Jahrgang 1967, in einer Beziehung lebend, Gastgeber und Küchenchef im Landhaus Stricker in Tinnum auf Sylt.
Nach seiner Ausbildung als Koch zog er nach einigen Arbeitsjahren nach Sylt, wo er erstmals im Landhaus Stricker arbeitete. Seine weiteren beruflichen Stationen waren das Hotel Atlantic in Hamburg und die renommierten Petermanns Kunststuben in Zürich. 1992 übernahm er die Leitung der Küche in Tappes Restaurant im Walters Hof in Kampen. Im Restaurant Veneto im Hotel Windrose in Wenningstedt erkochte er im Jahr 2000 seinen ersten Michelin-Stern. Ein Jahr später zog es ihn wieder ins Fünf-Sterne-Superior Landhaus Stricker, das er fortan als Küchenchef und Gastgeber leitet. 2011 wurde das Hotel Mitglied der Vereinigung Relais & Chateaux. Seit 2013 ist Holger Bodendorf Grand Chef, einer von nur 160 Küchenchefs aus 5 Kontinenten.
Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen und kulinarischer Genuss im Besonderen?
Genuss ist für mich, Zeit für mich zu haben, einfach die Seele baumeln zu lassen und an nichts denken zu müssen. Kulinarischer Genuss ist für mich unbeschwertes Essen mit Freunden. Dann wird zwanglos alles auf den Tisch gestellt und ganz einfach angerichtet.
Wie beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?
Mein Credo ist: kreativ & ehrlich. Das bedeutet, dass ich frische Produkte von bester Qualität sorgfältig und authentisch zubereite. Dazu gehört für mich auch, die Zutaten mit einer Prise Fantasie und einem Hauch Perfektion zu verfeinern, um die Aromen optimal herauszuarbeiten.
Das klingt ziemlich einfach. Aber es gehört wohl ein wenig mehr dazu?
Na ja, Freude an der Weiterentwicklung der eigenen Arbeit gehört dazu. Denn das ist das Salz in der Suppe. Man muss aber nicht ständig neuen Trends hinterher jagen, sondern die einzelnen Substanzen so kombinieren, dass Genuss und Abwechslung sowie Spaß am Neuen vorhanden sind. So kann das Kochen nach eigenem Gusto neu gelebt und erlebt werden. Für beide Seiten: den Koch und den Gast.
Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihres Restaurants in einem Satz?
Wir bieten alles, was man in einem Gourmetrestaurant erwartet: beste Produkte, die man in Europa kaufen kann. Regionalität spielt dabei keine Rolle und ist nicht gefragt. Wer regional essen möchte, muss das Restaurant wechseln und vom "BODENDORF'S" ins "SIEBZEHN84" gehen.
Anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?
Ganz einfach: Die Zutaten müssen frisch und von bester Qualität sein. Die Verarbeitung authentisch und kreativ zu gleich. Die Präsentation muss das Genusserlebnis unterstützen.
Sylt hat eine anspruchsvolle kulinarische Klientel, aber auch ein sternenreiches gastronomisches Angebot. Was muss man sich einfallen lassen, um in diesem kulinarischen Orchester eine Rolle zu spielen?
Wissen Sie, Sylt wartet mit sieben Sternerestaurants auf, und jeder kocht anders. Man muss einfach einen blitzsauberen Job abliefern. Deshalb ist unser Gourmetrestaurant auch nur dann auf, wenn ich persönlich anwesend bin. Das ist ein eherner Grundsatz.
Soll auch heißen, welche Alleinstellungsmerkmale sehen Sie für sich, was andere Häuser zu bieten haben? Sowohl in kulinarischer als auch in gastgeberischer Hinsicht.
Das ist schwierig zu beantworten. Alle meine Kollegen sind produktversessen. Und ich mache nicht unbedingt etwas, was andere nicht machen. Insofern kann das Alleinstellungsmerkmal nur Kreativität heißen. Aber das unterscheidet uns nicht.
Sie haben offensichtlich ein Faible für mediterran ausgerichtete französische Küche. Wie setzen Sie die in Kombination mit regionalen Einflüssen um, die ein Gast auf der Insel durchaus erwartet?
Wissen Sie, man muss nichts weglassen, sondern dem Gast mit einfachen Mitteln ein kulinarisches Erlebnis bieten. Da kommt es eben auf die Kombination beispielsweise mit asiatischen Aromen an. Ich verwende ausschließlich hochwertige Produkte, arbeite viel mit Olivenöl, aber auch Sahne und bereitem alles leicht und mediterran zu. Da kann man eben den Steinbutt mit Artischockencreme aus Poweraden, Tomatenchutney und einem Tomaten-Basilikum-Fond kombinieren. Solche Dinge weiß der Gast zu schätzen.
