The O‘ Room: Köstlicher Genuss am Meer

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The O' Room by Tom Wickboldt

Kulmstraße 33 - 17424 Heringsdorf

www.strandcasino-marc-o-polo.com/oroom

In Heringsdorf kursierten gelegentlich Gerüchte: Tom Wickboldt koche neuerdings in einer Kaufhaus-Kantine, die er bald wieder verlassen werde. Das war Mitte vorigen Jahres. Über diese und andere etwas futterneidisch-reißerischen Parolen konnte ich nur milde lächeln. Denn der Sternekoch, der bis Ende 2016 im nach ihm benannten Gourmet-Restaurant im Romantik Hotel Esplanade in dem Kaiserbad kochte, hat einen mehr als bemerkenswerten beruflichen Ortswechsel vollzogen.


Sein jetziges kulinarisches Domizil befindet sich im ehemaligen Casino unweit der markanten Heringsdorfer Seebrücke. Dort hat die Unternehmensgruppe Pier 14 seit April vergangenen Jahres einen sogenannten Conceptstore der Marke „Marc O`Polo“ eröffnet. Mit der Verpflichtung von Wickboldt als eine Art Küchendirektor für alle fünf gastronomischen  Einrichtungen des neuen Modehauses haben die Verantwortlichen einen guten „Riecher“ gehabt und ein kulinarisches Ass aus dem Ärmel gezogen.

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Es gilt inzwischen als sicher, dass viele Gäste das Haus nur aufsuchen, um Wickboldts Kochkunst nicht zu missen. Mit dem gewünschten Nebeneffekt, dass sie auch auf die Mode aufmerksam und zum Shoppen animiert werden. Denn auch für Marc O`Polo hat der gebürtige Rostocker Jung ein Gourmet-Restaurant konzipiert, das sich „O`Room by Tom Wickboldt“ nennt und durch ein nahezu puristisch-dezentes Ambiente besticht.


Klein, aber fein.  Eher einfaches Mobiliar, helles Holz, bequeme Sitzmöbel, schlichte Gardinen, die den Blick auf die Seebrücke nicht verdecken, den Gast aber auch nicht auf den Präsentierteller setzen. Zum Interieur des Restaurants gehören lediglich sorgfältig ausgewählte, schmückende Accessoires, ein gut gefüllter Weinschrank und ein pfiffig in Szene gesetztes Licht-Konzept, das natürlich vor allem mit einsetzender Dunkelheit zum Tragen kommt.


Vor allem aber „lebt“ das Restauran t von Wickboldts-Küche, der den Michelin-Stern Ende 2017 auch an der neuen Wirkungsstätte auf Anhieb verteidigt bzw. neu errungen hat. Für mich war das keine wirkliche Überraschung. Diese Prognose habe ich ihm und anderen bereits nach der Eröffnung abgegeben und nie daran gezweifelt, dass das nicht eintreten würde.

Ich kenne Tom seit einigen Jahren. Er überzeugt mich als sympathischer, kluger Mann ebenso wie als kreativer Koch mit einer ganz persönlichen Note. Seine Teller sind vom Anspruch geprägt, das Wesentliche der Komponenten zu zeigen und nicht durch artifizielle Spielereien zu zeigen. Das trifft auch auf den Geschmack zu. Wickboldt kocht, so mein Eindruck, mehr intuitiv, aber nicht ohne strukturelles Gesamt-Konzept.


Er praktiziert eine unprätentiöse kulinarische Mischung aus regionalen und internationalen Komponenten. Und er gesteht sich sogar kochenden Mut ein, wenn er Produkte einsetzt, die der Gast in dieser Kombination eben nicht erwartet. In dieser Beziehung setzt er ganz auf nordische geschmackliche Noten, hat aber auch fulminante mediterran geprägte Gänge in seinen Menüs. Für mich sind schon seine Muschel-Safran-Suds (s)ein Markenzeichen. Wo die in dieser Qualität auftauchen, ist Wickboldt dabei.


Und was er zu seiner kochenden Philosophie zu berichten hat, erfährt man im ausführlichen Interview, das ich mit ihm geführt habe. Seine Antworten sind gut strukturiert und klug formuliert. Das trifft nicht auf alle Gesprächspartner seiner Zunft zu. Da muss dann der Journalist in mir ran, um gleichermaßen authentisch wie wohlfeil und verständlich, vor allem aber sachbezogen auszugleichen.

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Das Menü, ich war am frühen Nachmittag im Rahmen meines Interviews mit dem Küchenchef sozusagen exklusiver Gast, hat mir den alten, bekannten, aber auch neue Seiten von Wickboldt gezeigt, der sich virtuos weiterentwickelt hat.


