Dorfstraße 45 - 18347 Ahrenshoop
www.the-grand.de
Die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst war für mich immer der Inbegriff für Traumurlaub. Muss ja nicht unbedingt in der Hochsaison sein, wenn Touristen aus aller Herren Länder die Strände zwischen Dierhagen, Prerow und Zingst buchstäblich bevölkern. Diese Landschaft mit ihrer unverwechselbar rauen, aber charmanten Natürlichkeit lohnt es sich zu allen Jahreszeiten zu entdecken. Deshalb hat es mich öfters in den etwas kühleren Monaten in diese Gegend verschlagen, um Ruhe zu genießen, Kraft zu tanken und unvergessliche Eindrücke mit nach Hause zu nehmen. Meist habe ich dann in Ahrenshoop logiert, wo man gar trefflich auf den Spuren der künstlerischen Tradition des Ortes wandeln konnte und kann.
Dort ist mir am Ortsausgang in Richtung Prerow in bester Lage unmittelbar an der Ostsee ein verfallener Kurhausbau im Stil ziemlich puristischer DDR-Bauten in Erinnerung. Schade, war jedes Mal mein Gedanke, aus dieser verfallenen Hütte müsste man doch wieder was machen können. Das muss irgendjemand geahnt, gehört oder gewusst haben. Denn nach einigen Jahren Fischland-Abstinenz war ich etwa 2013 bass erstaunt, an dieser Stelle einen nahezu gigantischen Hotelkomplex zu entdecken, der heute den bezeichnenden Namen "The Grand Ahrenshoop" trägt. Ich war begeistert. Und das trotz eines kolossalen Betonbaus, der aber durch die architektonisch gelungene Verbindung von Form und viel Glas recht gut in die maritime Landschaft passt.
Der Kontakt zu Oliver Schmidt war, Facebook sei Dank, rasch hergestellt. Der gebürtige Wismarer und auf Poel aufgewachsene junge Mann präsentiert sich in Gestalt eines Hotel-Direktors "neuen Typus": Ein nordisch-bärtiger junger Mann, leger, wallendes Haar und immer mit dem kleinen Mann im Ohr.
Soll heißen: Er ist überall mobil zu erreichen, ohne permanent mit dem Handy in der Hand zu flanieren. Erst recht nicht in der neumodischen Art, das Ding wie eine Butterschnitte auf der Hand vor sich herzutragen. Vor allem aber strahlt er Sympathie, Esprit und Ruhe gleichermaßen aus. Und wie es sich für einen cleveren Direktor gehört, weiß er zu delegieren: Ich werde kompetent durch Haus und Küche geführt, erfahre das, was ich wissen und festhalten möchte.
Das Haus hält in jeder Hinsicht, was es verspricht: Gediegene Gastlichkeit mit hohem Wohnkomfort und besten Aussichten. Die lichtdurchflutenden, geräumigen Zimmer sind vergleichsweise schlicht, aber mit viel Geschmack im Detail eingerichtet. Überall regt sich künstlerisches Streben in Form von eher modernen Gemälden. Dass der Komfort modernen Wohnens nichts zu wünschen übrig lässt, braucht man an dieser Stelle nicht zu betonen. Richtig beeindruckt hat mich darüber hinaus der großzügige Wellness-Bereich mit Pool- und Saunawelt sowie diversen Massageräumen für Frau und Mann. Hier kann man es sich echt gut gehen und die Seele baumeln lassen. Darauf werde ich schon bald zurückgreifen.
Die gastronomischen Bereiche des Hauses ordnen sich stilvoll, aber unprätentiös in das moderne Gesamtkonzept ein. Vom Cafe & Conceptstore (obwohl ich solche neudeutschen Bezeichnungen nicht unbedingt mag) Meeunikat hat man einen berauschenden Blick auf die Ostsee, kann Kaffee, Tee und kleine Speisen genießen. Der Tag kann im Frühstücks-Restaurant Bogislav recht schmackhaft beginnen. Das war früher das eigentliche Restaurant des Hauses. Nun gibt es hier alles, was einen gelungenen kulinarischen Start in jeden Tag ausmacht. Jeder nach seinem Geschmack: Deftig oder süß.