Wie wichtig ist Ihnen überhaupt, dass sich auf Ihrer Karte auch die norddeutsche Region widerspiegelt?
Ich wiederhole mich: Im Gourmetrestaurant spielt das keine Rolle. Aber auf dem Frühstücksbuffet und im Restaurant "SIEBZEHN84" finden Sie sehr wohl eine Vielzahl regionaler Produkte.
Wenn ein Gast sich außerhalb der Karte eine Art Überraschungsmenü mit ausgeprägt regionalen Akzenten wünscht, was würde Ihnen da spontan für ein 4-Gang-Menü einfallen?
Sie können Fragen stellen (schmunzelt). Wie wäre es mit überbackenem Matjesfilet, einem Steinbeißer mit Gartengurken, Sylter Lammhaxe mit geschmorter Topinambur sowie gebackene Zwetschgen im Mascarponeschaum?
Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Karte(n)?
Im Gourmetrestaurant zählt vor allem die Saisonalität mit höchster Produktqualität. Im "SIEBZEHN84" wird alles aufgetischt, was der Lieferant anbietet. Bei der Umsetzung in die einzelnen Gerichte kommt es auf die Kreativität und den Einsatz der gesamten Mannschaft an.
Sie sind quasi Ihr eigener Chef. Legen Sie sich Beschränkungen beispielsweise monetärer Art auf, wenn es um Ihre kulinarische Kreativität geht? Soll auch heißen, entwickeln Sie Gerichte über den Preis oder über die kulinarische Komposition an sich?
Man muss schon rechnen, oft auch mit der spitzen Nadel. Daran führt kein Weg vorbei. Aber man drückt im Gourmetbereich beim Preis auch oft mal ein Auge zu und gleicht über Mischkalkulation aus mit den anderen Restaurants und dem Catering aus.
Wie stehen Sie zu der oft geäußerten Meinung aus dem Koch-Milieu, dass das Essen in Deutschland meist nicht als Genuss, sondern eher als profane Nahrungsaufnahme verstanden wird. Motto: Viel und preiswert. Muss die Tendenz nicht eher zu mehr Genuss-Bewusstsein und damit zu höheren Preisen gehen?
Ich kann diese Aussage nur bestätigen. Auswirkungen in meiner Kategorie hat das aber nicht, denn die Gäste machen durchaus auch neue Dinge gern mit, um Genuss zu haben. Aber grundsätzlich, da haben Sie recht, sollte ein Umdenken in Richtung Klasse statt Masse erfolgen.
Ihre Website verkörpert schlichte Eleganz, Ihr zauberhaftes Kochbuch "Eine Prise Sylt" verkörpert eine, wie ich in einer Kolumne schrieb, "fast demütige Bescheidenheit". Kokettieren Sie mit diesem Eindruck, oder ist das Ihr Credo? Norddeutsch, bodenständig, offen...
Schauen Sie mich an: ich "bin" norddeutsch, bodenständig und offen. Und ich habe Leute um mich, die mich auf dem Boden halten. Hier bin ich primus inter pares, also ein Teil des Ganzen.
Hinterfragt: Wie viel Sylt steckt in Ihrer "Seele", was verbindet Sie mit der Insel und den Möglichkeiten, sie dem Gast im besten Sinne des Wortes schmackhaft zu machen?
Sylt ist geliebt und gehasst zugleich. Ich bin vor weit über 20 Jahren auf die Insel gezogen, weil ich hier den oft schon anstrengenden Job so bewältigen kann, dass ich entspannt bin und einen körperlichen und geistigen Ausgleich finde.
Ergänzend: Sie setzen sich auf Fotos gern in sehr ansprechende Pose. gehört das zu Ihrer Philosophie, die "Marke Bodendorf" zu etablieren und visuelle Zeichen zu setzen. Soll auch heißen, wie bodenständig ist der Bodendorf nach innen und außen?
Die "Marke" heißt: Holger Bodendorf "persönlich". Das ist mir ganz wichtig. Und es schafft auch Identität und Gästebindung.
Hand auf's Herz: Kommt Ihre Küche ohne "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?
Kurz und bündig: Verstärker und Convenience-Produkte brauchen wir nicht.
