Im Interview: Uwe Wolf – ein Küchenchef, der kulinarische Erlebnisse schafft

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Uwe Wolf

Jahrgang 1974, ledig, zwei Kinder.

Er hat 1992 im Leipziger Hotel Merkur den Beruf des Koch gelernt, war danach in zwei kleinen Restaurants der Messestadt, bevor er 1999 einige Jahre ins Schweizerische Olten ging. Seit 2002 ist er Inhaber und Küchenchef des Restaurants "Stelzenhaus" in Leipzig.

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im Allgemeinen und im Besonderen?

Genuss muss vor allem ein Erlebnis sein. Und besteht in der Kunst, vermeintlich einfache Dinge so gut zuzubereiten, dass es eben dieses Erlebnis wird. Schön kochen kann (fast) jeder, meine Intention geht aber darüber hinaus.

Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihrer Restaurants in einem Satz?

Das hat auch etwas mit dem vorgenannte Erlebnis zu tun: Wir verkaufen Emotionen, sozusagen kulinarische Glücksgefühle. Das ist unser oberstes Anliegen, ohne  mich dabei auf eine bestimmte Ausrichtung der Küche festzulegen.

Wie würden Sie Ihre kulinarische "Philosophie" beschreiben?

Ich liebe das Handwerk des Kochs und will deshalb mit handwerklicher Fertigkeit und über das Produkt  zum, wie könnte es anders sein, kulinarischen Erlebnis für den Gast beitragen.

Oder anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Neben dem bereits genannten Handwerk geht es mit vor allem um die Achtung vor dem Produkt und damit auch vor der Kreatur Tier. Da probiere ich auch gern einmal Dinge jenseits des kulinarischen Mainstreams aus. Und auf Reisen lernt man auch viele neue Arten der Zubereitung kennen, von denen man sich manches abschauen kann.

Welt- und Messestadt Leipzig: Wie setzen Sie mit Ihrer Küche internationale Ansprüche um?

Wir setzen einfach auf gute Reputation, möchten aber keinen Dogmen unterliegen. Die ausländischen Gäste unseres Hauses schätzen unseren Mix aus regionaler und internationaler Küche schon. Wir setzen dabei vor allem mediterrane Akzente.

Leipzig ist auch die heimliche Hauptstadt Sachsens: Was bieten Sie Ihren Gästen an traditioneller Küche?

Das reicht von den bekannten Leipziger Röllchen über die legendäre Leipziger Lerche bis hin zum Leipziger Allerlei, da wir mit Flusskrebsen und Morcheln kreieren. Aber auch hier kombiniere ich gern mit raffinierten Zutaten.

Wenn Sie sozusagen sächsisch kochen, bemühen Sie sich dann, die sächsische Küche mit neuen geschmacklichen Nuancen zu bereichern? Wenn ja, gibt’s ein Beispiel dafür?

Wissen Sie, man sollte auch die kulinarische Kirche im Dorf lassen und in der Tradition bleiben. Der Ursprung des Gerichts muss erhalten bleiben. Beim Sauerbraten beispielsweise kochen wir auch weiterhin mit Soßenkuchen als Soßenbinder, bereiten den Braten aber aus Hirschkeule zu. Das sind schon neue Nuancen.

Sie stellen sich dem Anspruch, eine kreative Küche zu bieten. Was zeichnet Ihre Küche im Vergleich zu anderen Angeboten im gehobenen Bereich aus? Worin wollen Sie sich ggf. bewusst unterscheiden?

Wir gehen mit vielen Produkten ganz bewusst neue Wege und sind in diesem Zusammenhang bereit, andere Wege in der Produkt-Kombination und im Arrangement zu gehen. Herauskommen muss aber eine geschmackliche Harmonie und ein rundes Gericht in Optik und Geschmack. Der Gast muss das Produkt erkennen. In diesem Sinne ist weniger oft mehr.

Kann ein Gast auch ein Menü zusammenstellen und Wünsche außerhalb der Karte äußern?

Wir sind Gastgeber und fühlen uns demzufolge dem Anspruch verpflichtet, dem Gast im Rahmen unserer Möglichkeiten und des Vertretbaren seine Wünsche zu erfüllen. Im Übrigen bieten wir schon seit Jahren sogenannte Überraschungsmenüs für zwei Personen an. Das ist auch unser Verständnis vom Erlebnis Gastronomie.

Beispielsweise, ein Gast wünscht sich eine Art Überraschungsmenü mit sächsischen, aber auch internationalen Akzenten. Was würde Ihnen da spontan einfallen?

