Im Interview: Nicola Flierl – eine Frau, die ihre Gefühle kulinarisch auslebt

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Nicola Flierl

Jahrgang 1968, verheiratet, ein Kind, einen Hund, drei Pferde.

Die gelernte Hotelfachfrau hat in früheren Jahren auch eine Kochausbildung begonnen, diese aber aus persönlichen Gründen nicht beendet, denn ein Studium an der Hotelfachschule Lausanne hatte höheren Stellenwert für sie. Nach dem Abschluss arbeitete sie als Hausdame, Direktorin für F&B, als Verkaufsdirektorin im Marriot und als Hoteldirektorin von Villeroy & Boch im Saarland. Danach siedelte sie mit Ihrem Mann (von Beruf Förster) und ihrer Tochter nach Vorpommern um und übernahm das Romantik Hotel "Rittergut Bömitz". Dort übernahm Sie 2012 schließlich auch die Küche und hat die Ausbildung als Köchin abgeschlossen.

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im Allgemeinen und im Besonderen?

Ganz einfach, Genuss ist für mich Lebensart. Das beginnt beim Einkauf meiner Produkte über deren Zubereitung und reicht bis hin zur Freude der Gäste über den Geschmack und das kulinarisch-gastronomische Erlebnis überhaupt.

Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihrer Restaurants in einem Satz?

Ich bin ein Freund klarer Worte: Ehrliche, bodenständige, saisonale und frische Küche.

Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?

Noch kürzer geht's nicht: Frische ohne Schnickschnack.

Was meinen Sie, muss man auf dem Land anders kochen, als in der Stadt? Soll auch heißen, was erwarten Ihre Gäste, wenn sie Ihr Restaurant aufsuchen?

Sie erwarten regional geprägte Gutsküche klassischer Prägung und schätzen es, wenn auch die Erzeuger auf der Speisekarte genannt sind.

Sie stellen sich dem Anspruch, ehrlich zu kochen. Was verstehen Sie darunter?

Der Anspruch ist fest gemauert: Ich hole aus dem Produkt das Beste heraus und mache daraus ohne Mogelei etwas Unverwechselbares. Der Geschmack der Produkte darf dabei nicht verfälscht werden.


Sie stehen für konsequente regionale Küche. Lässt sich das durchgängig umsetzen, wo gehen Sie Kompromisse ein?

Zumindest zu 90 Prozent. Der Gast erwartet aber auch kulinarische Dinge wie Scampis und Jakobsmuscheln. Das bietet natürlich viele Nuancen geschmacklicher Kombination.

Kombinieren Sie Ihre Gerichte im Detail auch mit anderen, beispielsweise internationalen oder ausgeprägt maritimen Einflüssen?

Klar, man schaut sich kulinarisch um und sucht passende Einflüsse zu seiner Küche. Dazu gehören auch spezielle Kräuter. Aber nur so viel, wie es das Produkt erfordert. Es muss schlichtweg passen.

Sie stammen aus dem Saarland. Fließen solche regional-kulinarischen Akzente in Ihre Küche ein?

Besser: Ich habe im Saarland gearbeitet, stamme aber aus dem Münsterland. Man nimmt aus jeder Region etwas mit, das man für seine Küche umsetzen kann. Das macht die Kocherei ja erst interessant. Nicht nur für den Koch, vor allem auch für den Gast.

Was zeichnet Ihre Küche im Vergleich zu anderen Angeboten in Ihrem kulinarischen Umfeld aus? Worin wollen Sie sich bewusst unterscheiden?

Das will ich nicht so festklopfen. Ich setze mich aber stets dem Anspruch der Ehrlichkeit aus und bringe nur auf den Tisch, wovon ich überzeugt bin.

Kann ein Gast auch ein Menü zusammenstellen und Wünsche außerhalb der Karte äußern? Beispielsweise, ein Gast wünscht sich eine Art Überraschungsmenü. Was würde Ihnen da spontan einfallen?

Sagen wir es mal salomonisch: Alles ist möglich. Ich präsentiere, was die Region und die Saison an Frische zu bieten hat. Da ist der Gast völlig frei in seinen Kombinationswünschen und ich überrasche natürlich auch gern.  Ein solches Menü kann beispielsweise aus einer deftigen Gutssuppe, frischem Rehbraten und einem Erdbeer-Rhabarber-Dessert bestehen. Das schmeckt vorzüglich, kann ich Ihnen versichern.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisekarte?

Die Saison hat immer oberste Priorität. (schmunzelt schelmisch): Das ist aber bei mir auch Stimmungssache. Wenn es mich überkommt, lebe ich auch mal meine Frühlingsgefühle kulinarisch aus.

Wie leben Sie als Küchenchefin Ihre kreative Ader als Koch aus? Legen Sie sich Beschränkungen beispielsweise monetärer Art auf?

Ich experimentiere gern und ziemlich hemmungslos. Auf den Tisch kommt, was mir gefällt und wovon ich meine, dass es dem Gast mundet. Da gibts auch schon mal Ostseelachs mit Spargel-Rhabarber-Gemüse. Es muss natürlich letztlich auch ins Preisgefüge passen.

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Keine Antwort ist auch eine: So was gibts bei mir nicht.

Woher beziehen Sie Produkte? Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Das hat bei mir einen sehr hohen Stellenrang. Ich kenne den Fischer, den Schlachter und den Bäcker persönlich, die mich beliefern. Und ich weiß, welche Qualität sie liefern. Wichtig ist auch, dass bei uns alles ganzheitlich verwertet und verarbeitet wird.

Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Ich halte von solchen Mittelwegen nicht viel. Jeder muss seinen Weg kennen und ihn konsequent beschreiten. Die sogenannte Gourmetküche ist für mich aber in den meisten Fällen artifiziell übertrieben.

Zusatz: Was ist für Sie Gourmetküche überhaupt? Was halten Sie davon allgemein?

Ich sagte es bereits: da ist viel Spielerei dabei. Das passt nicht in unser Haus. Wenn ich solche Küche einmal im Jahr genieße, dann ist das ok, aber reicht dann auch...

Hinterfragt: Ist Gourmetküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Dazu erlaube ich mir keinen Kommentar. Ich habe hinlänglich gesagt, wie ich diese Küche einschätze.

Stichwort Michelin & Co: Ist ein Stern für Sie ein Ziel? Ob ja oder nein: warum?

Eindeutig: Nein. Dazu passen auch unsere Bedingungen und unser Umfeld nicht.

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Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Wodurch muss er Sie überzeugen? Ist ein Stern dafür das Muss?

Auch hier ein klares Nein, der Stern ist dafür kein Alleinstellungsmerkmal. Mir gefällt einer wie Raik Zeigner im "Haus am See" in Krakow.  Der überzeugt durch Frische, exzellenten Geschmack und pfiffige kulinarische Ideen.

Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Ich bleibe dabei: Zeigner. Der überzeugt mich immer wieder, auch als Mensch...

Welchen Traum als Köchin würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Mal wieder dauerhaft einen Koch zu finden, der meine kulinarische Leidenschaft und Philosophie teilt.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Das Ambiente ist eigentlich zweitrangig, muss aber schon einladend, sauber und gepflegt sein. Das A und O ist neben der kulinarischen Seite der Service, der kompetent und unaufdringlich versiert agieren muss.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Da kann ich nur meine Familie nennen, mit der ich gern ausgiebig, leider oft zu wenig, Zeit verbringe. Die ist im Übrigen auch mein größter Kritiker, aber auch mein treuester Fan. Was will frau mehr...

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