Im Interview: Stefan Zeisler – ein Koch mit ganzheitlichem Anspruch

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Stefan Zeisler

Jahrgang 1981, verheiratet, 1 Kind.

Seine Lehre absolvierte er in Klink, bevor er auf kulinarische Wanderschaft und bei Johann Lafer auf der Stromburg, auf der MS Deutschland und der Sea  Dream I, in Österreich u.a. im Thurnher's in  Zürs, auf Mallorca und in Irland sowie im Savoy in London sowie in der Yachthafenresidenz Hohe Düne in Rostock-Warnemünde kochte. Er ist als Absolvent der Hotelfachschule in Heidelberg Küchenmeister und staatlich geprüfter Gastronom. Seit 2014 war er Küchenchef im Hotel und Restaurant Fackelgarten in Plau am See. Im März 2016 hat er gemeinsam mit Ehefrau Anja ein eigenes Restaurant „Zeislers Esszimmer“ in Plau am See eröffnet.

Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen abseits kulinarischer Freuden?

Die gemeinsamen Stunden in der Familie bereiten mir ebenso viel Freude, wie Bergsteigen und Angeln.

Und wie beschreiben Sie kulinarischen Genuss?

Diesbezüglich habe ich einen ganzheitlichen Anspruch. Der reicht vom Auge und Gefühl über den Geschmack, bis hin zur kulinarischen Optik und zum Ambiente. Es muss eben alles passen.

Sagen Sie ein bitte paar Worte zu Ihrer kulinarische "Philosophie"?

Ich halte es stets so, dass ich nur meine eigenen Produkte kreiere. Das heißt im Umkehrschluss, dass ich nichts koche, was ich nicht selbst machen kann. Das nenne ich dann "Mehrwert statt (nur) Nährwert". So versuche ich auch ein gewisses kulinarisches Bewusstsein zu vermitteln und Essen neben der reinen Nahrungsaufnahme in einen kulturellen (ganzheitlichen) Kontext zu setzten.

Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihres Restaurants in einem Satz?

Wild-kreatives Durcheinander. Das heißt für mich aber auch: Verantwortungsvolles Kochen mit regionalen Produkten und dem Blick über den regionalen Tellerrand

Sie setzen sich dem Anspruch aus, saisonal-regionale Küche zu bieten. Ist das, provokativ gefragt, mehr Slogan oder tatsächlicher Anspruch?

Mit der Regionalität ist es so eine Sache. Koche ich nun regional, weil ich Straußenfleisch direkt von einer Farm in MV beziehe und der Spargel sowie die Kartoffeln, die wir unseren Gästen servieren nur ein paar Fahrminuten vom Esszimmer entfernt wachsen?  Wie dem auch sei, wir werden weiter in der Region auf die Suche nach tollen Produkten gehen.

Oder anders gefragt: Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?

Ich sage es mal thesenhaft: selbst kreiert und gemacht, frisch, kreativ, authentisch, ehrlich, abseits der kulinarischen Hauptstraße... Sie können mir glauben, das sind keine Floskeln für mich.

Hinterfragt: Wie setzen Sie diesen Anspruch in praxi um?

Ich bin immer auf der Suche nach neuen kulinarischen Ansätzen und wage auch sehr raffinierte geschmackliche Produktkombinationen.

Sie gelten als sehr kreativer und experimentierfreudiger Koch. Verstehen Sie sich eher als Künstler oder als Handwerker?

Sicher bin ich kreativ, aber der Handwerker hat schon Vorrang. Erst einmal muss man die Grundtechniken perfekt beherrschen. Dann folgt mit der Optik der künstlerische Aspekt meiner Arbeit. Mein Kredo an dieser Stelle ist wenn das Fundament nicht steht wird das Haus bald in sich zusammenfallen.

Soll auch heißen, wie wichtig ist Ihnen traditionelle Küche?

Ich kenne und schätze die Grundrezepte der traditionellen Küche. Die stelle ich in einen zeitgemäßen kulinarischen Kontext und hoffe, dabei nie den spirituellen Witz zu verlieren und setze immer auf geschmackliche und optische Überraschungen.

Was zeichnet Ihre Küche zu vergleichbaren Angeboten im kulinarisch Umfeld aus? Worin wollen Sie sich bewusst unterscheiden?

Ich versuche nicht die Bodenhaftung zu verlieren und Mitarbeiter und Gäste mit zu nehmen auf eine spannende Reise. Soll heißen, das ich sehr oft den direkten Gästekontakt suche und sowohl Lob als auch konstruktive Kritik sofort in mein weiteres Handeln einfließen lasse. Jeder Mitarbeiter wird ermutigt auch eine gewisse Handschrift zu entwickeln und nicht stur mein Schema F ab zu arbeiten.  

Wie vereinbart sich Ihr kulinarisches Angebot mit der vorwiegend touristisch-geprägten Klientel?

Das ist nun mal der Job des Küchenchefs auf gewisse Situationen angemessen zu reagieren. Das heisst, im Sommer die Laufwege und Handgriffe zu minimieren ohne dabei die Qualität herunter zu setzten und im Winter neu zu entwickeln und etwas gewagter und umfangreicher zu kochen. Davon profitiert nicht zuletzt die nächste Saison denn da finden machbare Gerichte den Weg auf die Karte.