Kulinarisch so richtig zur Sache geht es aber im Restaurant Weitblick, das ein schlicht-dezentes maritimes Ambiente verkörpert. Das Restaurant befindet sich auf dem Dach und bietet samt seiner vorgelagerten Terrasse einen faszinierenden Ausblick auf Wellen, Wind und Meer. Drinnen geht es eher leger und bodenständig zu. Hier erscheint man in Jeans und Pullover, nicht im Anzug oder Smoking. Wobei nichts verboten ist und kein Dresscode vorgeschrieben ist. Genuss ist die einzige Devise, die Michael Vandrey und sein Team ausgegeben haben. Ein ausführliches Interview mit dem Küchenchef zu einer kochenden Philosophie und dementsprechenden Ausrichtung der Küche lesen Sie hier…
Vandrey charakterisiert seine Küche geschmacklich-kompositorisch als Mischung aus verschiedensten Einflüssen. Etwas mediterran. Etwas nordisch. Leichte französische Note. Vor allem aber will er und seine Crew, darauf legt er Wert, kreative Geschmackserlebnisse ohne strenge Rezept-Vorgaben sozusagen „aus dem Handgelenk zaubern“.
Letzteres konnte live erleben, als der Küchenchef so ganz nebenbei einen kleinen Snack mit geflämmten Lachs für mich anrichtete. In Kombination mit Zitrussaft war das eine appetitanregende Sache, die ich mit Baguette und spitzigem Weißwein auch in der Maxi-Variante genießen würde.
Leider blieb mir bei meinem Besuch keine Zeit, eine kleine Menüfolge zu genießen. Deshalb entfielen vorerst die meisten Kriterien meines Geschmacks-Quotienten. Ein aufmerksamer Blick in die Speisenkarte aber verriet mir, dass mich kulinarische Kompositionen erwarten, die so ganz nach meinem Geschmack sind. Allein die Vorspeisen sind echte Versuchungen, die man als komplettes Menü ausbauen könnte.
Vandrey kombiniert beispielsweise Tatar mit Belper Knolle und Nüsslisalat oder Sardelle und Perlzwiebeln. Mediterran geht auch: Da setzt der Küchenchef Jakobsmuschel als Surf-and-Turf-Variation in Szene und kombiniert Kaninchen Croustillant mit Tramezzino, Guacamole und gebeiztem Rote-Bete-Lachs.
Dem stehen die Hauptgänge in nichts nach: Arosiertes Lachsflet, gebratenes Thunfisch-Filet oder soufflierter Heilbutt, Wildfang-Zanderfilet oder „einfach nur“ Garnelen stehen für Köstlichkeiten aus dem Meer. Solche Dinge richtet Vandrey mit Bärlauchgnocchi, Linguine oder Risoleekartoffeln an. Für die notwendige Würze arbeitet er mit Nori Alge, Schwarzwurzeln und Estragon ebenso wie mit Beurre blanc und Kräuterbutter. Als finale Köstlichkeiten kann man Eispraline, Crème brûlée oder Apfel Shooter mit Wodka, Eiweiß, Melonengel und Himbeere ebenso bestellen wie eine deftige Auswahl internationaler Käsesorten.
Das alles, verbunden mit dem nahezu himmlischen Meerblick, macht einen kulinarischen Besuch im Restaurant „Weitblick“ zu einem grandiosen Erlebnis. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass die erste Meerblick-Reihe im „Bogislav“ sich auch für ein stil- und genussvolles Abendessen bestens eignet. Wäre aus meiner Sicht eine lohnende Überlegung. Wohl wissend, dass damit auch (weitere) Kapazitäten gebunden wären.
Man wird es ahnen: Inzwischen hat das seinerzeit aufgeschobene Essen stattgefunden, zu dem mich Hoteldirektor Oliver Schmidt freundlicherweise eingeladen hat. Und ich habe sozusagen als Eigenanteil meine Frau eingeladen, die an diesem Tag einen runden Geburtstag hatte. An dieser Stelle muss angemerkt werden: Wir haben in einer traumhaften „Suite Kurhaus“ logiert, die an Komfort nichts zu wünschen übrig gelassen und einen faszinierenden Blick auf die Ostsee und den Darß geboten hat.
