Im Interview: Joannis Malathounis* – ein Koch der griechischen Moderne

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Joannis Malathounis

Jahrgang 1963, verheiratet, 2 Kinder.

In Stuttgart geboren lernte er im Gasthof zum Ochsen in Kernen den Beruf des Kochs. Weitere berufliche Stationen waren das 2-Sterne-Restaurant Waldhorn in Ravensburg und das St. Laurent in Paris. 1993 eröffnete er im Kernener Ortsteil Stetten sein eigenes Restaurant „Malathounis“, das 2014 erstmals mit einem Michelin-Stern bewertet wurde. Damit führt er das weltweit einzige griechische Sterne-Restaurant außerhalb Griechenlands. Der Restaurant-Führer Gault Millau bewertet ihn  aktuell mit 16 Punkten.

Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen und kulinarischer Genuss im Besonderen?

Für mich ist in der einen und der anderen Beziehung Entspannung und Ruhe. Einfach sich seinen Gedanken hinzugeben und aufzunehmen, was einem im umfassendsten Sinne des Wortes geboten wird.

Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie" in einem Satz?

Ich setze auf saisonal ausgerichtetes, kalorienbewusst verständlich und übersichtlich zubereitetes Essen.

Sie sind in Deutschland geboren. Führen Sie mit Ihrem Restaurant familiäre Traditionen fort?

Ich bin der erste in der Familie, der von Berufs wegen kocht. Das hat sich einfach so ergeben

Wer hat Ihnen die offensichtliche Liebe zur griechischen Küche vermittelt?

Meine Mutter. Ich habe ihr bereits als Kind viel im Haushalt geholfen. Da hat sich das Interesse am Kochen eher langsam entwickelt. Ich habe erst mit 25 Jahren meine Kochlehre begonnen und alle haben gedacht, dass ich es dort nicht lange aushalte.

Wodurch zeichnet sich das kulinarische Angebot Ihres Restaurants aus?

Wir haben die bäuerliche griechische Küche mit modernen Akzenten und geschmacklich authentischen Nuancen weiterentwickelt und eine Verbindung mit Elementen der schwäbischen Küche hergestellt. Ich würde übrigens mitunter gern auch extremer kochen, aber dann ist das Lokal leer. Der Gast muss schon Maßstab des Handelns sein. Außerdem leben wir im eher ländlichen Raum. Dem muss man auch Rechnung tragen.

Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Es ist mein Bestreben, beste Produkte schonend zuzubereiten. Hinsichtlich der Präsentation bevorzuge ich eher die puristische Note, bei der alle Zutaten auf dem Teller erkennbar sind.

Sie definieren sich über moderne griechische Küche? An welchen Prämissen machen Sie diese Küche fest?

Kulinarische Traditionen müssen übernommen und ebenso einfach wie modern umgesetzt werden. Ich bereite alle Zutaten einzeln zu und führe sie erst dann zusammen. Das alles abseits vom Ruf der „fetten griechischen Küche“. Im Übrigen sind viele Dinge in dieser Küche auf türkische oder arabische Herkunft zurückzuführen.

Was ist Ihr Verständnis von originärer griechischer Küche abseits aller bekannten Klischees?

Griechische Küche ist weit vielfältiger, aber auch einfacher, als es die Mehrzahl der Restaurants praktiziert. Auch in Griechenland selbst findet man sie nicht oft, denn es wird oft wahrlich nach Klischee gekocht. Originär besteht diese Küche mehr aus Käse, Wurst, Innereien und Gemüse mit raffinierte-mediterraner Note.

Kombinieren Sie Ihre Küche auch mit deutschen und internationalen Akzenten?

Wir haben ja schließlich keine Scheuklappen vor den Augen, laufen aber auch keinem Trend hinterher. Ich verbinde auch leichte molekulare Anteile mit meinen Gerichten und versuche, soweit es Sinn macht, auch mit regionalen ge-schmacklichen Akzenten und Produkten zu kombinieren.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Angebote?

In meiner Küche wird alles verarbeitet, was die Saison und die Region hergibt und was man sinn- und geschmackvoll als griechische Küche umsetzen kann. Der Preis ist dabei erst einmal zweitrangig. Die wirtschaftliche Seite des Ganzen darf man natürlich auch nicht außer Acht lassen.

Entwickeln Sie Gerichte über den Preis oder über die kulinarische Komposition an sich?

Ich richte mich nicht nach Sonderangeboten von Händlern, sondern entwickle die Karte nach meinen geschmacklichen Ideen.

Hand auf's Herz: Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Ja. Punkt.

Wie wichtig ist es Ihnen, im Rahmen Ihres kulinarischen Konzepts auch eine gewisse regionale Karte mit regionalen Produkten zu zücken?

Ich versuche schon, die regionale Komponente auszureizen, ordne aber Deutschland und Österreich insgesamt als Region ein. Vieles muss man schon dazukaufen und alles sollte vor allem nachhaltig beschaffbar sein.

Ich gehe davon aus, dass Sie sich auch über den Begriff Gourmet-Küche definieren. Ist der Begriff Gourmetküche überhaupt noch zeitgemäß?