Soll auch heißen, gibt das Umfeld wirtschaftlich überhaupt einen gehobenen Anspruch her?

Ja und es wird eher mehr als weniger. Viele Gäste besinnen sich auf Qualität zu einem angemessenen Preis statt einer gewissen Form von Touristenabzocke.

Setzen Sie mit Ihren Gerichten und Menüs im Detail auch internationale Akzente, oder stellen Sie bewusst und konsequent auf die regionale Karte?

Ich setze meist ein Zusammenspiel vieler Komponenten um, die auch internationale Einflüsse zur Geltung kommen lassen. Begriffliche und geschmackliche Einschränkung ist mir dabei eher suspekt.

Inwieweit räumen Sie dem Gast ein,  (s)ein Menü zusammenstellen?

Im Rahmen der Möglichkeiten sind wir zu jeder kulinarischen Schandtat bereit und gehen sehr individuell auf Gästewünsche ein.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisen?

Ich entwickle erst das Gericht und prüfe dann, in welchem Rahmen es wirtschaftlich umsetzbar ist. Was nicht geht, wird verworfen oder neu konzipiert.

Alle Welt redet von saisonaler Frischeküche. Wie setzen Sie solche Prämissen ganz unspektakulär um?

Ganz einfach: Die Saison gibt die Akzente vor und es wird gemeinschaftlich besprochen, was man daraus kreativ entwickeln kann.

Wie leben Sie als Küchenchef Ihre kreative Ader als Koch aus? Legen Sie sich Beschränkungen beispielsweise monetärer Art auf?

Es gibt kein striktes "Nein". Entwickelt und verwirklicht wird nur gemeinsam, was ins Konzept passt und wirtschaftlich Sinn macht.

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Diese Frage braucht man mir nicht zu stellen. Die Natur selbst ist der Geschmacksverstärker. Und wenn das Produkt nicht schmeckt, nehme ich es nicht. Im Übrigen bereiten wir alles selbst zu.

Woher beziehen Sie Ihre Produkte? Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Wichtig ist es schon, nur nicht immer wie gewünscht umsetzbar. Aber wir arbeiten mit regionalen Bauern und Fischern zusammen. Den Rest liefert der qualitativ gut bestückte Großhandel.

Definieren Sie sich im Detail auch über den Begriff Gourmet-Küche? Was gehört aus Ihrer Sicht dazu?

Über Gourmetküche definiere ich unsere Arbeit nicht. Wir können es und werden einem gehobenen Anspruch gerecht. Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem, dass man seine Küche auf einem durchgehend anspruchsvollen Level hält.

Wie kann der Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmet-Küche aussehen?

Ich denke das Produkt muss im Mittelpunkt stehen und das Konsequent. Optik und Beiwerk sollten zwar nicht vernachlässigt werden aber eine untergeordnete Rolle spielen. Vor allem ist Kern der Sache die Authentizität. Kurz Zeislers Esszimmer.

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Gegenfrage: Haben Sie auf das "Muss" schon einmal ein "Ja" erhalten? Auch ich sehe den Stern nicht als Alleinstellungsmerkmal für Spitzenküche an. Ein Spitzenkoch ist für mich einer, der es versteht, Handwerk und Technik kreativ einzusetzen und so den Gast zu verzaubern.

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Ist ein Stern ein Ziel Ihres kulinarischen Schaffens?

Der Stern ist generell nicht mein Ziel, weil man dann zu vielen Schwankungen und Zwängen unterworfen ist. Oder anders gesagt mir steht einfach kein Korsett.

Wie viel Entertainer muss ein Koch heutzutage sein?

Man muss schon auf den Gast zugehen und ein gutes Maß extrovertiert sein. Ich bin auch oft im Restaurant und zeige mich, nehme Kritik ebenso entgegen, wie Lob. Und im Detail erkläre ich meine Küche auch.

Was halten Sie von der aktuellen Flut von Kochsendungen aller Couleur?

Für den  Berufsstand ist es insofern gut, dass auf Ihn aufmerksam gemacht wird. Aber die Sendung muss mehr Bildung denn Show sein. Streichel- und Kasperköche sind nicht mein Ding. Ein Koch muss abseits von Klamauk ein echter Typ sein.

Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens? Mit welchem Koch würden Sie selbst gern einmal zusammenarbeiten?

Ich habe keine großen Vorbilder. Aber Johann Lafer hat mich schon sehr geprägt. Und vor der Kochkunst eines Auguste Escoffier ziehe ich auch heute noch den Hut.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Den Größten erfülle ich mir gerade gemeinsam mit meiner Frau in Zeislers Esszimmer. Irgendwann möchte ich aber noch ein Buch schreiben, das sich auf die Welt der Gastronomie, nicht so sehr auf Gerichte und Rezepte, bezieht.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Es darf nicht kalt aussehen und muss Atmosphäre ausstrahlen. Und es muss zu spüren sein, dass der Gast willkommen ist. Nicht das Restaurant, sondern der Gast soll zelebriert werden.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Meine Hobbys, das hatte ich an anderer Stelle schon angemerkt, sind Angeln und Bergsteigen. Kochen spielt aber zu Hause auch eine große Rolle. Aber da koche ich anders, auch mit einem komplett anderen Gefühl.

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