Kennen Sie noch ein Schnitzel mit einem Fettrand, oder erliegen Sie beim Einkauf der Versuchung nach fettfreiem Fleisch? Diese Frage kam bei mir auf, als ich kürzlich ein Angebot für relativ günstiges Jungbullenfleisch entdeckte. Und ich musste schmunzeln, mit welcher Begeisterung es gekauft wurde. Schließlich isst man ja nicht nur preis- sondern vor allem gesundheitsbewusst. Und Jungbulle: Das klingt gesund und sieht auch so aus. Kein Gramm Fett dran. Das verspricht Geschmack. Ist aber ein Fall von Denkste. Denn geschmacklich ist solches Fleisch eine Nullnummer. Der Jungbulle nach dem Motto „Geiz ist geil“, ist nämlich im Normalfall mangels gebührendem Fettanteil weder zart noch saftig und schmeckt meist fad. Da hilft auch kein Würzen oder gar Marinieren. Das ist dann höchstens Betrug am Gaumen. Und Fleisch vom Jungbullen mit höherem Fettanteil gibt’s garantiert nicht zum Schnäppchenpreis.
Ich jedenfalls achte bei meinem Einkauf von Schnitzel, Steak und Rouladen stets auf eine gute Marmorierung des Fleisches (nicht zu verwechseln mit Sehnen) und traue mich auch, mangelnde Qualität abzulehnen. Weil ich weiß, dass ich damit keine Sünde begehe, aber mehr Geschmack auf dem Teller habe. Wohl wissend, dass man dafür auch mal einen Taler mehr bezahlen und mancher denselben dreimal umdrehen muss. Aber Fleisch muss ja nicht alle Tage sein.
Über diesen gedanklichen Weg bin ich auf meine heutige Rezeptempfehlung, ein deftig-raffiniertes Ochsensteak mit Birne und Roquefort, gekommen. Das Rezept habe ich wie immer etwas nach Max' Geschmack modifiziert. Für vier Personen brät man je ein Ochsensteak aus der Lende zwei bis drei Minuten in Butterschmalz. Ich mag es schön gebräunt, lasse dem Fleisch also lieber etwas mehr Zeit für das Bad in der Pfanne. Alles runter vom Herd, das Fleisch gut grob pfeffern, mit je einer Scheibe Butter belegen und in den auf etwa 80 Grad vorgeheizten Ofen stellen.
Nun ist Zeit, zwei Birnen zu schälen. Kerngehäuse raus, Stiel ab, halbieren und etwa fünf Minuten in einem halben Liter Weißwein köcheln lassen. Raus aus dem Sud. Nun kommt das geschmackliche I-Tüpfelchen: Man verarbeitet etwa 120 Gramm Roquefort mit 50 Gramm Crème fraiche und zwei Esslöffel Weinbrand, aber wirklich nur den berühmten "wönzigen Schlock", zu einer streichfähigen Masse. Wenn das noch zu trocken ist, sorgt ein Esslöffel aus dem Birnen-Sud für Geschmeidigkeit.
Nun kommt zusammen, was zusammen gehört. Dazu werden die Steaks noch etwas gesalzen und mit je einer nochmals kurz im Sud erwärmten Birnenhälfte belegt, die mit der Käsecreme gefüllt ist. Wer mag, kann sich zusätzlich geschmacklich-kreativ betätigen, indem man die Butter aus der Pfanne ganz nach Gusto mit Kräutern, Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmeckt und zu den Steaks reicht. Ich bevorzuge für dieses Gericht ein Baguette und einen saisonalen Salat. Aber auch Kartoffelspalten dürften dazu munden.
Und die Moral von der Geschicht‘: Traue günstigen Preisen nicht. Jedenfalls wenn es um echten Geschmack und um keine geschmackliche Sinnestäuschung gehen soll. Und in diesem Zusammenhang bekommen doch Ausdrücke wie „Alter Ochse“ und „Fette Kuh“ eine ganz neue Bedeutung. Ich versichere aber mit der mich auszeichnenden Offenheit, dass damit Vergleiche zu Personen ausdrücklich nicht gewollt sind oder rein zufällig gezogen werden könnten. Grundsätzlich aber gilt, dass auch beim Fleisch gut Ding Weile haben will, damit der Geschmack überzeugt.
Diese Kolumne erschien am 10. Oktober 2016 in der Schweriner Volkszeitung.