In meiner Kindheit war sonntags meist Familienwandertag. Wir streiften durch die reizvolle Natur rund um Aue, und endeten schließlich in einer der angesagten Ausflugsgaststätten. Kulinarisch ging es dabei eher bescheiden zu. Meine Großmutter vergaß aber nie, ein ausreichend umfangreiches Paket belegter „Bemmen“, wie es im Erzgebirge heißt, mitzunehmen. Da durften solche mit Harzer Käse nie fehlen. Der war mitunter schon gut „durch“ und verbreitete einen irren Duft, der den Appetit beförderte.
Mein Großvater und mein Vater veredelten sich diese Brotzeit mit einem plus x würzigen Bierchen. Ich hielt mich meist an rote Faßbrause. Für diesen geschmacklichen Stilbruch schäme ich mich noch heute. Aber auf den Trichter mit der Hopfenblütenkaltschale bin ich erst mit etwas über 18 gekommen. Ich habe das Manko jedoch inzwischen gut aufgeholt. Die Liebe zu dem Harzer allerdings ist geblieben. Den esse ich mit frischem Brot für mein Leben gern und habe dabei kein Problem, die rote Brause zu ersetzen.
Wieder in Erinnerung gekommen ist mir der „Stinker“, als ich kürzlich ein Rezept für ein Käse-Carpaccio entdeckte. Ich weiß, heutzutage wird der Begriff Carpaccio nahezu inflationär verwendet. Auch drei Scheiben Rote Bete mit Zwiebel werden sprachlich oft so verunstaltet. Egal, wenn’s schmeckt… Aber das Käse-Carpaccio hat mich trotzdem gereizt. Das ist so genial einfach und geht ganz fix.
Dazu werden für zwei Personen eine Nektarine, 150 Gramm Erdbeeren und 120 Gramm Harzer Bauernkäse in dünne Streifen geschnitten und gleichmäßig auf zwei Tellern verteilt. Dann wird eine Vinaigrette aus vier Esslöffeln Olivenöl, einem Esslöffel Essig und einer fein gehackten Knoblauchzehe zubereitet. Je nachdem, wie viel Schärfe man sich zutraut, hackt man noch eine Chilischote und eine rote Zwiebel. Hinzu kommen je ein Esslöffel fein gehackter Schnittlauch und Petersilie. Alles rein in die Vinaigrette. Schließlich noch mit einem halben Esslöffel Honig sowie Salz und Pfeffer abschmecken. Dann darf sich die Vinaigrette samt drei Esslöffeln Granatapfelkernen über das Carpaccio ergießen. Das Ganze hat eine sehr pikante Note und schmeckt recht passabel mit einem frischen Baguette. Da ich ein Freund deftiger Dinge und geschmacklicher Experimente bin, habe ich sogar den Harzer mit Kümmel genommen. Ist nicht jedermanns Sache, hat aber was. Versprochen.
Nun warten Sie sicherlich darauf, dass es was zu essen gibt. Max ohne Fleisch, das geht gar nicht. Als Student habe ich mir oft eine Scheibe gewürztes Schnitzelfleisch in die Pfanne gehauen und gebraten. Zum Schluss eine Scheibe Käse drauf. Ein, zwei Minuten leicht schmelzen lassen. Fertsch. Eben Studentenmahlzeit.
Das müsste doch auch mit dem Carpaccio gehen, dachte ich. Aber ich habe meinem kochenden Freund Joachim Rummel in Boizenburg versprochen, diesem Geschmackserlebnis nicht anzutun. Soll wohl heißen: Hände weg von kochendem Kuddelmuddel. Also brate ich mir „nur“ eine Scheibe Lammfleisch mi Knoblauchnote als Beilage und gönne ihr die geschmackliche Liaison mit dem unverfälschten Harzer Käse-Carpaccio. Ich habe es nicht bereut, auf den Rat zu hören. Wenn ich den Rummel nicht hätte…
Diese Kolumne erschien am 18. Juli 2017 in der Schweriner Volkszeitung.