Im Interview: Ronny Siewert* – ein Koch, der sein Glück an der Ostsee fand

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Ronny Siewert

Ronny Siewert, Jahrgang 1978 aus Nienburg an der Saale, verheiratet, zwei Kinder.

Seine beruflichen Stationen: Ausbildung im Maritim Hotel in Halle, Residenz Heinz Winkler in Aschau, Restaurant Dieter Müller in Bergisch Gladbach, Souschef im Waldhotel Sonora in Dreis, 2005 Chezann in Rostock, ab 2008 in Heiligendamm. Siewerts Küche erhielt seit 2005 durchgängig einen Michelin-Stern. 2012 erhielt er 18 Punkte im Gault Millau. Er steht bereits zum zehnten Mal in der Rangliste der Köche des Landes MV an der Spitze. Da war uns seit Jahren gut kennen und uns duzen, wollten wir uns auch für dieses Interview nicht verbiegen und sind beim "du" geblieben". Unser Gespräch fand im Oktober 2019 in Heiligendann stand und ist eine Aktualisierung des Interviews vom Januar 2014.

Dein Vater war auch Koch. Was hat dich letztlich dazu bewogen, wie er die Laufbahn des Kochs einzuschlagen? Das Machtwort des Vaters, oder die eigene Neugier?

Ganz klar, es war die eigene Neugier. Meine Eltern haben mir immer geraten, etwas anderes zu lernen. Ich habe auch bereit in der Schule ganz andere Praktika belegt und mit einem richtigen handwerklichen Beruf geliebäugelt. Aber mit etwa 15 Jahren habe ich gewusst: du wirst Koch. Von da an gab es kein Zurück mehr.


Du hast später bei hochdekorierten Drei-Sterne-Köchen gearbeitet. Was haben dir, bei aller Unterschiedlichkeit der Charaktere und Kochphilosophien, diese Lehrmeister mit auf den Weg gegeben? Anders gefragt, was setzt du davon in deiner Arbeit heute noch um?

Ich habe von jedem im besten Sinne des Wortes etwas mitgenommen und setze davon heute noch sehr viel um. Ich habe mir viel von deren Kochstil und der Philosophie der Küche abgeschaut, die man ja erst einmal verstehen muss. Daraus habe ich mir sozusagen meinen eigenen Weg gebaut und profitiere noch heute von diesen Erfahrungen.


A propos Philosophie: Wie würdest du die Kochphilosophie des Ronny Siewert charakterisieren?

Kritiker bescheinigen mir kleinteilige Arbeit mit viel Geschmack. Ich denke, das trifft es schon im Kern. Ich möchte mit meiner Küche eine klare, geradlinige Handschrift erkennen lassen. Jedes Gericht hat seine Eigenständigkeit, muss aber im Menü zu einer Harmonie der Speisen führen. Ich denke, dass das Prägende meiner Menüs das Spiel von Süße und Säure ist.


Hat sich eben diese Philosophie im Laufe der Jahre geändert, arbeitest du noch daran, oder ist das bereits ein abgeschlossener Erkenntnisprozess?

Ich arbeite zumindest laufend daran und denke, dass mein Stil prägnanter, ausgefeilter wird. Ich hinterfrage die Zubereitung meiner Gerichte ständig, achte aber darauf, dass jeder Teller seine Eigenständigkeit hat. Und ich verfeinere das Zusammenspiele von Süße und Säure. Das wird auch weiterhin ein Prozess bleiben.

Ergänzend: Du bist schon über 10 Jahre in Heiligendamm. Was unterscheidet den Ronny Siewert von 2008 von dem von 2019?

Geprägt und weiterentwickelt hat mich vor allem die Verantwortung. Ich habe auch teilweise eine neue Sichtweise auf meine Arbeit, neue Food-Konzepte und überlege heute schon, was die Gastronomie in zehn oder 20 Jahren ausmacht. Ich denke außerdem, dass ich erwachsener und reifer, aber auch ruhiger und besonnener geworden bin. Familie und Beruf haben mich in diesem Zusammenhang gleichermaßen befördert.


Du hast dich offensichtlich schnell und konsequent für den Einstieg in die Spitzengastronomie entschieden. Muss man dafür ein besonderer Typ Koch sein? Was muss man als Rüstzeug mitbringen, um in der oberen Liga mitzuspielen?

Ehrlich gesagt war das nie so angedacht. Ich hatte keine Ahnung von der Sternegastronomie und bin da einfach hineingewachsen. Mit den Typen ist das so eine Sache. Davon gibt es viele Facetten. Man braucht nicht nur in diesem Segment des Kochens viel Spaß am Beruf und im Besonderen auch viel Ehrgeiz. Wie sich jeder weiterentwickelt, ist seine Sache. Man muss eben aus seinen Möglichkeiten etwas machen.


Mal rhetorisch und etwas provokativ gefragt: Wie kommt man aus den Hochburgen des tiefen kulinarischen Westens in die Niederungen des kulinarischen Ostens an die Ostsee? Worin lag der Reiz der Herausforderung?

