Kronenbergstraße 14 - 72321 Bietigheim-Bissingen
www.maerzundmaerz.de
Auf diese Reise habe ich mich schon lange gefreut. Immerhin bin ich mit Benjamin Maerz, und zeitweise auch mit seiner Mutter Andrea Jasmin Maerz, schon seit Jahren über Facebook „verbandelt“. Da verfolgt man natürlich die Aktivitäten sowie die kulinarischen Ansichten und vergleicht sie mit den eigenen Ansprüchen. Eben diese Ansichten und Ansprüche auf gleicher Wellenlänge haben mich nun endlich auch nach Bietigheim-Bissingen unweit von Stuttgart geführt.
Ich war ganz einfach riesig gespannt, was der noch nicht einmal 30 Jahre junge Hotelier und Spitzenkoch darunter versteht, was er auf der Internet-Seite seines Hauses „kreativ, frei und ungebunden“ nennt. Ich nehme es vorweg: Man erkennt das nicht auf den ersten Blick. Dazu muss man mit offenen Augen und Ohren diesen Benjamin Maerz und sein Haus erleben. Man muss auch nicht alles hinterfragen, sondern sich einfach ein Bild und einen Reim darauf machen. Begrüßt hat mich übrigens ein anderer Maerz. Das war sein Bruder Christian. Auch über ihn wird noch zu sprechen sein. Er war offenbar auf mich vorbereitet, zunächst freundlich-unverbindlich. Das hat sich im Laufe des Abends angenehm relativiert.
Ich habe mein Zimmer inspiziert: Genügend Platz für einen kulinarischen Handlungsreisenden. Kleiner Schreibtisch, aller Komfort modernen Wohnens. Die Einrichtung zweckmäßig, helles Holz in Kombination mit dezenten Pastelltönen und kontrastreichem Braun. Die Fenster je nach Lichteinfall gut zu verdunkeln, oder aufzuhellen. Leider war mein Aufenthalt mit ziemlicher Schwüle verbunden. Der Sanitärbereich blitzsauber und für alle Notwendigkeiten von Kopf bis Fuß bestens ausgestattet. Hier kann man auch mal länger logieren.
Dem folgte eine kurze Visite der Altstadt von Bietigheim-Bissingen. Schöne, alte Bausubstanz. Die Stadtplaner haben für allerdings für meinen Geschmack in der städtebaulichen Kombination nicht immer ein glückliches Händchen bewiesen. Da hätte man mit mehr Fingerspitzengefühl agieren können (und müssen). Aber das war nicht das Anliegen meines Besuches, zumal ich im Hotel Rose der Gebrüder Maerz gesehen habe, was man aus einem denkmalgeschützten Haus machen kann, wie mir Benjamin Maerz bei einem kurzen Rundgang erklärte.
Die gastronomischen Bereiche des Hotels teilen sich in das Gourmet-Restaurant, die Wein-Bar und den Frühstücksbereich auf. Das Restaurant strahlt eine sehr dezente, unprätentiöse Eleganz aus. Auch, wenn man es mit einem „guten Wohnzimmer“ vergleichen würde, träfe das nicht den Kern des Ganzen. Das Interieur ist wohl gewählt, fast spartanisch, ergibt aber gerade in dieser Einfachheit ein angenehmes Ganzes. Ich hätte nie gedacht, dass dunkle Wandvertäfelung und (vermeintlich) einfache Sofakissen und sparsam eingesetzte Accessoires eine solche, im besten Sinne des Wortes, intime Atmosphäre ausstrahlen.
Die Weinbar ist dazu das gastronomisch-gestalterische Kontrastprogramm. Hell, aber nicht grell. Gemütlich, aber nicht behäbig. Modern, aber nicht poppig. Eine einfache, besser: dezente Gediegenheit zum Wohlfühlen. Hier kann man gemütlich einen guten Tropfen „süffeln“, sich ungezwungen unterhalten und regionale Feinschmeckerküche genießen.
