Im Interview: Daniel Reuner – ein Koch, der Regionalität lebt

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Daniel Reuner

Jahrgang 1981, geboren in Zossen, verheiratet, 3 Kinder.

Er ist gelernter Koch und nach diversen Qualifizierungsmaßnahmen seit 2012 auch Hotelier. Nach der Lehre arbeitete er beim legendären Anton Mosimann in Berlin im heutigen "Restaurant 44", später im "Ahlbecker Hof" und als Küchenchef im "Hotel Atlantik" in Bansin auf Usedom. In der Hildesheimer "Kupferschmiede" widmete er sich ausgiebig der französischen Küche, bevor er dann 2004 ins elterliche Unternehmen als Küchenchef wechselte, das er seitdem auch als Inhaber und Geschäftsführer leitet.


Außerdem wurde er 2017 zum Vizepräsidenen des DEHOGA Brandenburg gewählt, ist auch einer der Stellvertreter des 1. Vorsitzenden des Vereinigung der Flair Hotels und beteiligt sich an der Köche-Gemeinschaft "Brandenburger Kochfamilie" sowie im Business Club Teltow-Fläming..

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im Allgemeinen und im Besonderen?

Ich verstehe darunter alles, was man unter dem Begriff "Cuisine naturelle" subsumieren kann. Das Essen muss unverfälscht und mit hoher handwerklicher Meisterschaft auf den Tisch kommen. Dann ist Genuss Geschmack und Erlebnis zugleich. Und allgemein ist für mich Genuss, Zeit und Muse für die Familie zu haben und Natur zu erleben.

Wie würden Sie Ihre kulinarische "Philosophie" beschreiben?

Mein Credo ist es, dass meine Gäste regionale Köstlichkeiten auf hohem Niveau kulinarisch erleben.

Anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Ich verwende sehr gern Zutaten aus dem eigenen Garten. Alles andere soll mit möglichst kurzen Wegen in die Küche gelangen und dann zu einem auch optisch ansprechenden Gericht verarbeitet werden.


Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihrer Restaurants in einem Satz?

Vor allem saisonal und regionaltypische Küche, bei der auch das Auge mit isst.

Wie setzen Sie regionale Brandenburger Küche auf anspruchsvollem Niveau um?

Ich stehe für bodenständige, nicht überladene und überzogene Küche, die sich an der eingangs genannten Cuisine naturelle orientiert. Das Produkt steht bei mir immer im Vordergrund. Und ich will damit auch meine Liebe zur Region zum Ausdruck bringen. In einem von mir geschriebenen Kochbuch über das Zossener Land kann man das auch nachlesen.

Bieten Sie eher traditionell-klassische Küche, oder wagen Sie sich auch an Interpretationen der regionalen Küche mit neuen geschmacklichen Nuancen heran? Wenn ja, gibt’s ein Beispiel dafür?

Wir versuchen, mit regionaltypisch-klassischen Produkten und deren moderner Verarbeitung eine ganz eigene Note zu bieten. Die Physalis beispielsweise zieht sich durch viele unserer Gerichte und erlaubt besondere geschmackliche Facetten.

Stellen Sie sich im Detail auch dem Anspruch an Gourmetküche? Gibt das die Gästeklientel Ihres Hauses überhaupt her?

Wir bleiben auf der bereits genannten bodenständigen, regionalen Schiene. Das ist unser Markenzeichen, heißt aber nicht, dass wir auf einen gewissen Anspruch an gehobene Küche verzichten.

Sie bieten keine Menüs an. Kann ein Gast sich trotzdem eine Art Überraschungsmenü mit regionalen Akzenten wünschen. Was würde Ihnen da spontan einfallen?

Doch, ein regionales Menü ist immer auf der Karte. Und wir bieten auch Menüs für Candle Light Dinner. Damit überraschen wir schon, zumal das auch stets von einem Koch an den Tisch gebracht und erklärt wird. Komponenten eines Überraschungsmenüs könnten beispielsweise ein Vitalsalat mit Früchten, gebratener oder gebackener Spagettikürbis, Lamm mit mediterranem Gemüse und ein Dessert aus hausgemachtem Eis, Gelee und Physalis sein.

Lassen Sie auch internationale Einflüsse in Ihre Küche einfließen?

Gewisse Akzente lasse ich schon einfließen, aber nicht vordergründig. Der Gast muss immer wissen, wo und was er isst und dass er regionale Produkte auf den Tisch bekommt. Aber das kulinarische Thema "Surf and Turf" erlaubt da schon raffinierte Kombinationen.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisekarte?

Ich glaube, da antwortet fast jeder Küchenchef, dass die Saison Vorrang hat. Das ist auch bei uns nicht anders. Wir wechseln aber das Menü monatlich, das Tagesessen täglich und verarbeiten alles, was die Saison bietet. Der Preis richtet sich nach dem Produkt und dem Aufwand der Zubereitung.

