Im Interview: Lars Schürer – ein Koch, der keinem Trend hinterher rennt

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Lars Schürer

Jahrgang 1981, verheiratet, 1 Kind.

Er wurde in Chemnitz geboren als die Stadt noch Karl-Marx-Stadt hieß, lernte später Koch im renommierten Schassberger Hotel am Ebisee. Dort war er ein Jahr Souschef und machte sich schon mit 21 Jahren mit dem Tafelhaus in Backnang selbstständig, das er als Inhaber und Küchenchef leitet und dort auch eine Kochschule betreibt.

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im Allgemeinen und im Besonderen?

Essen muss unverkrampft Spaß machen. Es muss immer etwas Besonderes an einem Gericht sein. Schnitzel ist "lecker", aber in meiner Definition kein Genuss.

Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihrer Restaurants in einem Satz

Ein Restaurant für jedermann, aber zum Mittags- und Abendgeschäft mit total unterschiedlichem Angebot. Abends geht's da eher gehoben zu mit Amuse Bouches und Menüs.

Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?

Ich renne keinem Trend hinterher und werde immer eine Küche bieten, die für den Gast nachvollziehbar ist. Das dazu auch Regionalität gehört, war für mich von Anfang an klar. Das wird heute leider zu oft als werbeträchtige Floskel benutzt.

Oder anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Es geht überhaupt erst einmal grundsätzlich um den Anspruch an sich. Und, ich wiederhole mich, die Nachvollziehbarkeit meines Kochens muss gegeben sein.

Sie stehen für konsequente regionale Küche. Lässt sich das durchgängig umsetzen, wo gehen Sie Kompromisse ein?

Regionalität muss auch Sinn machen und darf kein Dogma sein. Ich suche immer eine ausgewogene Kombination mit anderen kulinarischen Einflüssen. Zum Glück gibt's da ja Anregungen en gros.

Schwäbische Küche in allen Ehren. Kombinieren Sie die im Detail auch mit anderen, beispielsweise internationalen Einflüssen?

Ja, natürlich. Neben schwäbischer Küche lasse ich Elemente thailändischer und mediterraner Küche einfließen. Solche Kombinationen sind nicht nur visuell, sondern auch geschmacklich sehr attraktiv.

Was heißt in diesem Sinne für Sie "modern schwäbisch"?

Ich koche diese Küche beispielsweise mit modernen Garmethoden oder Sous Vide. Hin und wieder setze ich auch behutsam Elemente der Molekularküche ein.

Sie stellen sich dem Anspruch, eine kreative Küche zu bieten. Was zeichnet Ihre Küche im Vergleich zu anderen Angeboten in dem kulinarisch bedeutenden Umfeld von Stuttgart aus? Worin wollen Sie sich bewusst unterscheiden?

Das ist doch überall gleich: Jeder versucht besser zu sein als der andere und argumentiert dementsprechend. Wir setzen auf Individualität, zwingen den Gast zu nichts und setzen mit dem täglichen Spagat zwischen Mittags- und Abendkarte schon Akzente, die uns von vergleichbaren Angeboten unterscheiden.

Kann ein Gast auch ein Menü zusammenstellen und Wünsche außerhalb der Karte äußern? Beispielsweise, ein Gast wünscht sich eine Art Überraschungsmenü. Was würde Ihnen da spontan einfallen?

Wir machen (fast) alles möglich und der Gast kann auch nahezu beliebig kombinieren. Genau genommen sind mir Überraschungsmenüs am liebsten. Da kann man sehr kreativ sein. Selbst ein Veganer bekommt bei uns vier bis fünf Gänge.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisekarte?

Für mich ist Saison schon immer oberstes Gebot. Das ist keine neue Erfindung. Ich bin aber auch immer auf der Suche nach neuen Produkten und experimentiere dann gern. Das Produkt muss sich aber auch im Preis widerspiegeln. Dumpingpreise gibt's bei uns nicht. Das halte ich für den falschen Weg und das schadet auch der Branche insgesamt.

Wie leben Sie als Küchenchef Ihre kreative Ader als Koch aus? Legen Sie sich Beschränkungen beispielsweise monetärer Art auf?

Vom experimentellen Ansatz lege ich mir da keine Beschränkungen auf. In der Umsetzung muss aber alles ins Preisgefüge passen und gegenüber dem Gast vermittelbar sein. Richtig austoben kann ich mich aber in der Kochschule. Das ist oft eine willkommene Abwechslung vom Alltag des Kochs, und die Gäste können mich auf diesem Weg auch besser kennenlernen.

Obwohl es Ihre Internet-Seite schon verrät: Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Geschmack schaffe ich über die Zubereitung der Gerichte und nicht über irgendwelche Verstärker. Nur einzelne Produkte wie Gnocci setze ich als fertige Teigwaren ein. Soßen und ähnliches sind bei uns immer handgemacht.

Woher beziehen Sie Produkte? Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Die Direkterzeuger auf dem Backnanger Wochenmarkt sind und bleiben in diesem Zusammenhang die wichtigsten Ansprech- und Geschäftspartner. Einige Erzeuger bauen teilweise sogar speziell für uns an. Dadurch bekommen unter anderem Minigemüse und immer frische Kräuter. Auch wenn ich beispielsweise ausgewachsenen Brokkoli brauche, dann geht das nur über den direkten Einfluss auf die Erzeuger.

Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Diesen Weg muss jeder für sich finden, sofern er ihn beschreiten will. Auf jeden Fall darf man nicht, Stichwort: Nachvollziehbarkeit, am Gast vorbeikochen. Es muss auch preislich eine gute Mischung sein, damit jeder etwas findet.

Zusatz: Was ist für Sie Gourmetküche überhaupt? Was halten Sie davon allgemein?

Ich denke, das definiert jeder für sich. Über den Preis, über den Geschmack, über das Erlebnis an sich. Ich hantiere nicht mit diesem Begriff. Der stößt oft ab und führt letztlich in die falsche Richtung. Überkandidelt aber darf auch und gerade Gourmetküche nicht sein, das ist auch nicht mehr zeitgemäß.

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Hinterfragt: Ist Gourmetküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Wie gesagt, für mich ist Gourmetküche ein strapazierbarer Begriff und weitestgehend auch Auslegungssache. Letztlich muss es um den Gast und nicht um den Koch gehen. Der Preis hängt übrigens in jeder Küche von den eingesetzten Produkten und anderen Kosten ab.

Stichwort Michelin & Co: Ist ein Stern für Sie ein Ziel?

Das ist für mich weder ein Ziel, noch ein Thema. Das hängt auch mit unserem wirtschaftlichen Konzept zusammen. Wenn man uns mal mit einen Bib Gourmand bedenkt, wäre das natürlich nicht von der Hand zu weisen.

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Nein, es kommt auf die Kochkunst an, die Produkte kreativ einzusetzen und zuzubereiten. Ein Stern ist für mich im Übrigen auch kein Garant für Spitzenköche, höchstens ein Indiz dafür...

Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Konkrete Namen will und kann ich nicht nennen. Die guten Köche sind für mich vor allem bescheidene Vertreter unserer Zunft. Die diversen TV-Köche sind mir bis auf wenige Ausnahmen eher suspekt.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Mit der Kochschule habe ich mir einen großen Traum erfüllt. Das reicht erst einmal. Man(n) muss auch immer schön auf dem Teppich bleiben.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Authentizität im Ambiente und Ehrlichkeit im Produkt.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Man schaut sich natürlich auch in der Freizeit kulinarisch um. Hauptsächlich aber nutze ich die zur Entspannung und aktiven Erholung. Man darf schließlich nichts übertreiben.

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