Und das war mein Menü, zu dem mich die beiden Hausherren freundlicher Weise ins Gourmet-Restaurant eingeladen hatten:
Gruß aus der Küche: Geflämmte Melone mit Purple Curry und rotem Shiso | Zander Ike Jime gebeizt mit gepufftem Reis und Minilimette
Amuse Bouche: Steinpilze | Erbse | Butterbrösel | Austernvinaigrette auf Salz
Vorspeise: Bayerische blaue Garnele, geflämmt und als Tatar | Variation vom eingelegten Kimchi-Kohl | grüner Mango | wilder Brokkoli | Indiandernesselvinaigrette
Zwischengang: Interpretation vom sauren Rädle | Süßkartoffeln | Zwiebel | Rettich | Chanponzu | Wasabi-Öl
Zwischengang: Schimmelgereifter Schweinebauch sous vide | Kohlrabispagetti |Erdnusscreme | Umeboshipflaume mit Pho
Erfrischung: Litschi Granitee mit hausgemachten Tonic als Schaum | Kumquats | grüner Tee
Hauptgang: Zwischenrippenstück vom Weiderind | Ochsenschwanzpraline | Texturen von Paprika und Radieschen mariniert und eingeweckt | Paprikajus
Dessert: Original Beans Edelweiss mit Jackfrucht | Hafer | Joghurt | Pomelo | Hassaku als Vinaigrette
Dessert: weiße Zitruspralinen | dunkle Erdbeerpralinen | Schokoladen Maccaron | Joghurtcreme mit Ananas
Ich kann es vorwegnehmen: Das Menü war ein Hochgenuss. Angerichtet sympathisch „einfach“, aber gerade deswegen sehr effektvoll in Szene gesetzt. Die einzelnen Gänge geschmacklich-kombinatorisch wundervoll inszeniert, ohne auch nur im Ansatz den Anschein kulinarischer Prätention zu erwecken. Im Detail raffiniert kombiniert mit eher exotischen Komponenten. Da wurde mir klar, was die vom Küchenchef im Interview beschriebene Philosophie des Hauses bedeutet, Heim- und Fernweh kulinarisch zu verbinden. Die beiden Brüder unternehmen nicht umsonst ausgedehnte Reisen beispielsweise nach Fernost. Zurück kehren sie mit tausend Ideen und Zutaten, die sie mit dem Blick auf das geschmacklich Besondere und versiertem Können mit dem Bodenständigen aus ihrer Heimat entwickeln und kombinieren.
Als ausgewiesener Liebehaber gut gewürzter Gerichte bin ich vor allem begeistert vom Gefühl des Küchenchefs für die kongeniale Verbindung von Kräutern und Gewürzen, Aromen und Texturen. Der Geschmack gelingt ihm auf diese Weise mit nahezu traumwandlerischer Leichtigkeit. Wohl wissend, wie viel Köpfchen, aber auch kreative Intuition dahinter steckt. Allein der traumhafte Zwischengang war ein Geschmackserlebnis vom Feinsten. Und mit solchen Aussagen gehe ich sonst eher sparsam um.
Kurz und gut: Ich habe lange nicht so entspannt und gut gesessen, einen Abend im besten Sinne des Wortes wohlig genossen und so ganz nebenbei die Gastgeber weiter kennen und schätzen gelernt. So stelle ich mir auch Sterneküche vor: Ohne artifizielle Verliebtheit, mit der Raffinesse kochtechnischen Könnens der Spitzengastronomie und dem Vermögen, gastgeberisch überzeugende Excellence und schlichte Eleganz auszustrahlen. Goethe fiel mir ein: Hier bin ich Gast, um Gast zu sein…
Dass Benjamin Maerz wenig später auch in die deutsche Sektion der „Jeunes Restaurateurs“ aufgenommen wurde, hat mich sehr gefreut, aber nicht überrascht. Denn dort gehört der sympathische Küchenchef mit dem gewinnenden Lächeln hin. Ich bin mir sicher, er wird weiter von sich reden machen, mit tollen kulinarischen Kreationen aufwarten und gemeinsam mit seinem Bruder und dem Team des Hauses für ein nachhaltiges Erlebnis in Bietigheim-Bissingen sorgen.
Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept
Kategorie: Spitzengastronomie