Kommentiert: Harzhafte kulinarische Entdeckungen

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Das letzte Mal Urlaub habe ich im Harz Anfang der 1960er Jahre gemacht. Natürlich bin ich in der Zwischenzeit hin und wieder einmal durch die Region gefahren. Ein Kurzurlaub 2013 aber war dazu angetan, sich dort auch in Sachen Kulinarik umzuschauen. Was ich entdeckt habe, war durchwachsen und hat durchaus Reserven.

Ein Quartier im unmittelbaren Umfeld des legendären Brocken war dank Internet schnell gefunden. In waldreicher, ruhiger Gegend war Benneckenstein das Ziel. Die Unterkunft, das in die Jahre gekommene, aber durchaus sehenswerte und mit (fast) allem Komfort modernen Wohnens versehene ****Hotel Harzhaus (treffender kann man es nicht bezeichnen). Die Zimmer sind geräumig, vom Ambiente her nicht unbedingt aufregend, aber eben mit den Standards dieser Hotel-Kategorie ausgestattet. Gewünscht hätte ich mir zumindest noch einen Mini-Kühlschrank. Aber diverse Getränke hätte man sich aufs Zimmer bringen lassen können. Nicht ratsam an heißen Tagen.

Das Restaurant befindet sich im Wintergarten. Der ist schlicht, aber ansprechend ausgestattet und bietet einen herrliche Sicht auf den Harz. Der versprochene Brockenblick war allerdings etwas übertrieben. Vielleicht in den Zimmern zwei Etagen höher... Die angrenzende Gaststube gibt sich harzhaft rustikal. Am Tresen kann man gemütlich sitzen, ein Bier, einen Schierker Feuerstein oder Mixgetränke genießen.

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Und bei schönem Wetter bevorzugen die Gäste, ihr Mahl auf der geräumigen Terrasse mit dem Blick auf das weitläufige Wildgehege einzunehmen. Wenn die Tische etwas anderes als den Plaste-Deckenbelag in "Strickausführung" aufweisen würden, könnte man sich hier richtig wohlfühlen. Von einem 4-Sterne-Haus sollte man da etwa mehr Geschmack und Sinn für's Detail erwarten können.

Die Küche des Hauses hat im wesentlichen gehalten, was man erwarten durfte. Keine Spitzenküche, aber solide zubereitet, wenn auch im Detail nicht unbedingt alles selbst zubereitet. Die Saucen nicht aufregend, aber keine Einheitssauce für alles. Erstaunlich gut und auf den Punkt gegart die offensichtlich selbst hergestellten Bandnudeln. Auch die angebotenen Suppen, rustikalen Steakgerichte und Gerichte wie Roulade oder Rostbrätel kann man mit Genuss verspeisen. Zum Glück wird das alles, wie anderswo sehr oft, nicht unter dem Motto "Futtern wie bei Muttern" angepriesen.

Enttäuscht war ich vom Bierangebot. Aus dem Fass gab's König Pilsener und Hasseröder Schwarzbier. Das helle Hasseröder dagegen nur aus der Flasche. Das ist für mich inakzeptabel. Nichts gegen KöPi, aber im Harz möchte ich das regionale Bier auch aus dem Fass verkosten. Und Schwarzbier ist wegen seiner teils süffigen süßlichen Note eben nicht jedermanns Geschmack. Ich bin auf Radeberger umgestiegen. Auch nicht schlecht, aber eben nicht regional. Kleiner Minuspunkt ebenso wie die Tatsache, dass man den Rotwein ziemlich warm (nicht zu verwechseln mit temperiert) serviert. Die Weinauswahl selbst war akzeptabel und von guter Qualität.

Das Frühstücksbuffet hat für mich keine Wünsche offen gelassen. Ich wollte ausgedehnt und deftig frühstücken. Das kann man sehr ausgiebig und vielseitig. Gut, die Eier waren durchweg "hart", aber wohl von glücklichen Hühnern, weil ohne Stempel. Wäre eine Idee, auch "weichere" Eier anzubieten. Rühreier auf Wunsch, nicht so mein Ding. Ansonsten große Vielfalt an Wurst, Käse, Schinken, Fisch und diverse süße, aber auch gesunde  Leckereien. Die Vollkornbrötchen und das Brot waren frisch und sehr schmackhaft. Die normalen Brötchen dagegen im sprichwörtlichen farblos. Sie sahen aus, wie "schon mal gegessen", würde man in meiner früheren Heimat, dem Erzgebirge, sagen. Probiert habe ich sie jedenfalls nicht. War mir zu unansehnlich und zu wenig knackig. Geschmacks- aber auch Ansichtssache...