Sie sind Geschäftsführer und Küchenchef in einem. Wie weit erlauben Sie sich selbst, Ihre kreative kulinarische Ader als Koch auszuleben?

Neben mir arbeiten bei uns drei Köche, drei Azubis und ein Beikoch. Wir probieren gemeinsam viel aus und testen, was der Karte und damit den Gästen gut tun könnte. Da spielen Beschränkungen in allen Richtungen keine Rolle.

Zusatz: Oder legen Sie sich da selbst Beschränkungen beispielsweise monetärer Art auf?

Nein, die habe ich nicht nötig, denn bei uns bleibt alles im Rahmen. Wir wollen keine Effekthascherei, deshalb überziehen wir auch die Preise nicht künstlich. Was nicht heißt, dass Qualität nicht auch ihren Preis haben darf.

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Ja, definitiv. Wir bereiten alles selbst zu und verarbeiten die Produkte in ihrer Ganzheit.

Woher beziehen Sie Produkte wie Gemüse und Fleisch?

Alles, was man unter Gemüse einordnen könnte, bauen wir selbst an. Die Liste ist lang: Kartoffeln, Karotten, Sellerie, Tomaten, Steckzwiebeln, Gurken, Blumenkohl, Brokkoli, Salate und Früchte aller Art, darunter unser Markeneichen, die Physalis,  und natürlich Kräuter und Kürbisse in großer Vielfalt.

Und wie sieht es mit Fleisch aus?

Mein Vater ist Jäger, er liefert uns Wild vom Reh und Hirsch, Damwild bis hin zum Wildschwein, wir ihm im Gegenzug für seinen Gasthof das Gemüse. Außerdem halten wir Zossener Wildlämmer, von denen wöchentlich bis zu zwei Tiere geschlachtet werden, und verarbeiten Wachteln, Hühner und Kaninchen, die wir aus unserem unmittelbaren regionalen Umfeld beziehen und auch aus eigener Haltung zur Verfügung haben.


Auch den märkischen Jungbullen und das Saalower Kräuterschwein verarbeiten wir in vielen Variationen, das zu 20 Prozent mit Schrot und Kräutern gefüttert wird. Der Fisch schließlich stammt vom vom Fischer am Motzener See

Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Das hat bei mir oberste Priorität. Man kennt sich gut. Das ist auch der Schlüssel für eine gute, dauerhafte Zusammenarbeit. So beziehen wir beispielsweise auch Erdbeeren und Spargel von den Erzeugern in der Region.

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Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Wir liegen mit unserer Küche sozusagen auf diesem Mittelweg und lassen uns von der Gourmetküche inspirieren. Aber eben immer mit unseren Produkten und mit bodenständiger Verarbeitung.

Zusatz: Was ist für Sie Gourmetküche überhaupt? Was halten Sie davon allgemein?

Dazu nur ein Satz: Es ist gut, dass es solche Küche gibt. Außerdem ist sie eine Art Messlatte für hohe, anspruchsvolle Kulinarik einer Region.

Hinterfragt: Ist Gourmetküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Das ist nicht nur künstlerisches Kochen, sondern vor allem auch die Fähigkeit, aus dem Produkt das Beste herauszuholen. Das muss sich auch im Preis niederschlagen.

Was halten Sie von kulinarischen Auszeichnungen allgemein?

Das hat schon seinen Sinn, man kann sich und seine Arbeit einordnen.

Stichwort Michelin & Co: Ist ein Stern für Sie ein Ziel? Wären dafür in Ihrem Haus überhaupt die Grundlagen gegeben?

Die Grundlagen wären schon gegeben, aber das ist nicht unser Ziel. Wir haben ein anderes kulinarisches Konzept, das sich unter anderem an der Initiative "Brandenburger Gastlichkeit" ausrichtet. Das kommt gut an. Dabei wollen wir es belassen. Und ich bin auch wohl nicht ohne Grund zum Flair Koch des Jahres 2012 gekürt worden.


Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Anton Mosimann mit seiner "Cuisine naturelle".  Er hat mich geprägt und gelehrt, dass das Produkt für sich stehen muss.

Was halten Sie von Kochsendungen aller Couleur? Gibt’s da auch Dinge, die die Welt nicht braucht?

Grundsätzlich ist das Anliegen gut, damit die Leute den Wert der Arbeit des Kochs schätzen lernen. Aber es gibt auch genügend Übertreibungen, die überflüssig sind. Namen nenne ich bewusst nicht. Jeder blamiert sich eben so gut er kann. Gut finde ich vor allem, wenn der Koch im TV als exzellenter Handwerker und nicht als kulinarischer Clown dargestellt wird.

Aber: Wie viel Entertainer muss heute in einem Koch stecken, ohne in Klamauk zu verfallen?