Aber zurück zum abendlichen Menü, das uns von Küchendirektor Michael Vandrey persönlich entwickelt, zubereitet, serviert und erläutert wurde. Er tischte uns auf:
Thunfischsteak
Sesam | Ponzu | Avocado | Schweineschwarte
Tatar von der deutschen Färse
Belperknolle | Erdnussöl | Meersalz
Bouillabaisse
Heilbutt | Mango | Mandel | Kaffeeöl | Rauchsalz
Langustenschwanz
Störkaviar | Tomate
Trilogie vom Kalb
Sellerie | Feldsalat | Trüffel
Rote Beete | Schokolade
Rucola-Quark-Eis
Kürbis-Gewürz-Schaum | Johannisbeeren | Kakao |Amarant
Ich nehme es vorweg: Das Menü war in allen Belangen geschmacklich und kombinatorisch ein kulinarisches Vergnügen. Der junge Küchenchef hat genau das umgesetzt, was er mir im Interview über seine kochende Philosophie berichtet hat. Im Detail eher unprätentiös angerichtet, verpasste er dem bodenständigen Ansatz seiner Speisen eine deliziöse Raffinesse mit überraschenden geschmacklichen Akzenten und Nuancen.
Ich bin sonst alles andere als Thunfisch-Fan, aber sein mit Orange, Limette und Sojasoße abgeschmecktes und mit einer halbreifen Avacado, um den süßlichen Geschmack etwas zu neutralisieren, kombiniertem Steak war ein grandioser Einstieg. Das noch mit knackiger, gesalzener Schweineschwarte zu verbinden war ganz nach Max‘ geschmacklichen Vorlieben.
Das recht Karo einfach angerichtete Tatar hat mir endlich auch einmal Belperknolle auf den Gaumen gebracht. Ich bin nun umso mehr darauf gespannt, auch die Dresdner Berle zu probieren, die der Knolle ähnelt, aber komplett aus Schafsmilch hergestellt wird. Von dem Meersal und dem Öl hätte ich mir einen Tick mehr gewünscht. Aber das ist Max‘ ganz eigener Geschmack und demzufolge nicht zu beanstanden.
Fischsuppe ist meiner Frau immer etwas suspekt, vor allem auch dann, wenn sie als Bouillabaisse bezeichnet wird. Ich habe ihr aber prophezeit, dass sie nicht enttäuscht sein wird. Habe ich doch die etwas dekonstruierte Zubereitung dieser Spezialität geahnt. Die mit Butter aufgeschäumte und durch den vorzüglich gegarten Fisch mit übergeriebenen, fermentierten Mandeln sowie exzellent gewürzte Suppe hatte eine geschmackliche Leichtigkeit, die auch ich so nicht vermutet hätte. Dem schloss sich der in einem Tempura-Teig gebackene Langustenschwanz an. Der dazu gereichte milde Kaviar hatte einen leicht, bitte nicht abwertend zu nehmenden, dekadenten Anstrich, passte jedoch ebenso perfekt dazu wie die überraschend pikante Tomatenmarmelade.
Das Dreierlei vom Kalb erwies sich als Kreation aus Kalbskopf-Croustillant, Kalbsrücken und Kalbsherz. Ersteres war effektvoll in einem Kadaifi-Teig, Stichwort: Engelshaar) in Szene gesetzt und machte seinem knackigen Namen alle Ehre. Der Rücken, sehr schön rosa zubereitet, war für mich etwas kaulastig, aber geschmacklich nicht zu beanstanden. Und das Herz war zum Verlieben. Dazu wieder der leicht dekadente Touch mit den weißen Trüffeln. Ein geschmackliches Träumchen, das durch gebratene Shiitake-Pilze und Feigen trefflich ergänzt wurde.
Für die beiden eher süßen finalen Gänge hatte sich Vandrey ebenfalls geschmacklich-kombinatorische Überraschungen einfallen lassen. Ein Rote-Bete-Sorbet mit einem altenglischen, gezupften Schokoladenkuchen und getrocknetem Jogurt zu liieren, darauf muss man erst einmal kommen.
Uns hat es vorzüglich gemundet. Und Max, der gewiss kein passioniertes Leckermäulchen ist, hat dieses fabelhafte mit Johanisbeeren-Essig abgeschmeckte Eis aus Rucola und Quark „ruck-zuck“ verputzt. Zu allem haben wir uns einen 2017er Riesling gegönnt. Der auf der Karte avisierte Jahrgang 2014 war leider „aus“. Pech gehabt.
Mein, nicht überraschend, kurzes Fazit: Das The Grand Ahrenshoop bietet in jeder Beziehung exzellente Gastlichkeit mit einem umsichtigen, sehr freundlichen und kompetenten Service sowie raffinierte kulinarische Überraschungen, die halten, was man verspricht.
Und das in Traumlage direkt an der Ostsee mit einem faszinierenden Aus- und Weitblick auf einem Ort, der für wechselvolle Geschichte, Kunst und herrliche Natur steht.
Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept
Kategorie: Restaurants - Dezember 2018