Rezensiert: Grenzenlose Neugier auf Genuss

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Ich muss zugeben, dass ich noch nie im Saarland war. Höchstens auf einer Reise aus der Bretagne bin ich über Luxemburg in Richtung Köln mal an diesem Bundesland vorbeigefahren. Aber aus Besuchen im Elsass oder am Kaiserstuhl habe ich zumindest im Ansatz eine (freudige) Ahnung, welche kulinarischen Erlebnisse mich dort erwarten.


Das alles war auch Grund genug, mich auf ein Heft zu freuen, das Rolf Klöckner im Auftrag des Forum Verlags in Saarbrücken geschrieben hat. Dort soll es um die 66 besten Restaurants im Saarland und der angrenzenden Region(en) gehen. Ein Hinweis des Autors und eine E-Mail an den Verlag genügten, und ich hatte das fast 200seitige Heft im Haus. Voller Erwartung begann ich mit der Lektüre. Immer einen grünen Marker für Dinge zur Hand, die ich im Rahmen einer Rezension für erwähnenswert halte.


Was Klöckner da im besten Sinne des Wortes fabriziert hat, ist beachtenswert. Er setzt seine Vision von Genuss in eben 66 Beiträgen aller Couleur wortreich, manchmal regelrecht wortgewaltig um. Und er beweist mit der Auswahl der Restaurants buchstäblich großen Geschmack und macht Lust darauf, diesen Häusern einen Besuch abzustatten. Dass er sich dabei nicht nur auf das Saarland beschränkt, sondern seine kulinarischen Empfehlungen auch auf die Region SaarLorLux (diese Bezeichnung kannte ich übrigens so noch nicht) erweitert, macht der Autor zur Tugend. Denn er stellt einen Zusammenhang zwischen der französischen und der saarländischen Küche her, die sich im Anspruch an Originalität und Genuss gleichermaßen anspornen und facettenreich ergänzen.


Nicht umsonst, meint Klöckner, gibt es im Saarland eine so große Dichte hochdekorierter Restaurants durch Michelin, Gault-Millau und Co. Soll wohl auch heißen: Konkurrenz belebt das Geschäft. Man muss sich also etwas einfallen lassen, um den verwöhnten Gaumen zufriedenzustellen. Einschränkend dazu macht Klöckner aber auch deutlich, dass es ihm gar nicht vordergründig um die Gourmets, oder die sich dafür halten, geht. Seine Einladungen beziehen sich auf Genuss im weitesten Sinne des Wortes für jedermann. Und seine Philosophie in diesem Sinne lautet: Genuss kann man lernen. Das bringt Rolf Klöckner auch authentisch und glaubhaft rüber.

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Was mich an dem reich bebilderten und geschmackvoll ins Layout gesetzte Heft besonders fasziniert hat, ist neben der verlockenden Vielfalt der Empfehlungen die Verbindung kleinen Geschichten, die der Autor zu erzählen weiß. Er bringt historische Fakten und Anekdoten ebenso ein wie eine recht persönliche "Beziehung" zu einer Vielzahl der kulinarischen Macher in der Region.


Das gibt dem Ganzen eine sehr angenehme Individualität und macht das Selbstverständnis deutlich, mit der Klöckner an seine Arbeit herangeht. Für ihn und seine lesenden Gäste ist das Beste gerade gut genug. Dabei erweist er sich als exzellenter Kenner der kulinarischen Materie und Szene. Er gibt wie selbstverständlich auch Tipps abseits der großen kulinarischen Meriten und lädt in Restaurants ein, die in Ambiente, Service und Geschmack auf nicht minder hohem Niveau zum Verweilen einladen. Das sind sozusagen die Geheimtipps des Rolf Klöckner, die es aber entweder schon längst nicht mehr sind, oder es dank seines Genussführers nicht mehr lange sein werden.