Der Gast will etwas erleben. Dem muss man entsprechen, der Koch muss präsent sein und kommunizieren. Ich erkläre meine Gerichte sowie deren Produkte und Zubereitung sehr gern und wirke in diversen Koch-Shows im Haus auch als Entertainer. Aber eben mit der gebotenen Zurückhaltung und einem wohltuenden Charme.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Ich würde gern mit vielen anderen Brandenburger Köchen ein tolles Koch-Event organisieren und durchführen. Ähnliches ist auch im Verbund der Küchenchefs der Flair Hotels möglich. Das würde mich schon reizen.


Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Das Ambiente muss stimmen, es muss etwas zu entdecken geben. Aber insgesamt sollte alles so weit wie möglich schnörkellos sein, damit man sich auf das Essen konzentrieren kann. Und wichtig sind natürlich auch eine ansprechende Karte und ein guter, unaufdringlicher Service. Apropos Karte: Die muss die Philosophie des Küchenchefs erkennen lassen.

Was essen Sie selbst am liebsten, und was kochen Sie am liebsten?

Lamm in allen Variationen und vieles mit Früchten kombiniert. Die Physalis verarbeite ich fast immer mit als mein Markenzeichen.


Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Mein Hobby ist das Gemüseschnitzen. Und sonst verbringe ich gern viel Zeit mit meiner Familie. Und wenn ich unterwegs bin, schaue ich auch gern über den berühmten kulinarischen Tellerrand, um mir neue Ideen abzuschauen. Das gehört dazu.


Sie sind DEHOGA-Vizepräsident, welchen Themenfeldern wollen Sie sich in dieser Funkion vorwiegend widmen?

Ich möchte einfach ohne Besserwisserei meine langjährigen Erfahrungen einbringen. Mein erklärtes Anliegen ist es, den Verband „aufräumen“ zu helfen, die Strukturen zu schärfen, die Verbandsarbeit zu modernisieren und einen gewissen Verjüngungsprozess zu fördern.

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Also doch Besserwisserei?

Nein, auf keinen Fall. Aber ein Verband lebt und entwickelt sich nur, wenn er die eigene Arbeit ständig in Frage und auf den Prüfstand stellt, sich an den aktuellen Herausforderungen orientiert und auch bereit ist, neue Wege zu gehen.


Wie beurteilen Sie die aktuelle Ausbildungssituation im Gastgewerbe?

Ich bilde meist bis zu acht Azubis in unserem Haus aus. Die Auszubildenden müssen motiviert, gefördert und gefordert werden. Man muss ihnen mit Feingefühl  Anregungen geben, damit sie sich einbringen und als Teil des Ganzen verstehen. Dann wird sich die Personalsituation mittelfristig auch anders darstellen als es derzeit der Fall ist.


Ist das ein Selbstläufer im von Ihnen beschriebenen Sinn?

Nein, dafür muss auch der Staat der Ausbildung einem neuen, angehobenen Stellenwert geben und Möglichkeiten schaffen, dass sich junge Leute früher für die Berufswahl orientieren können. Ab der siebten bis zur zehnten Klasse sind  zweiwöchige Praktika durchaus sinnvoll. 

Deshalb gehte ich auch regelmäßig in Schulen, um die Schüler für die Aufgaben des Gastgewerbes zu sensibilisieren und für gesunde Ernährung und gutes Essen die Trommel zu rühren.


Was bedeutet Ihnen, was bewirkt Ihre Mitarbeit im Vorstand des Vereins der Flair Hotels?

Unser Hotel gehört seit 1998 dieser Hotel-Vereinigung an. Es ist für die angeschlossenen Häuser von großem Wert, sich über Strukturen auszutauschen, Möglichkeiten gemeinsamer Vermarktung zu diskutieren und sich nach innovativen Ideen umzuschauen, die man auf alle Häuser individuell umsetzen kann. Von diesem Erfahrungsaustausch können auch Verbände wie der DEHOGA profitieren.


Mal ganz ehrlich, wie schafft man es, alle diese beruflichen und ehrenamtlichen Aufgaben unter einen Hut zu bringen?

Man muss nach dem aktuellen Stellenwert der Aufgaben abwägen und den Tag zeitlich und logistisch optimal durchstrukturieren. Schließlich darf auch die Familie nicht zu kurz kommen.

Gibt es demzufolge nur noch den Gastro-Funktionär Reuner und der Koch ist passé?

Natürlich nicht. Ich bin täglich im Haus, regle den Einkauf, takte Buffets ein, spreche mich mit dem Personal ab und stehe auch am Herd oder lenkend am Pass. Nicht zu vergessen, zeige ich mich auch den Gästen. Das erwarten vor allem, aber nicht nur, die Stammgäste einfach von mir. Insgesamt aber bin ich sehr froh, viele rechte Hände an meiner Seite zu haben. Das ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg.

Aktualisierung: Stand Mai 2019

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