Kommentiert: Nichts als Ärger mit dem Genuss

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Zu kulinarischen Risiken und Nebenwirkungen eines Familientreffens

Was man kulinarisch im Rahmen eines Familientreffens erleben kann, habe ich in meiner Kolumne "Max is(s)t verärgert..." beschrieben. Dabei habe ich mich noch sehr um kulinarische Contenance und Sachlichkeit bemüht. Denn Max war pappensatt. Damit die kulinarischen Risiken und Nebenwirkungen eines mangelhaft zubereiteten Restaurant-Menüs in der heimischen Küche nicht zum Tragen kommen, habe ich mich mit mir gut bekannten Küchenchefs unterhalten und ihnen einige Fragen gestellt. Die Fakten und Antworten sprechen für sich. Man muss nur lesen, braucht aber nicht zu staunen...

1. Was hat ein Koch falsch gemacht, wenn auf einer Hochzeitsuppe statt ein paar schmückender Fettaugen nur eine fingerdicke Fettschicht glänzt?

Unisono habe alle meine Gesprächspartner gesagt: "Dann war das Huhn zu fett..." Mit der Einschränkung, wenn überhaupt ein Huhn zum Einsatz kam... Annett Senst, Küchenchefin im "Alten Hof am Elbdeich" unweit von Dömitz ringt sich noch eine diplomatische Beschreibung des Malheurs ab: "Es ist eigentlich ein normaler Vorgang, dass man eine Brühe nach dem Herunterkühlen entfettet, wenn das notwendig wird." Sebastian Rauer, Küchenchef im Restaurant "Die Insel" des Strandhotels Seelust in Goldberg wird da schon deutlicher und geht nicht sehr zart mit den kulinarischen Delinquenten um. Sein spitz-lakonischer Kommentar: "Der Koch war wohl zu faul oder unfähig die Brühe zu degraissieren. Soll heißen, er hat nicht entfettet. Die Grundsuppe braucht nur eine Nacht im Kühlhaus zu stehen, schon kann man den Fettdeckel bequem entfernen und hat später kaum Augen auf der heißen Suppe." "Des hoa i mir glei denkt", würde der Bayer sagen. Wir aber sind im deutschen Nordosten. "Alles klor", ich habe keine Fragen mehr.

2. Was macht die richtige Zubereitung einer Hochzeitssuppe aus?

Mal davon abgesehen, ob man eine klare Gemüsebrühe im Rahmen einer Geburtstagsfeier unbedingt als Hochzeitssuppe deklarieren muss, bin ich mir mit den Köchen einig, dass frische Zutaten unerlässlich sind. Instant-Produkte haben diesbezüglich keinerlei Berechtigung. Daniel Reuner, Inhaber und Küchenchef im Hotel Reuner in Zossen b ei B erlin schwört auf eine kräftige, aber nicht überwürzte Brühe mit  frischen Einlagen wie Eierstich, Fleischklößchen, eventuell Nudeln und knackigem Gemüse.


Seine Kollegin am Elbdeich in Unbesandten erklärt es fachlich: "Frische Zutaten sind natürlich die Grundlage für eine solche Suppe. Man setzt das Huhn im kalten Wasser an, lässt alles langsam aufkochen und schöpft aufschäumendes Eiweiß ab. Dann kommt Mirepoix ins Spiel..." Das ist der kochtechnisch fachliche Begriff für eine Röstgemüsemischung aus Wurzelgemüse wie Karotten, Sellerie, Porree und Wurzelpetersilie, so die erfahrene Köchin. Das wird geköchelt bis alles gar ist. Die so hergestellte Brühe wird durch ein Sieb gegossen und herunter gekühlt.

Kurz vor dem Servieren werden der warmen Brühe selbst zubereiteter Eierstich und Hackfleischklößchen sowie gegarte Gemüsewürfel beigegeben. "Angerichtet wird die Brühe mit frischer,  gehackter Petersilie", so Annett Senst.


3. Wie stellt man eine braune Buttersoße her, die häufig zum Bratenfleisch gereicht wird?

Sebastian Rauer wird gleich deutlich: "Die braune Buttersoße geht gar nicht. So etwas würde ich nicht servieren. In einem Restaurant gehören 'gepflegte' Saucen auf den Tisch". Auch Daniel Reuner winkt ab: "Ich mag solche Mehlschwitze-Soßen nicht, daher vermeide ich Sie. Bei der in der Kolumne beschriebenen verunglückten Variante wurde bestimmt zu viel Mehl verwendet." Vielleicht aber wurden auch andere, eher ungewöhnliche Beigaben eingesetzt, die schließlich in einer undefinierbaren Pampe enden, schmunzelt Reuner. Die sichere Lösung sind jedoch stets selbst produzierte Fleischfonds, so die Kochprofis. Und ich frage nach: Was haltet ihr vom sogenannten Andicken beispielsweise mit Mondamin-Produkten? "Das ist auch im sprichwörtlichen Sinn durchaus nicht ehrenrührig und wird sogar von Sterneköchen praktiziert", so die fast einstimmige Meinung.

4. Wie bereitet man Fleisch wie Schweinefilet und Kasselerbraten am besten zu, damit es nicht dröge auf den Tisch kommt?

Dirk Wolters, Ehemann und Kochkollege von Annett Senst, meint, dass man das Schweinefilet gut würzen und rundum scharf anbraten soll. Danach lässt er es im Ofen etwa 10 Minuten auf eine Kerntemperatur vom etwa 65 Grad garen und vor dem Anrichten kurz ruhen. Dann wird das noch warme Fleisch geschnitten und ist noch schön saftig. Es geht also gar nicht, stimmt er mir zu, dass das Fleisch längere Zeit vorher zubereitet und dann nur noch, auf welche Art auch immer, kurz warm gemacht wird.


