Restaurant „Schürers Tafelhaus“: Kulinarische Oase im Fachwerkhaus

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Restaurant "Schürers Tafelhaus"

Schillerstraße 6 - 71522 Backnang
www.restaurant-tafelhaus.de

Drauf gestoßen bin ich, wie könnte es anders sein, über das Internet. Und habe gedacht: Wie kann ein gebürtiger Sachse in der verwöhnten kulinarischen Hochburg Schwaben "modern schwäbisch" kochen? Das kann der ja nicht mal schwäbisch aussprechen. Und zudem will er das Ganze noch mit asiatischen und mediterranen Einflüssen kombinieren. Na ja, wer angibt, hat mehr vom Leben. Diese heimtückischen Gedanken haben sich aber schnell als Irrtum vom Amt, sprich: meines Oberstübchens, erwiesen. Denn was Lars Schürer und sein Team im "Tafelhaus" in Backnang, auf halbem Weg zwischen Heilbronn und Stuttgart anbietet, ist allein schon vom Lesen ein Genuss für alle Sinne. Soll auch heißen, dass mir schnell klar wurde: dort musst du hin.


Dass das Yvonne und Lars Schürer aus meiner Heimat, dem Erzgebirge stammen, habe ich aber eher erst zufällig im Nachhinein festgestellt. Obwohl: So ganz koscher kam mir das Schürer'sche schwäbisch nicht vor. Beide jedenfalls stammen genau genommen aus dem Erzgebirgsvorland, so viel regionale Korrektness muss sein. Erzgebirge fängt erst in Aue an... Auf den privaten Geschmack gekommen sind beide aber wohl im Hotel am Ebnisee, wo Yvonne als Restaurantfachfrau, Lars als Koch arbeitete. Und pfiff'sch wie die Rand-Erzgebirger nun mal sind, haben sie ihr Glück auch in jeder Beziehung schnell in die Hand genommen und sich in Schwaben gastronomisch etabliert. Kulinarische Unterwanderung nennt man das wohl.

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So, Spaß beiseite, Lars komm her: Der begrüßt mich bei meiner Ankunft freundlich aus der Küche. Der hat mich gleich erkannt. Kein Wunder bei dem markanten Facebook-Gesicht. Und ganz der Würde seines gastlichen Hauses bewusst, sucht er mir im stilvollen Gewölbekeller einen Tisch mit Überblick aus.


Ehe ich mich aber umschauen oder auf mein iPad schauen kann, um mich zu informieren, was die virtuelle Welt bewegt, serviert er mir schon eigenhändig eine sehr delikate Vorspeise. Die erwies sich als effektvoll, zugegeben ein wenig grenzwertig artifiziell, angerichteter mit Limette gebeizter Lachs, roh eingelegtem Spargel mit würzigem Wasabischaum und Apfel-Tapioka. Echt geil, kann ich nur sagen. So stelle ich mir essbare Landschaften vor. Ein tolles Geschmacksspiel aus Säure und pikanter Schärfe. Ganz nach dem Geschmack meines Vaters Sohn.


Dem schloss sich ein rosa Rehnüsschen, kombiniert mit diversen Interpretationen von der Karotte, Wurzelgemüse und Gerstensaft (nein, kein profanes Bier, sondern Sauce) an. Da kann man nicht meckern, würde nicht nur der Sachse sagen. Das Fleisch auf den Punkt gegart auch sowas von zart. Das Reh möchte ich gern mal als zweibeinige Ausgabe mit High Heels kennenlernen. Na gut, olle Kamelle, kommt aber als Vergleich immer wieder gut rüber.


Danach ist endlich Zeit für Bewegung und Sightseeing angesagt. Die Schürers haben sowohl bei der Ausgestaltung von Gewölbekeller und Gerberstüble als auch im Loungebereich viel Geschmack und Sinn für das schöne Detail bewiesen. Hier stimmt einfach alles. Chapeau an die Service-Chefin. Das hat gestalterisch Hand und Fuß. Auch der Außenbereich vor dem Fachwerkhaus im Stadtkern von Backnang kann sich sehen lassen. Hier kann man neben essen und trinken auch Studien von Land und Leuten betreiben.


Zurück in die Küche, das Reich von Lars Schürer. Wie sagt man, das ist so eine transparente Panorama-Küche. Also von außen einsehbar. Das ist gut, denn dann kann der Koch mit seinem Faible für asiatische Küche nicht versehentlich eine Katze oder einen Hund buchstäblich in die Pfanne hauen, oder als Mousse verarbeiten. Nein, das nehme ich zurück: Was Schürer und seine Küchenmannschaft kreieren, hat in jeder Hinsicht Niveau und geschmackliche Vielfalt.