Aus meiner Sicht ist der Begriff überholt und ausgelutscht. Die meisten, die den Begriff in den Mund nehmen, haben vom Essen keine Ahnung. Hauptsache alles ist abgehoben und teuer. Aber richtig ist natürlich, dass gutes Essen seinen Preis haben muss. Dafür muss man aber das Bewusstsein schärfen.

Gibt es für Sie auch einen goldenen Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Wenn das Produkt und die Zubereitung gut sind, gibt es keine Unterschiede. Es gibt nur gute und schlechte Küche. Auf das Handwerk kommt es an. Deshalb mag ich den Spruch vom Mittelweg nicht sonderlich. Jeder hat seinen Weg.

Zu welchen Anteilen würden Sie Ihrer Küche eine bodenständige Noten bescheinigen?

Eigentlich ist alles auf Bodenständigkeit aufgebaut. Nur die Umsetzung setzt moderne Akzente.

Verstehen Sie sich mehr als kulinarischer Handwerker oder als Künstler?

Ich bin ein vom täglichen Geschäft geprägter Handwerker. Natürlich fließen auch kreative Aspekte ein. Als Kunst bezeichne ich das aber nicht.

Woraus schöpfen Sie Inspirationen? Lesen Sie viel, schauen Sie ab, kochen Sie intuitiv…?

Kulinarische Inspirationen kommen mir überall, beim Spaziergang oder im Alltag. Man muss nur mit offenem Blick durch das Leben gehen und auch auf andere Teller schauen. Mich regen auch Gerüche an. Manchmal wache ich sogar nachts auf und notiere mir Ideen. Ich meine, nur über diesen Weg entwickelt man seine eigene Note, ohne zu kopieren.

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Einmal Stern, immer Stern? Was halten Sie von kulinarischen Auszeichnungen allgemein?

Restaurantführer haben schon ihre Berechtigung und ergänzen sich mit den Zielen der Gastronomie. Aber wir arbeiten nicht für den Tester, sondern für den Gast, der unser Haus zufrieden verlässt und gern wiederkommen möchte. Im Übrigen koche ich auch mit Stern nicht anders als ohne.

Können Sie nachvollziehen, warum aktuell einige Köche freiwillig auf den Stern verzichten? Wäre das eine Option für Sie?

Für mich wäre es keine Option. Aber ich kann verstehen, wenn jemand sein Konzept ändert, oder wirtschaftliche Gründe hat, den Stern abzugeben bzw. nicht mehr dafür anzutreten.

Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Ich finde alle jene gut, die ihre Linie authentisch und konsequent durchziehen. Beispiele dafür sind für mich Josef Bauer im Landgasthof Adler in Rosenberg und Alain Passard in Paris. Auch vor solchen Kollegen habe ich großen Respekt, die ohne Sponsoren oder Hotelketten im Hintergrund arbeiten.

Was halten Sie von Kochsendungen aller Couleur?

Das muss man sehr differenziert sehen. Fernsehen braucht Quote. Mich stört in diesem Zusammenhang, dass viele Sendungen einen falschen Eindruck von unserem Beruf vermitteln. Das Produkt und seine Zubereitung müssten mehr im Fokus des Geschehens stehen. Wenn eine Sendung anregt, selbst zu kochen, oder wieder einmal ins Restaurant zu gehen, dann ist das natürlich ein positiver Effekt.

Wie viel Entertainer muss heutzutage ein Koch sein? Ist das Ihre Art von Kommunikation?

Ich finde den Kontakt schon spannend. Aber man darf vor dem Gast auch sprichwörtlich keinen Handstand machen. Bei uns ist es gut, dass meine Frau auch gelernte Köchin und Hotelfachfrau ist. Das nimmt mir Zeit und Arbeit ab, die ich in der Küche einsetzen kann.

Welchen Traum würden Sie sich als Koch noch erfüllen.

Ich bin eigentlich ganz zufrieden, habe viel erreicht und mir einen guten Namen gemacht. Ich möchte einfach meine Küche Schritt für Schritt weiterentwickeln. Aber alles muss im Rahmen bleiben. Abheben ist nicht mein, unser Ding.

Gibt es für Sie auch einen Lieblings-Griechen oder -Italiener? Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Natürlich haben wir auch unsere Stammlokale, die wir an unseren freien Tagen gern besuchen. Dort ist es das Gesamterlebnis, das den Besuch ausmacht. Vor allem auch ein guter Wein muss neben gutem Essen sein.

Was essen Sie selbst am liebsten, und was kochen Sie privat am liebsten?

Ich sage es mal scherzhaft: Ich bin Allesfresser. Einfach und gut zubereiteten Fisch esse ich aber sehr gern. Privat koche ich so gut wie nicht. Dazu habe ich im Restaurant genügend Gelegenheit.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Ich fahre oft mit Kumpels Motorrad und meine große Leidenschaft ist Jazz. Da greife ich hin und wieder auch selbst zum Instrument. Und mit meiner Frau entdecke ich gern Neues und gehe mit ihr auch zu Kollegen zum Essen. Da schaut man schon mal, was andere so auf der Pfanne haben.

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