Der Einstieg ist ihm mit einem köstlichen Apero aus Eicreme mit Räucheraal und Kartoffelcrunch, Buchweizenchip mit Schmand und Büsumer Krabben, Sesamcracker mit Aal und Gurke gelungen. Auf den ersten Eindruck gedanklich eher verwirrend, erwies sich diese Kombination als geschmacklich treffsichere Kreation à la Wickboldt. Dem stand en Appetizer aus hausgebackenem Sauerteigbrot mit  Bärlauch, Salzbutter, Wachtelsolei und Kresse in nichts nach.


Das Amuse Bouche wurde mir vom Chef persönlich serviert: Ein Saiblingtatar mit eigenem Kaviar, Sake-Gurke und -Vinaigrette sowie Kalamansi-Gel. Sehr pikant vor allem durch die feinen Säuretexturen.


Als Vorspeise wurden mir mit Boudin noir gefüllte Piroggen auf geschmortem Rinderherz, Apfel, Schmand und Kaviar vom weißen Stör aufgetischt. Die hauchdünnen, leicht cross wirkenden, mit Blutwurst gefüllten Piroggen waren eine nahezu ideale Ergänzung mit dem zarten Kalbsherz und den dezent gewürzten weitern Komponenten.

Im nächsten Gang konnte ich einen lauwarm marinierten bretonischen Hummer mit einer Sauce Bourride, Wildkräutern, Flammenkuchenteig sowie Tomaten und Äpfeln genießen. Geschmacklich ohne Fehl und Tadel. Das galt auch für den Schellfisch in Muschel-Safransud, mit Foccacia, Artischocken und Rouille Ravioli als Zwischengang. Denn da war er wieder, der geniale Safran-Muschel-Sud. Der macht schier süchtig. Ganz Max‘ Geschmack.

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Dass Wickboldt auch Wert auf die ganzheitliche Verwertung seiner Produkte legt, machte mir der Hauptgang deutlich. Auf den Tisch kam ein Usedomer Rehrücken in Portwein pochiert mit  Wacholderbeerjus sowie Rehragout mit Sellerie und Steinpilzen. Alles fantastisch gewürzt und ohne viel Chichi, aber durchaus für’s Auge angerichtet. Das sind die Details, die ein solches Menü zum Erlebnis machen.


Das finale Dessert bestand aus weißer Schokolade mit Kokos und einer Multivitaminkomposition aus Orange, Karotte, Passionsfrucht,  Basilikum- und Limettengel. Mein lieber Tom, das ist eine geschmackliche Granate mit Power und Suchtfaktor. Immerhin, das sagt Max, der sonst eher für fleischliche, gut gewürzte Genüsse bekannt ist. Selbst die Petit Fours habe ich genossen. Das waren köstliche Pralinen und Espresso-Eispralinen.


À la bonne heure, solche Menüs sind zu allen Jahreszeiten eine Reise auf die Insel Usedom wert. Und Wickboldt ist, da widerspreche ich meinem Kollegen Bernd Matthies vom Berliner „Tagesspiegel“ ausnahmsweise mal, nicht nur der „wohl“, sondern der definitiv beste Koch der Insel. Man möge mir einen nennen, der ihm in Sachen Handwerk, Kombination und Kreativität das Wasser reichen kann. Damit ist nicht die Ostsee gemeint…


Recht hat Matthies aber, dass einen die Musik vom Restaurant durch das ganze Haus bis in die vom Angebot her sehr empfehlenswerte Vinothek und auf die Toilette im Untergeschoss verfolgt. Das wird zumindest im Restaurant als störend, weil auch von der Auswahl weitestgehend unpassend, empfunden. Das im besten Sinne des Wortes abzustellen, sollte doch machbar sein.


Meine Einschätzung: Tom Wickboldt gehört zu den besten Köchen an der Ostseeküste. Seine Küche zeichnet sich durch exzellenten Geschmack, kompositorische Kreativität und durch eine gestalterische Handschrift des Kochs aus, die einfach wohltuend ist und den Gast auch visuell nicht überfordert. Wickboldt ist immer wieder für kulinarische Überraschungen gut und wird weiter von sich reden machen. Zumal er im Hause Marc O` Polo beste Voraussetzungen hat, seine Vorstellungen von moderner, weltoffener und ungezwungener Küche umzusetzen.


Anmerkung: Da ich bei meinem Besuch nicht den regulären Service des Restaurants erleben konnte, habe ich diesen Bestandteil meines MGQ vorerst herausgelassen.

  • 95.8%
    Max’ Geschmacks Quotient (MGQ)

Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf 
Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept

Kategorie: Spitzengastronomie

  • Angebot 95%
  • Geschmack 97%
  • Präsentation 97%
  • Preis-Leistung 96%
  • Service 0%
  • Ambiente 94%
  • Konzept 96%

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