Im Interview: Thomas Köpke – ein Mann, dem Kochen lieb und teuer ist

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Thomas Köpcke

Jahrgang 1968, ledig, in einer Beziehung, 2 Kinder.

Er hat in Grimmen bei der Konsumgenossenschaft Koch gelernt, später beim FDGB in Waren und zehn Jahre im Agrarhistorischen Museum in Alt Schwerin gekocht. Nach einem kurzen beruflichen Ausflug in die Schweiz arbeitet er seit 1999 im Gutshaus Ludorf als Küchenchef.

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im Allgemeinen und im Besonderen?

Genuss ist für mich vor allem mit der Wertschätzung der Produkte verbunden, egal, welche Wertigkeit sie haben. Über den Genuss muss man den Menschen den Wert der Produkte begreiflich machen.

Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihrer Restaurants in einem Satz?

Ganz kurz und bündig: Bei uns kommen regionale Produkte mit Slow Food Hintergrund auf den Tisch.

Was heißt das genauer?

Das bedeutet, dass wir uns bei der Auswahl der Produkte vor allem auf solche beschränken, die aus verantwortlicher Landwirtschaft und artgerechter Aufzucht stammen. Wir wahren damit das traditionelle Lebensmittelhandwerk und die regionale Geschmacksvielfalt.

Wie würden Sie Ihre kulinarische "Philosophie" beschreiben?

Auch hier ist der Slow Food-Gedanke mein Anliegen: Ich will die besten Produkte der Region auf hohem kulinarischem Niveau umsetzen.

Oder anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Vor allem stehe ich für bodenständiges Kochen mit regionalen Produkten. Aber ich setze natürlich auch Produkte und Zutaten ausländischer Provenienz ein.


Setzen Sie mit Ihrer Küche auch internationale Ansprüche/Akzente um?

Ich sage es mal sehr direkt: Wir machen nicht jeden kulinarischen Blödsinn mit. Aber die klassische französische Küche ist schon ein weites Feld kulinarischen Experimentierens. Und mit exotischen Gewürzen beispielsweise erreicht man auch sehr interessante geschmackliche Nuancen.

Was bieten Sie Ihren Gästen an traditioneller mecklenburgischer und vorpommerscher Küche?

Auf den Tisch unseres Hauses kommt hauptsächlich das, was die Region natürlich anbietet. Dazu gehören Fisch und Wild in vielen Variationen. Und ein großer Bauerngarten erlaubt es mir, in großer Vielfalt zu kombinieren.

Was zeichnet Ihre Küche im Vergleich zu anderen Angeboten im gehobenen Bereich aus? Worin wollen Sie sich ggf. bewusst unterscheiden?

Wir wollen und werden nicht um jeden Preis nach dem Motto "Höher, schneller, weiter..." streben, sondern immer schön auf dem kulinarischen Teppich bleiben. Aber wir kaufen durchaus nicht billig, sondern regionale Produkte im kulinarischen Highend-Bereich mit dem Anspruch an gehobene Küche ein. Dazu gehört natürlich auch eine erstklassige Verarbeitung der Produkte.

Woher schöpfen Sie die Ideen für neue kulinarische Kreationen?

Ich besuche oft und gern die Produzenten und hole mir Anregungen für die Verarbeitung der Produkte, lausche aufmerksam den Erfahrungen einer sogenannten Kräuterhexe und belese mich auch in alten Kochbüchern, alter Literatur überhaupt. Da kommen einem schon geniale Einfälle. Leider ist es nicht möglich, mit Kollegen aus dem regionalen Umfeld den Erfahrungsaustausch zu pflegen. Da herrscht der Konkurrenzgedanke noch zu sehr vor.

Kann ein Gast auch ein Menü zusammenstellen und Wünsche außerhalb der Karte äußern? Beispielsweise, ein Gast wünscht sich eine Art Überraschungsmenü mit regionalen, aber auch internationalen Akzenten. Was würde Ihnen da spontan einfallen?

Wir bieten zurzeit nur Menüs an, die sich der Gast im Rahmen der Möglichkeiten aber frei zusammenstellen kann. Und überraschende geschmackliche Akzente kann ich beispielsweise in einem Kressesüppchen mit karamellisiertem Kressesamen, oder gebeizter Maräne, mit vielen Variationen vom Müritzlamm und Wild, einem Rosmarin Jus oder einem Beerensorbet beziehungsweise -ragout erreichen.

Nach welchen Kriterien entwickeln Sie Ihre Speisekarte?

Die Saison hat oberste Priorität. Alles andere ist Unsinn. Und gute Produkte müssen und dürfen auch etwas kosten. Das wissen und schätzen unsere Gäste auch. Bei der Qualität der Produkte und Zutaten machen wir deshalb keine Abstriche. Ich bin im Übrigen der Meinung, dass Lebensmittel noch teurer werden sollten, um bei den Verbrauchern und Gästen noch mehr Wertschätzung für das Produkt zu erzeugen.

