüber hinaus drei Ferienwohnungen „Birgit“ zur Verfügung.
Die Suiten im Haupthaus sind geprägt von einzigartiger Individualität. Keine Suite ist wie die andere. Alles sind nach historischen Vorlagen mit wertvolle Antiquitäten, edle Wandbespannungen, Marmorbädern und diversen Kunstwerken, aber auch mit dem technischen Komfort modernen Wohnens ausgestattet.
Hier kann man wahrlich residieren wie einst die Herzöge Mecklenburgs. Nach denen sin auch die Suiten benannt. Das hat einen Charme, der mir sehr gefällt. Hinzu kommen die luxuriöse Cigar Lounge, die Bibliothek, Konferenz-Räumen und die lichtdurchflutete Orangerie sowie ein faszinierender Spa-Bereich im Gewölbekeller.
Dem steht die 4-Sterne-Hotel-Residenz in nichts nach. Dort erwarten die Gäste sehr individuell ausgestattete Doppelzimmer sowie Junior- oder Komfort-Suiten im modernen Landhausstil. Das trifft sogar noch mehr meinen persönlichen Geschmack als Hotelgast in diesem ländlichen Umfeld. Aber einmal Herzog sein, hätte auch seinen Reiz. Vorausgesetzt, die Herzogin wäre an meiner Seite. Kleiner Scherz am Rande.
Nun muss ich auch irgendwie den Übergang zur kulinarisches Seite auf Schloss Wendorf kommen. Stilvoll einkehren und genießen kann man im in der Hotel-Residenz befindlichen Restaurant „Cheval Blanc“. Das galt bislang als Gourmet-Restaurant, soll aber nach Angaben von Maja Kilgore zu einem Restaurant mit gehobener Brasserie-Küche. Um das umzusetzen, hat die Chefin mit Benjamin Wichert einen jungen Küchenchef engagiert, der sich beweisen will, wie er mir im Interview verriet.
Die Restaurant-Karte offeriert ein Cheval-Blanc-Menü sowie ein übersichtliches À-la-carte-Angebot mit einer saisonal ausgerichteten Spargelkarte. Was das Duo Kilgore-Wichert als Einstiegskarte entwickelt hat, liest sich geschmacklich-kombinatorisch schon mal ansprechend und kommt dem Anspruch an die Brasserie-Küche schon nahe. Es kommt eine Menge Regionales auf den Teller. Darunter Lammkarree, Müritz-Zander, Mecklenburger Weiderind, Aal in Variationen und in Vielfalt zubereitetes Gemüse unter Einbeziehung von Wildkräutern. Ich sehe aber zurzeit noch Reserven in der individuellen Ausprägung der einzelnen Gänge und Gerichte, damit eine typische „Cheval Blanc“ Handschrift daraus wird.
Im Rahmen (m)eines Arbeitsbesuches in dem Restaurant wurde ich spontan zu einem 4-Gang-Menü eingeladen. Aufgetischt wurde mir:
Dreierlei vom geräucherten Aal mit Erbsen und roten Zwiebeln
Ravioli gefüllt mit Spinat an Wendorfer Pilzen
Lammkarree mit Speckbohnen, Rosmarinkartoffeln und Thymianjus
Erdbeere und Erdbeersorbet mit Schokoladenerde
Als Appetit-Anreger reichte mir Maître d'hôtel Eckard Landgraf frisches Focaccia mit zwei würzigen Aufstrich-Cremes und schenkte einen 2017er Chardonnay aus dem Markgräflerland ein. Fruchtig, aber nicht süß, und erfrischend.
Auf die Papierdeckchen unter den Aufstrichen hätte ich verzichten können. Das passt für meinen Geschmack nicht in das Restaurant, das sich durch dunkles Holz, rote Lederbestuhlung und geschmackvoll ausgesuchtes Interieur und Gemälden mit Reiter-Motiven (was sonst) recht passabel präsentiert.
Die Bezeichnung der Vorspeise täuscht etwas, denn genau genommen ist es nur eine Aal-Variante, kombiniert mit Erbsen, roter Zwiebel und Kresse. Das Ganze war unprätentiös angerichtet. Mehr muss eigentlich auch nicht sein. Geschmacklich gefiel mir die Aal-Panade recht gut, die Wichert aus getrocknetem Aal-Fleisch und -Haut gewonnen, fermentiert und dann zu kleinen Flocken verarbeitet hat. Außerdem verwendete er ein Pulver-Gemisch aus dehydrierten Schalotten und Sellerie. Die als Garnitur verwendeten Ringe der roten Zwiebel hatte er mit Läuterzucker karamellisiert und dann 36 Stunden zum Trocknen ausgelegt. Aufwendig, aber insgesamt schmackhaft.
