Gelegentlich werde ich in meinem Umfeld der „Rote Baron“ genannt. Weiß gar nicht, wie die darauf kommen. Ob man damit auf die roten Skodas anspielt, die ich bis vor einigen Jahren gefahren habe? Man sieht aber zum Glück mein Schmunzeln nicht, während ich diese Kolumne schreibe. Egal, genusstechnisch ist rot jedenfalls nicht zu verachten. Ich mag rote Paprika ebenso wie Chili und Peperoni, Erdbeeren, Rote Bete, Tomaten, Kirschen und vieles andere mehr.
Auf der Suche nach einem roten Gericht aber meinte Sebastian Rauer, Inhaber und Küchenchef im Strandhotel Seelust in Goldberg: „Wie wäre es mit Spargel?“ Ja, ja, der will mir was vom Pferd erzählen. Mitnichten, der kreative Koch will mir Spargel mit roter Butter, Kalbszunge und Ei einreden. Ich liiiiebe Zunge, also lasse ich mich auf eine solche Vorspeise ein, die man nach Belieben auch als Hauptgericht ausbauen kann: Man vermische 300 ml Rotwein mit 200 ml Portwein und 100 ml Geflügelfond und lässt das auf etwa 200 ml einkochen. Diese Reduktion wird warm gehalten. Nun werden etwa 100 Gramm Pankomehl, also Paniermehl aus der Weißbrotkrume, in etwas Nussbutter angeschwitzt und samt 200 Gramm gekochter, fein gewürfelter Kalbszunge erwärmt.
Dann werden zwei hartgekochte Eier klein gehackt und mit fein geschnittener Blattpetersilie sowie zwei Esslöffeln Tomatenwürfeln vermischt. Das wird mit Tomatenessig und Rapsöl abgeschmeckt und mit der Mischung aus Zunge und den Pankobröseln vermengt und warmgehalten. Nun kommt der kulinarische Clou. 250 Gramm eiskalte, in Würfel geschnittene Butter wird nach und nach in die rote Reduktion montiert, bis die Soße weinrot glänzt. Dann werden Teller mit vier oder mehr Stangen des in Salz-Zucker-Wasser gekochten, leicht bissfesten Spargels auf je zwei Esslöffel der roten Butter angerichtet und mit dem würzigen Allerlei aus Zunge, Tomate und Ei garniert.
Das macht Lust auf mehr, versprochen. Kombinieren und als Hauptgericht ausbauen kann man diese Spargelvariante mit einer ordentlichen Portion butterzarter Zunge. Wer sich mal was Besonderes leisten will, kann sich auch an Seezunge oder an der Gräte gebratenen Seeteufel heranwagen. Ist nicht ganz billig, aber ein Gaumenschmaus par excellence. In Sachen Spargel bin ich mir mit Rauer einig, dass man mit dem Gemüse nahezu grenzenlos kulinarisch experimentieren kann. Er, also der Spargel, "funktioniert" süß, salzig, roh mariniert und klassisch zu vielen Zutaten. Aber für mich bitte nicht mit Sauce Hollandaise. Ich mag besonders grünen Spargels, der würziger als das weiße Pendant und in Kombination mit Gegrilltem geschmacklich nahezu unschlagbar ist.
Einer Meinung bin ich mit dem Küchenchef auch, was die Verarbeitung von Spargel betrifft. Den sollte man tagfrisch kaufen, schälen und zubereiten. Selbst vorgekochter Spargel verliert schnell an Aroma. Heißt also: Regional kaufen und verarbeiten. Für Rauer reicht die Region immerhin bis Beelitz. Auch gut. Ich blicke diesbezüglich nicht so weit über das Land MV hinaus. Und das ist in meinem Umfeld angesichts regionaler Anbieter spargeltechnisch gesehen gleich hinter Grabow zu Ende.
Wie kriege ich nun den Bogen zum eingangs genannten roten Beinamen? Mein Skoda ist jetzt silbergrau. Bin ich nun die „Graue Eminenz“? Lieber nicht. Rot hat schließlich in jeder Hinsicht Zukunft. Immerhin beginnt bald die Erdbeersaison. Danach kommen die Kirschen. Und so weiter, auch über den September hinaus…
Diese Kolumne erschien am 19. April 2016 in der Schweriner Volkszeitung.