Ihre Karte weist manche kulinarische Rarität auf, die nicht aus der Region stammt. Woher beziehen Sie solche Produkte und solche einheimischen wie Gemüse und Fleisch?
Unsere Lieferanten sind die in der Branche üblichen.
Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?
Man muss die Region unterstützen. Deshalb ist der Kontakt zu und die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern schon sehr wichtig. Und sie ist auch wichtig, um neue Produkte ins Haus zu bekommen und kreativ verarbeiten zu können.
Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche? Ist der Begriff Gourmetküche überhaupt noch zeitgemäß, oder sollte man sich diesbezüglich nicht mal etwas neues einfallen lassen.
Aus meiner Sicht ist der Begriff Gourmetküche nicht mehr zeitgemäß. Wir beiten in beiden Restaurants Gourmetküche, aber mit unterschiedlicher Ausrichtung. Gourmet kann auch eine gut zubereitete Ente oder ein deftiges Gulasch sein.
Was ist für Sie Gourmetküche überhaupt, wie definieren Sie sie?
Gourmetküche gibt es für mich nicht. Es gibt nur eine Küche von Holger Bodendorf, die eine etwas ausgefallener, die andere etwas spontaner.
Hinterfragt: Ist Gourmetküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?
Kochen ist Handwerk und keine Kunst. Die besteht höchstens im Veredeln der Zutaten.
Woraus schöpfen Sie im Übrigen die Inspirationen für Ihre Menüs und Gerichte? Lesen Sie viel in Kochbüchern, schauen Sie sich von Kollegen ab...? Sind Sie einer, der aus dem Kopf oder Bauch heraus kocht?
Ich "schöpfe" aus allem, was mir begegnet und auch aus eigenem Erleben. Man muss deswegen aber nichts kopieren. Wir entwickeln hier übrigens alles im Team. Dazu gehört eine neue Karte ebenso wie die Verarbeitung zu bestimmten Gerichten.
Was halten Sie von kulinarischen Auszeichnungen allgemein?
Rankings sind gut und bieten dem Koch wie dem Gast eine Orientierung. Und sie schaffen auch Respekt vor der Arbeit der Köche.
Stichwort Michelin & Co: 18 Punkte bei Gault Millau, ein Stern bei Michelin. Ist da nicht irgendwann der zweite Stern fällig? Soll auch heißen, fühlen Sie sich von Michelin unterbewertet?
Wir sind sehr gut bewertet und werden dran bleiben, bis wir den zweiten Stern bekommen. Ich bin da aber insgesamt sehr entspannt und nicht neidisch. Wenn der Nachbar besser ist, besser bewertet wird, muss ich mich eben anstrengen.
Können Sie nachvollziehen, warum aktuell einige Köche freiwillig auf den Stern verzichten? Wäre das jemals ein Option für Sie?
Ich kann den Verzicht nachvollziehen, beispielsweise wenn man sein gastronomisches Konzept ändern will. Und das könnte sehr wohl auch für mich einmal eine Option sein.
Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?
Ich bewundere viele Kollegen, die exzellente Köche und sympathische Menschen sind. Da möchte ich keinen herausheben.
Was halten Sie von Kochsendungen aller Couleur? Gibt’s da auch Dinge, die die Welt nicht braucht?
Sie haben den Berufsstand des Kochs schon aufgewertet und das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher gestärkt.
Wie viel Entertainer muss heute in einem Koch stecken, ohne in Klamauk zu verfallen?
Ich meine nicht, dass ein Koch Entertainer sein muss. Aber mit den Gästen sprechen muss er schon. Die Wahrheit jedoch liegt immer noch auf dem Teller.
Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?
Ich habe keinen Traum. Ich habe ein traumhaftes Hotel und es wird in meinem Leben noch viel passieren. Das lasse ich auf mich zukommen. Außerdem habe ich das Privileg, zu tun, was mir wirklich Spaß macht.
Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?
Ich fühle mich am wohlsten an großen Tischen mit dem Essen in der Mitte. Und ich schenke mir meinen Wein gern selbst ein. Zum Wohlfühlen gehören auch freundliche, sympathische anderen Gäste.
Was essen Sie selbst am liebsten, und was kochen Sie am liebsten?
Die Rinderroulade von meiner Mutter. Hinsichtlich des Kochens tue ich das, wonach mir gerade der Sinn steht.
Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?
Ich habe zwei Harleys, treibe Sport wie Golf und halte mich regelmäßig fit. Und ich gönne mir jedes Jahr eine Kochzeit auf der MS Europa.