Auch die Ravioli waren gut gewürzt. Die in Butter gedünsteten Pilze wurden mit Cognac abgelöscht sowie mit Gemüsepulver aus eigener Herstellung und Röstgemüsefond gebunden und einem Schuss Sahne zubereitet. Da kann man geschmacklich nicht meckern. Für meinen Geschmack waren aber die eigens für Wendorf kultivierten Buchenpilze und Wiesenchampignons etwas zu dick aufgetragen. Da hat für mich die bildhafte Komposition nicht wirklich gestimmt. Kann man abstellen bzw. optimieren.
Nicht so ganz mein Ding war das Lammkarree. Geschmacklich durchaus passabel, stimmte auch hier die Komposition insgesamt nicht wirklich perfekt. Der durchaus stattlich bestückte Teller wirkte in seiner Gesamtheit eher „verloren“. Das Fleisch war „sehr“ rosa und ließ sich eher schwer vom Knochen trennen. Hier kann man kochtechnisch noch „sauberer“ im Detail arbeiten.
Das ist mehr gut gemeinter Hinweis als verreißende Kritik. Die Soße war für mich etwas zu säuerlich und zu dickflüssig. Benjamin Wichert erklärte mir dazu später, dass er die mit Rotem Burgunder und einer Art Früchte-Tee zubereitet und stundenlang reduzieren lässt. Mag sein, ist aber vielleicht nicht jedermann Sache.
Das Dessert dagegen war wenig spektakulär angerichtet, mundete aber vorzüglich. Die Kombination von Süße und Säure entwickelte im Zusammenspiel mit der Schokolade zu einem echten Gaumenkitzel.
Dazu hat auch der Rest Rotwein, eine 2016er Spätburgunder von der Ahr köstlich beigetragen. In diesem Zusammenhang muss ich auch auf die Weinkarte zu sprechen kommen, die maßgeblich von Eckard Landgraf zusammengestellt wurde. Gleiches gilt für edle Brände. Der eher distinguiert auftretende Herr hat ein gutes Händchen und Näschen für solche Tropfen. Respekt. Darüber hinaus offeriert die recht umfangreiche Weinkarte eine Sammlung internationaler Weinen der Spitzenklasse, für die man schon sehr tief in die Geldbörse greifen muss. Da kommt natürlich das Thema „Klientel“ wieder auf. Aber Weinliebhaber kommen in Wendorf ganz auf ihre Kosten.
Mein kulinarisches Fazit: Die Küche des Cheval Blanc unter Wichert ist ein passabler Anfang, bedarf aber für mich noch der Ausprägung einer, ich wiederhole mich, erkennbaren Handschrift und der konzentrierteren Ausrichtung auf das gewünschte Brasserie-Profil. Dazu kann man sich im kochenden Detail vom Aufwand her durchaus etwas zurücknehmen und den Schwerpunkt auf die geschmackliche Gesamtkomposition legen. Die Grundlagen dafür sind gelegt. Gäste wie ich werden es jedoch schätzen, noch übersichtlichere Teller mit ausgewogenerer Geschmacklichkeit serviert zu bekommen.
Ich werde deshalb im Vertrauen auf die Weiterentwicklung der Küche vorerst auf eine Bewertung im Rahmen meines Geschmacksquotienten verzichten, sondern nur für einzelne Bereiche punkten. Spätestens im Juli/August werde ich mir mit meiner Frau ein Cheval-Blanc-Menü gönnen. Ich setze darauf, dass dann einzelne Nuancen bereits optimiert sind.
Zu guter Letzt noch eine kleine persönliche Anmerkung: Die durchaus ansprechende Website des Hauses könnte noch einen etwas authentischeren Textstil bekommen. Man ist schließlich in Mecklenburg. Da spricht man bodenständiger, ohne auf sprachliche Vielfalt verzichten zu müssen.
Und ob in der Restaurant-Toilette gleich drei Monitore mit Jagd- und Reitszenen „dudeln“ müssen, ist für mich schon keine Frage des Geschmacks mehr, sondern einfach zu viel. Früher nannte man solche Räume mal „stille Örtchen“. Hier müsste ein finaler Smiley stehen.
Ich freue mich jedenfalls auf meinen nächsten Besuch und anregende Gespräche mit Direktorin, Koch und Maitre…
Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept
Kategorie: Restaurants - Mai 2019