Und der Blick über den saarländischen kulinarischen Tellerrand ins Französische, Luxemburgische oder Rheinland-Pfälzische trägt dazu bei, dass sich so mancher Gast in spe zu einer wahrhaft geschmackvollen kulinarischen Entdeckungsreise aufmachen dürfte. Grenzenloser Genuss, nennt Klöckner das. Und er hat mehr als Recht damit. Jeder Gast hat so die Möglichkeit, seine Favoriten zu erkunden und seinem Gusto zu frönen. Vor allem ist das Heft dazu angetan, seinen Genuss auszureizen und letztlich neuen Genuss zu entdecken.

Ich sehe in dem von Rolf Klöckner sehr aufwändig und mit großer Sachkenntnis recherchierten Heft aber auch Reserven. Die liegen aus meiner Sicht vor allem im sprachlich-strukturellen Bereich. Soll, ohne die ambitionierte Fleißleistung des Autors schmälern zu wollen, heißen, dass er es im Detail nicht verstanden hat, auch dem sprachlichen Anspruch an Genuss gerecht zu werden. Klöckner schreibt zwar sehr bildhaft und authentisch, lässt aber im Detail den logischen Zusammenhang vermissen.


Es hat manchmal den Anschein, als springen seine Gedanken und er lässt einiges aus, um es später an nicht zu vermutender Stelle weiterzuführen. Sprachlicher Anspruch besteht für mich auch nicht darin, so oft Superlative zu verwenden, wie es Rolf Klöckner getan hat. Und es erschließt sich mir auch nicht, warum er trotz seines bodenständigen Stils so beharrlich an Worten wie "goutieren" oder "Kreszenzen" festhält. Dafür sollte ein genusserprobter Mann wie Klöckner sicher andere Begriffe finden. Mitunter verliert sich der Autor auch in Allgemeinplätzen und konstruiert Sätze, die im Kontext zum Schmunzeln verleiten.


Einige Beiträge, die nur aus einer Seite bestehen, sind sogar in der Aussage recht dürftig im Sinne von dünn und werden aus meiner Sicht dem Anliegen des Heftes nicht gerecht. Am authentischsten kommt der Text rüber, wenn Klöckner vom Kulinarischen am konkreten Beispiel erzählt. Hier hat er Potenzial verschenkt und hätte er das Ganze so noch mehr auf den genuss-bildenden Anspruch ausbauen können. Die Informationskästen zu jedem Beitrag erhöhen aber durchaus den Wissenszuwachs hinsichtlich der Lage und der Preise in den einzelnen Restaurants. Dagegen hauen mich die Rubriken "Erwähnenswert" und "Fazit" nicht um. Hier hätte der Autor mehr abstrahieren können, ja müssen.

Mein Fazit: Rolf Klöckner bietet ein breite und anspruchsvolle Palette kulinarischer Entdeckungen in der Region SaarLorLux. Er regt an, sich mit dem eigenen Anspruch an Genuss zu beschäftigen. Klöckner liefert mit dem Heft eine exzellente Visitenkarte für das Saarland ab, die ihre Wirkung auf die Leser und Gäste in spe nicht verfehlen wird. Man merkt dem Autor die Lust am Genuss an, und die Liebe dafür sowieso.


Reserven hat das Heft in dem Sinne, dass eine Vielzahl von Texten in sich nicht stimmig sind und so der Gesamteindruck etwas geschmälert wird. Man muss bei Klöckners eigenwilliger Ausdrucksweise oft auch um die Ecke denken und zwischen den Zeilen lesen können... Sei's drum: Ich habe beim Erhalt des Heftes gewähnt, dass er damit einen großen Wurf gelandet hat. Wenn der etwas kürzer als gedacht war, ändert das nichts an der Tatsache, dass der frankophile Saarländer Rolf Klöckner etwas geschaffen hat, das Vorbild für andere Regionen ist.


Man merkt ihm die Liebe zu seiner Heimat ebenso an, wie sein glühendes Herz für anspruchsvollen Genuss. Grenzenlos, versteht sich, würde er sicher ergänzen... Ich werde seine gedruckte Einladung ins Saarland gern einmal annehmen. Schon bald, versteht sich... Chapeau und Hut ab, lieber Rolf Klöckner.

PS: Respekt, trotz der Kritik im Detail, auch dem Verlag, der das ambitionierte Projekt erst ermöglicht hat.

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