Ich würde beispielsweise eine Vorsuppe mit fast vergessenen Gemüsen wie die Pastinaken kreieren, als Zwischengang eine Variation vom Leipziger Allerlei, als Hauptgang einen herzhaften Hirschbraten mit Bambussprossen und als Dessert eine süße Variation aus unserer Karte zaubern. Ich denke, das kommt gut an.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisekarte?

Unsere Karte wechselt viermal jährlich mit den Jahreszeiten. Deshalb Saison natürlich den Vorrang. Der Preis ist schon entscheidend, aber wir verzichten deswegen nicht auf eine hohe Qualität der Produkte. Bei der Entwicklung der Karte fragen wir uns immer, was mögen wir selber und was würden die Gäste mögen. Daraus entsteht dann eine ausgewogene kulinarische Mischung.

Wie kann man als Küchenchef des Stelzenhaus seine kreative Ader als Koch ausleben? Gibt es da Beschränkungen beispielsweise monetärer Art?

Da macht mir glücklicher Weise niemand Vorschriften. Ich kann also aus dem Vollen schöpfen. Trotzdem müssen die Verhältnisse zwischen Produkt, Verarbeitung und Preis gewahrt bleiben. Es muss also für den Kunden bezahlbar bleiben und für uns als Unternehmen die Leistung honoriert werden.

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Geschmacksverstärker haben in unserer Küche nichts zu suchen. Bei den Covenience-Produkten muss man abwägen, was sinnvoll und von guter Qualität ist. Im Abendgeschäft werden sie höchstens zu fünf Prozent eingesetzt. Ganz kann man sich solchen Dingen aber nicht verschließen, denn es ergeben sich daraus auch Erleichterungen für die Mitarbeiter. Wichtig ist trotzdem immer vor allem die Frische der Produkte und deren handwerklicher Verarbeitung in Kombination mit hochwertigen Fertigprodukten.

Woher beziehen Sie Produkte wie Gemüse und Fleisch? Wie wichtig ist Ihnen dabei die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Wir beziehen  nahezu alles von regionalen Lieferanten, die sehr gute Produkte liefern. Der regionale Aspekt findet übrigens im Premium-Bereich schon große Beachtung was beispielsweise die Haltung und Aufzucht von Tieren und den Anbau von Gemüse betrifft. Aber selbstverständlich kaufen wir auch exotische Zutaten unter anderem aus dem asiatischen Bereich ein. Das erfordern einfach die Speisekarte und die dort ausgewiesenen geschmacklichen Kombinationen.

Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Für mich gibt es diesen Mittelweg nicht. Beides muss gekonnt sein, man muss in beiden Segmenten wissen, wie man mit dem Produkt umgeht und daraus das Beste macht.

Zusatz: Was ist für Sie Gourmetküche überhaupt? Was halten Sie davon allgemein?

Die Frage ist vor allem, ob Gourmetküche bei der Allgemeinheit überhaupt ankommt und der, ohne abwerten zu wollen, einfache Gast sie überhaupt versteht. Aber grundsätzlich ist das natürlich eine exzellente Küche mit hochwertigen Produkten und aufwändiger Verarbeitung und Präsentation. Diese Küche wird aber auch oft überbewertet und einer vermeintlich elitären Klientel zugeordnet.

Hinterfragt: Ist Gourmetküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Ja, das ist es wohl. Vor allem aber ist sie mit großen fachlichen Wissen und Können. Denn nur schön aussehen zählt wohl nicht. es muss vor allem auch munden.

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Stichwort Michelin & Co: Ist ein Stern für Sie ein Ziel?

Für mich/uns ist er kein Ziel, obwohl er natürlich ein Ritterschlag für jedes Restaurant ist. Ich möchte trotzdem nicht für den Stern, sondern für die Gäste kochen. Auch darf man nicht vergessen, welchen Anteil ein exzellenter Service an so einer Auszeichnung hat.

Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Da nenne ich nur zwei Namen, die für sich sprechen: Dieter Müller und Alain Ducasse.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Das ist kurz beantwortet: Ein kleines, feines Restaurant für maximal 20 Personen, ohne Karte und mit individuellem Kochen. Und natürlich einem einzigartigen intimen Ambiente.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Allein das Ambiente schürt ja bereits Erwartungen. Es muss erkennbar sein, dass hinter dem gastronomischen Konzept eine Idee steckt, die Gastfreundschaft und Wärme ausstrahlt. Kurz, es muss ein Reiz schon vom Ambiente und Service ausgehen. Und die Karte muss neugierig sowie die Speisen Spaß machen.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Zu meinen Hobbys, für die ich mir oft einfach Zeit nehmen muss,  zählen Sport, Hand- und Fußball, aber auch lesen und einfach mal Ruhe finden. Der Beruf aber lässt einen wohl auch dann nicht in Ruhe. Man(n) ist immer auf der Suche nach neuen Inspirationen.



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