Wie kann man als Küchenchef seine kreative Ader als Koch ausleben? Gibt es da Beschränkungen beispielsweise monetärer Art?

Diese kreative Ader kann ich täglich ausleben. Da sind mir keine Beschränkungen auferlegt. Und vor allem können sich alle Kollegen in der Küche an dieser Ideenfindung beteiligen. Der Chef des Hauses weiß schon, dass wir es nicht übertreiben, wie ich bereits an anderer Stelle bemerkte.

Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Geschmacksverstärker kennt unsere Küche nicht. Und Convenience ist eine Frage der Definition. Genau genommen fällt schon ein Toastbrot darunter. Wir setzen in diesem Sinne nur ein, was natürlich ist und nichts mit Chemie zu tun hat.

Woher beziehen Sie Produkte wie Gemüse und Fleisch? Wie wichtig ist Ihnen dabei die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Da kommt der Slow Food-Gedanke im Besonderen zum Tragen. Wir setzen vorrangig auf regionale Erzeuger, müssen im Detail aber auch auf Großhändler ausweichen. Aber auch private Personen gehören zu unseren Lieferanten. Wir erhalten beispielsweise Obst aus Nachbars Garten und frische Eier. Natürlicher geht's ja nicht.

Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Den suche ich immer noch, denke aber, dass wir den schon zu einem guten Teil beschreiten. Ich meine jedoch, dass auch im gehobenen Bereich die Produkte vollständig verarbeitet werden sollten. Im Übrigen schließt sich nach meinem Verständnis Bodenständigkeit und Gourmet nicht aus.

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Zusatz: Was ist für Sie Gourmetküche überhaupt? Was halten Sie davon allgemein?

Ich finde es toll, wenn Menschen ihr Essen lieben. Das unterscheidet auch den Gourmet vom Gourmand. Der eine stellt sich dem gehobenen Anspruch und ist sachkundiger Genießer, dem anderen kommt es vorrangig auf volle Teller an. Für mich ist aber Gourmetküche keine Frage des Preises.

Nachgefragt:  Stellen Sie sich mit Ihrer Küche dem Gourmetanspruch?

Das ist eine Frage der Definition. Aber, bei aller Bescheidenheit, ja, wir haben diesen Anspruch.

Hinterfragt: Ist Gourmetküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Was ist überhaupt künstlerisches Kochen? Artifiziell übertrieben gestaltete Teller mit Produkten, die keiner versteht? Das kann jeder Koch machen, wie er will. Mir fehlt dazu Zeit und Personal, und ich sage zum wiederholten Mal, dass wir bewusst bodenständig bleiben, ohne auf den Gourmetanspruch zu verzichten.

Stichwort Michelin & Co: Ist ein Stern für Sie ein Ziel?

Wir wollen den Himmel voller Sterne, aber keine an der Restauranttür. Dazu fehlt wohl auch das finanzielle Hinterland. Und Qualität drückt sich wohl nicht nur in einem Stern aus. Der Star muss das Produkt sein und bleiben.

Wie viel Entertainer muss aus Ihrer Sicht ein Küchenchef heute sein?

Entertainer ist ein Beruf für sich. Ich bespaße keine Gäste, sondern arbeite am Herd. Was nicht ausschließt, dass ich auch einmal an einen Tisch gehe und mit den Gästen kommuniziere.

In diesem Zusammenhang: Wie schätzen Sie die Qualität der deutschen Kochsendungen im Fernsehen ein?

Den Menschen wird dabei größtenteils suggeriert, dass sie Ahnung vom Kochen haben. Das weckt falsche Erwartungen und führt demzufolge in die falsche Richtung. Seriöse Kochsendungen sind die, die den Koch als Meister seines Fachs zeigen und ein Mindestmaß an Wissen vermitteln.

Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Paul Bocuse ist für mich eine Legende für Bodenständigkeit im Kochen. Und Johann Lafer strahlt für mich nach wie vor Authentizität aus.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Ich würde gern einmal mit vielen alten Mütterchen ganz traditionelle kulinarische Dinge beleuchten wollen. Das hat für mich Reiz und Charme zugleich. Ich sehe das als Fundgrube für meinen Beruf und die Weiterentwicklung von Gerichten sowie die Entwicklung neuer Gerichte an.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Es muss sauber und gemütlich sein, kann aber auch ein Krempel-Tempel sein. Die Leute, die dort arbeiten, müssen authentisch sein und man muss ihnen die Liebe zu dem ansehen, was sie machen. Natürlich muss auch das Essen schmecken.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Ich schieße gern und so oft es geht Tontauben. Das ist für mich ein gutes Stück Gefühl von Freiheit. Und ich schaue mir natürlich unterwegs auch Vieles für meine Küche ab, um daraus neue Ideen zu schöpfen. Ein Koch, der das nicht macht, hat seinen Beruf verfehlt.

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