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Wie auch im Interview mit dem Küchenchef deutlich wird, setzt Schürer auf differenzierte Angebote zum Mittag und Abend. Der Mittagstisch dienstags bis samstags bietet eine breite Palette ebenso schmackhafter wie preiswerter, nicht zu verwechseln mit billig in jeder Auslegung, Gerichte. Der mittägliche kulinarische Renner ist auch das dreigängige sogenannte "Menu de Jour" samt Wasser und Espresso.


Auf der Abendkarte stehen sehr anspruchsvolle Menü-Empfehlungen mit regionalen sowie Fisch- und jahreszeitlichen Gängen. Dabei beweist der Maître auch eine gewisse kulinarisch-prosaische Ader. Sein Frühlingsmenü beispielsweise läutet er mit einem "Waldspaziergang von Sulzbach bis Welzheim" ein und lässt Schinken mit Bärlauchknospen, Honig-Essigschaum, Hafer und Radieschen mit Wildkräutern anrichten. Nicht minder verführerisch sind die a la carte Angebote und natürlich die schwäbischen Klassiker wie "Roscht- oder Sauerbrade" oder Schweinefilet mit Spätzle. Aber immer mit dem gewissen Pfiff modernen Kochens. Hat Schürer versprochen. Hält er auch. Das lässt auf eine gute Herkunft schließen.

Wenn man dann noch einen Blick in Lars Schürers Kochschule werfen darf, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Alter Sachse, da schlägt's di nieda...", würde der Bayer sagen. Da steht in einem Raum mit Sicherheit mehr als im Wert von mehreren Mittelklassewagen. Ach, was sage ich, das ist kochtechnische Oberklasse der Superlative. Und er nennt es ja auch nicht ohne Berechnung "SinnReich". Da können und Mann sich kulinarisch so richtig ausleben. Und erhalten von Lars Schürer eine Menge kochhandwerklicher Fertigkeiten vermittelt. Der Mann hat dafür auch, den Eindruck habe ich während unserer Gespräche erhalten, die entsprechenden eloquent-einfühlsamen Fähigkeiten.


Warum er allerdings im "SinnReich" solche grässlichen anglizistischen Begriffe wie Eventlocation, Teambuilding und Afterwork Kochkurs verwendet, muss ich ihn unbedingt nochmal fragen. Letzteres stelle ich mir gerade eingedeutscht vor. Leute: besinnt euch auf die vielfältigen Möglichkeiten der deutschen Sprache. Das sprachliche Gräuel fängt beim inflationär gebrauchten Wort "lecker" an und hört mit der After-Arbeit auf...


Die Website des Tafelhaus könnte trotz übersichtlicher und sinnvoller Struktur etwas Straffung vertragen. Da wird en Detail offensichtlich versucht, in die einzelnen Seiten viel hineinzupacken und die tausend bunten Buttons lenken eher vom Wesentlichen ab. Hier sind leicht zu überschauende Informationen gefragt. Weniger ist nicht nur in dieser Hinsicht mehr. Man sollte sich vieleicht am filigranen Logo des Hauses orientieren und, wie beispielsweise auf der Startseite, weniger mit vielen kleinformatigen Fotos arbeiten. Das kann man in einem Galerie-Bereich besser an den Internet-Nutzer bringen.


Das war es aber auch schon, was ich zu meckern habe. Uneingeschränkt gut, und darauf kommt es ja wohl an, ist im Tafelhaus auf jeden Fall das gastronomische Angebot. Schürers kulinarische Kreativität ist beachtlich und macht Lust auf die nächste Einkehr. Wenn ich wiederkomme, werde ich es mir im Gerberstüble gemütlich machen und mich durch die regional-typischen Angebote schlemmen. Wetten, dass es auch dabei wieder geschmackliche Überraschungen gibt?


Nachtrag: Die Restaurant-Namen wurden inzwischen angepasst. Es gibrt jetzt den Gewölbekeller und die Gewölbekeller-Kochschule, die Lounge und das Gerberstüble.

  • 93.5%
    Max’ Geschmacks Quotient (MGQ)

Der MGQ ist der Quotient aus der Summe der Einzelbewertungen in Bezug auf 
Angebot / Geschmack / Präsentation / Preis-Leistung / Service / Ambiente / Konzept

Kategorie: Restaurants

  • Angebot 93%
  • Geschmack 93%
  • Präsentation 92%
  • Preis-Leistung 94%
  • Service 0%
  • Ambiente 95%
  • Konzept 94%

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