In ähnlicher Weise äußert sich Stefan Weber, Küchendirektor im Parkhotel Klüschenberg in Plau am See: "Grundsätzlich gilt, dass man das Fleisch im Ganzen garen muss. Beim Filet sollte das parierte Stück nach dem Würzen und Anbraten im Ofen bei einer niedrigen Temperatur von maximal 120 Grad auf eine Kerntemperatur von 58 Grad gebracht werden. Dann ist es rosa und nicht trocken." Beim Kassler sollte man nicht vergessen, dass dieses vorbehandelte Fleisch schon gar ist, so Weber.


Hier gilt also auch, dass beim Wiedererhitzen eine Kerntemperatur von 60 Grad nicht überschritten werden sollte. Und er empfiehlt, das Kasselerstück zu marinieren und im Wasserbad warm zu ziehen. Ganz wichtig ist natürlich auch, frisches Fleisch zu verwenden- Tiefkühlware lässt beim Auftauen immer Saft und wirkt damit auch bei einer optimalen Kerntemperatur immer trockener als frisches Fleisch. Ganz raffiniert kocht Daniel Reuner, der das Fleisch nach dem  anbraten langsam im Ofen ziehen lässt und auf Heu dämpft. Dann ist es zart und hat einen leichten, aparten Heugeschmack.

5. Was muss man bei einer Sauce Hollandaise beachten, wenn man sie schon nicht frisch zubereitet?

Sebastian Rauer brummt in sich hinein beziehungsweise aus sich heraus: "Hollandaise aus dem Tetrapak ist in meinen Augen ein Unding und durch nichts zu entschuldigen." Annett Senst und Dirk Wolters antworten mir wie aus der Pistole geschossen: "Entweder selbst machen oder nicht anbieten. Wir fragen in Restaurants auch immer nach, ob die Hollandaise selbst gemacht ist. Wenn nicht, bestellen wir sie nicht..." Daniel Reuner kann sich aber eventuell vorstellen, die fertige Hollandaise mit ein wenig Crème fraîche aufzuwerten. Stefan Weber schwört natürlich auch auf die Selfmade-Variante, schränkt aber ein: "Wenn man schon Convenience-Produkte benutzt, muss man auch (s)eine eigene Note einzubringen. Bei der Hollandaise kann das beispielsweise eine Prise Cayennepfeffer und/oder Zitrussaft von Limette oder Orange sein." So wird, meint Weber, die Sauce individuell und der Gast is(s)t durch einen interessanteren Geschmack nicht auf den Koch "sauer", sondern von dem eher ungewöhnlichen Geschmack sogar angetan. Was die Konsistenz der Hollandaise betrifft, weiß Weber, dass sie bei handwerklich korrekter Zubereitung relativ lange stabil ist. Also nicht mit kollabieren oder gelieren, wie im der Kolumne beschrieben.

6. Ist Crème brûlée mehr als eine Vanillecrème mit Johannisbeeren und einer Scheibe Kiwi?

Dazu der Koch aus Zossen mit dem Brustton tiefster Übezeugung: "Ja, das ist viel mehr. Vor allem muss die im Ofen gestocke Crèmer mit Zucker abgeflämmt werden." Stefan Weber geht diesbezüglioch schon mehr ins Detail: "Die Créme brûlée gehört für mich zu den zeitlosen Dessert-Klassikern und muss vernünftig zubereitet werden. Das Besondere ist die frisch karamellisierte Schicht aus braunem Zucker. Diese Schicht sollte komplett und gleichmässig auf der ganzen Creme verteilt sein." Sein Tipp: Den Zucker dick auf die Créme verteilen und durch leichtes schütteln den überschüssigen Zucker "abkippen". Nur der haften gebliebene Zucker sollte gebrannt werden. Die Flamme des Brenners darf dabei nicht zu heiß sein und muss vorsichtig über den Zucker geführt werden. Das Karamell darf nicht verbrennen. Nicht nur für den Gast, auch für ihn, so Weber, ist es ein besonderer Genuss, wenn man mit dem Löffel die Karamellschicht vorsichtig aufklopfen und das Zusammenspiel von Cremigkeit und Knusprigkeit erleben kann. Geschmacklich-kompositorische Ableitungen sind für ihn bei diesem Dessert durchaus möglich und bei guter Umsetzung auch sehr schmackhaft. In diesem Sinne findet Weber die Kombination mit Johannisbeeren grundsätzlich auch in Ordnung, da das Zusammenspiel von Säure und Süße sehr harmonisch ist. Auch der Einsatz von Kiwi sei nicht grundsätzlich zu bemängeln. Weber: "Aber eine einfache Scheibe muss es nicht sein. Das kann man kreativer umsetzen. Und eine Kugel Eis ist immer eine geile geschmackliche Krönung für eine Crème brûlée."

Fazit: Niemand is(s)t perfekt. Aber (Koch-) Kunst kommt nun mal vom Können. Und auch das Verhältnis zum Geschmack zeichnet einen guten Koch aus.


Wenn aber alles schmeckt, als hätte der Facility Manager Küchendienst gehabt, dann ist etwas faul in einem Restaurant. Das alles reißt dann auch ein gute temperiertes Bier nicht heraus... Prost, Mahlzeit...

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