Auch die Käseplatte am Abend habe ich mir nach Ansicht am Nachbartisch verkniffen. Da war, außer dem berühmten Harzer Käse, wenig Regionalität zu erkennen. Schnittkäse kann ich auch zu Hause essen. Das Candle-Light-Dinner am ersten Abend dagegen war recht in Ordnung. Die Rinderkraftbrühe mit Flädle hatte eine dezent-würzige Note und war eine passende Einstimmung. Als Hauptgang ein sehr schmackhaftes Hähnchenfilet im Speckmantel und einer raffinierten Beigabe von Salbeiblättern. Das Sorbet war allerdings noch ziemlich tiefgefroren und das Dessert stammte wohl eher aus dem Hause Dr. Oetker und Co. Drei Übernachtungen mit Frühstück und Dinner für 100 Euro, da kann man aber insgesamt nicht meckern. Und einen Begrüßungssekt gab's auch...

Echt gut war übrigens der Service. Die Kellnerinnen durchweg fesch, adrett, sehr freundlich und aufmerksam. Da fehlte auch der kommunikative Draht zum Gast und so manches humorige Wort nicht. Mein Motto: Hier bin ich Gast, hier will ich es sein..."

So weit, so gut. Harz ist aber nicht nur in Benneckenstein. Um es vorwegzunehmen: Kneipen, Restaurants aller Couleur sowie Hotels und Pensionen für alle Ansprüche gibt es en masse. Manche sehen von außen einladend, manche von innen ausladend (und umgekehrt) aus. Für die Hochsaison im Sommer (der Harz setzt ja auch sehr auf Wintersport) war mir das Angebot insgesamt etwas dürftig. Dagegen waren die Gerichte, was man so sehen konnte, oft auf übervollen Tellern serviert. Wer da an frische Kost glaubt. Ich jedenfalls nicht.

Und die Angebote in vielen "Schaukästen" waren alles andere als harzhaft. Schnitzel mit Pommes oder Kartoffelsalat kann ich auch zu Hause essen, preisgünstiger und besser. Mir ging immer wieder das Wort Regionalität durch den Kopf. Sollten die Gastronomen (meist) nur einfallslos sein, oder nur dem Geschmack und dem Preisdenken der Masse unterliegen? So ganz preiswert waren nämlich diese Angebote auch nicht. Preiswert und gut gehrt auch anders.

Sichtbare und wohl auch (m)essbare Qualität gibt's natürlich auch. Wernigerode und Schierke (aber auch Quedlinburg im Vorland) sind da wohl die ost-harzlichen Paradepferde. Da gibt's schon schmucke Cafes und Restaurants, die mit einem breitgefächerten und anspruchsvollen Angebot aufwarten. Für Gourmets empfehlen sich das Gothische Haus in Wernigerode (da spielt Küchenchef Ronny Kallmeyer sein ganzes Können aus) oder im *****Landhaus "Zu den Rothen Forellen" in Ilsenburg (ist für mich eher Harzvorland). Im letzteren Haus kocht dort (wieder) der gebürtige Sachsen-Anhaltiner Thomas Barth, der wohl an die Sterneküche seines Vorgängers Axel Kammerl anknüpfen möchte. Leider hat es meine Zeit nicht erlaubt, diese Häuser aufzusuchen. Das hole ich nach. Versprochen.

Aber klar, wer in den Harz fährt, sucht nicht unbedingt Gourmet-Spitzenküche. Ich möchte dort originäre, frische Küche nach Art der Region genießen. Das ist der Kreativität der Küchenchefs keine Grenze gesetzt. Und wer sich auf die Reise mit der romantischen Brockenbahn auf den höchsten Berg im nördlichsten Mittelgebirge macht, dem schmeckt auch ein deftige Erbsensuppe oder eine kräftige Gulaschsuppe im urigen Bahnhofslokal in Schierke. Alles zu seiner Zeit, und in Wanderschuhen muss man auch nicht ein nobles Restaurant  aufsuchen, nur, um damit anzugeben. Was nicht heißt, dass man im Touristensaal dazu gezwungen werden muss, sein Bier selbst zu zapfen.  Das ist keine gute Aussicht und keine Ansichtskarte für dieses schöne Fleckchen Erde. Mal ganz abgesehen von der dort vorwiegend angebotenen Fertigkost als Gipfel von kulinarischer Einfallslosigkeit.

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