Ich komme kulinarisch viel herum. Da kann von Fasten nicht wirklich die Rede sein. Ich genieße überall regionale und internationale Spezialitäten in Restaurants unterschiedlichster Kategorien. Wobei ich kreative Umtriebigkeit sehr schätze. Fasten aber bringt mich auf Ostern, das uns bald ins Haus steht. Da hört die Diät- und Bußzeit bekanntlich auf, die auch auf innere Besinnung abgestellt ist.
Esstechnisch gesehen hat diese Zeit damit zu tun, dass man mittwochs und freitags kein Fleisch essen sollte. Jesus soll schließlich an einem Mittwoch verraten und an einem Freitag gekreuzigt worden sein. Weil aber Appetit schlimmer als Heimweh ist, ich kenne das „flüssig“ auch anders, haben sich die Schwaben etwas Besonderes einfallen lassen: Die Maultaschen. Die werden im „Ländle“ auch „Herrgottsbscheißerle“ genannt, weil man das Fleisch in der Umhüllung nicht erkennen kann.
Ich habe dieses Dinger zum fressen gern und Rainer Wolter aus Krugsdorf bei Pasewalk nach der optimalen Machart des Teigs gefragt. Der Koch stammt aus Rastatt, bezeichnet sich als badischen Schwaben und muss es also wissen: Für den Teig nimmt man etwa ein halbes Pfund Mehl vom Typ 00, 405 oder Spätzlemehl, zwei große Eier, etwas Salz und vier Eierschalen lauwarmes Wasser. Alles gut vermengen und kneten, danach ruhen lassen. Gut Ding will ja Weile haben.
Ausgerollt wird der Teig dünn auf Mehl. Dabei darf der Mehlbesen nicht fehlen, denn alles, was am Teig haften bleibt, mindert die nötige Geschmeidigkeit, zumal hier ohne Öl gearbeitet wird. Auf den Teig kommt nun die Füllung, alles einschlagen und mit einem Kochlöffel in gleich große Stücke trennen, danach abschneiden. Nicht vergessen werden darf das Einpinseln mit Eigelb. Dann rein in den Topf mit kochender Brühe, Temperatur runter, etwa 10 Minuten garen und abtropfen lassen.
Der Teig samt dem Kochen ist die Pflicht, die Füllung aber die Kür. Junge, Junge, da beweisen die cleveren Schwaben unheimliche Kreativität, um den Herrgott zu täuschen. Fleisch aller Art kommt in die Maultaschen rein, das sehr geschmackvoll mit Kräutern und Gewürzen verarbeitet wird. Dass die Norddeutschen nicht minder mutig und clever sind, beweisen Innereien für die „Mauldäschle“, wie sie der Schwabe bezeichnet.
Lars Degner vom „Luv und Lee“ in Wismar würde diesbezüglich auch Lamm mit Trockenfrüchten verarbeiten, als fleischlose Variante Bärlauch mit Frischkäse und Nüssen anbieten, oder eine Füllung aus Frischkäse, geräucherter Makrele, Meerrettich und Gewürzgurkenwürfeln kreieren. Hui, da hüpft Max‘ kulinarisches Herz und tropft der Zahn. Rainer Wolter würde selbst mit Hecht oder Zander auf Weißweinkraut oder Spinat füllen. Köstlich außerdem seine Idee, Blutwurst oder die Schwäbische Auster (Weinbergschnecke) zu verhüllen und eine asiatische Variante mit Entenfleisch zu entwickeln.
Gegessen werde können die „Bscheißerle“ übrigens zu jeder Jahreszeit in einer Gemüse- oder Fleischbrühe, in Butter kurz angebraten sowie kalt aufgeschnitten und mit einer Gemüsevinaigrette als Salat. Dagegen wird auch der Herrgott zur Fastenzeit nichts haben. Außerdem ist es wie beim Wählen: Man muss sich nur trauen. Sieht ja keiner…
Diese Kolumne erschien am 14. März 2018 in der Schweriner Volkszeitung.