Ich wollte eigentlich ganz woanders hin und hatte bereits eine Stelle in Aussicht. Dort hat mir aber das Ambiente und die Atmosphäre nicht gefallen und ich habe abgesagt. Übers Internet erfuhr ich dann von der vakanten Stelle im Chezann in Rostock, das seinerzeit im Gault Millau mit 14 Punkten bewertet wurde. Dort hat für mich alles gepasst. In kurzer Zeit waren wir bei 16 Punkten und erhielten den ersten Stern. Ich bin aber vor allem auch dort angetreten, um die Region kulinarisch bekannter zu machen.

Zusatzfrage: Du kennst dich aus im Metier, kocht der Osten schlechter als der Westen, oder worin siehst du die Unterschiede im Bereich der Spitzengastronomie?

Ich glaube, dass kann man nicht mehr an Himmelsrichtungen festmachen. Viele Kollegen aus dem Osten arbeiten längst als Küchenchefs in renommierten Häusern im Westen. Es ist aber durchaus so, dass es in manchen Regionen einfacher, in anderen schwieriger ist, auf hohem Niveau zu kochen. Für alle gilt aber: Man muss sich beweisen.


Siehst du einen konzeptionellen oder strukturellen Unterschied im kochenden Osten/Westen?

Konzeptionell weniger, aber strukturell schon. Viele Küchenchefs setzen immer mehr auf die regionale Schiene, wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen. In diesem Sinne sehe ich die deutsche Küche auf dem Vormarsch. Und die Gäste sind überrascht, eine spezifischere Küche zu erleben.

 

Und worin siehst du die gesamtdeutschen aktuellen Unterschiede im kochenden Ansatz?

Es geht gar nicht mal so sehr um den Unterschied. Städte wie Berlin und München werden auch weiter die Trendsetter der Branche bleiben. Hinzu kommen interessante Konzepte wie Streetfood, die ein beachtliches Niveau bieten.


Und vor allem entwickelt sich eine neue Köchegeneration, die modern kocht und gleichermaßen das klassische Kochen nicht vernachlässigt und zeigt, das klassisch keineswegs altbacken ist.

 

Worin siehst du die aktuellen Trends in der Spitzengastronomie?

Um es klar zu sagen: Regional ist längst kein Trend mehr. Aber die raffinierte Mischung von Aromen und Gewürzen macht die Küche aus. Sie ist puristischer geworden und zeigt klarere Linien.

2005 mit 27 Jahren dein erster Stern im Chezann in Rostock. Warum dann schon drei Jahre später der Wechsel nach Heiligendamm? Reizte der große Name?

Was sind schon große Namen? Mir war die Weiterentwicklung wichtig. Und die war im Chezann auf absehbare Zeit nicht gegeben. Also bin ich der Herausforderung und wohl auch dem Namen gefolgt.


Hast du nicht, um es salopp-humorig zu sagen, von Heiligendamm nach 11 Jahren nicht die Schnauze voll? Soll auch heißen, was treibt dich an, hier weiterhin auf höchstem Niveau zu kochen?

Ich bin sehr bodenständig. Heiligendamm ist „mein“ Ort. Hier bin ich sesshaft und möchte es bleiben.


Deine Küche wird regelmäßig mit einem Michelin-Stern gekrönt. Was hältst du generell von Sternen und anderen kulinarischen Meriten?

Bewertungen sind wichtig, schon, damit sich die Gäste orientieren können. Sie dürfen aber in den einzelnen Restaurantführern nicht zu weit auseinander driften. Es muss halbwegs ausgeglichen sein, wenn es objektiv wirken soll.

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Sind sie mehr Last oder Lust? Soll auch heißen: Kochst du für den Stern?

Man kann es auf einen Punkt bringen: Ich koche die Küche, die ich mag und versuche, sie kreativ weiterzuentwickeln. Denn nur mit Zielen und Visionen kann man sich selbst weiterentwickeln. Und wenn die Gäste in einem Wechselspiel von einfach und aufwändig zufrieden sind, dann ist das auch ok. In diesem Sinne darf man als Koch auch keine Angst vor dem Gast, sondern muss Vertrauen in das eigene Können haben.


2012 hast du erstmals 18 Punkte im renommierten Restaurant-Führer Gault Millau erhalten. Was ist aus deiner Sicht mehr wert, der Stern, oder die Punkte? Wo steckt mehr fachliche Substanz dahinter?

Jede hohe Auszeichnung im kulinarischen Bereich ist wichtig, zumal man sie regelmäßig verteidigen muss. Aber der Stern ist schon das Zugpferd in der Branche und damit das Maß der Dinge. Allerdings sind auch die Kriterien durchaus unterschiedlich. Man muss das zu werten wissen.


Siehst du Diskrepanzen in der Bewertung der einzelnen Restaurantführer?

Ohne Namen zu nennen sage ich mal ganz allgemein: Man muss auch testen, und nicht nur darüber schreiben.

 

Soll auch heißen, kommen die Tester eigentlich regelmäßig vorbei, oder kocht man im Detail sozusagen auch auf Bonus?

Wir sind natürlich im Fokus der Tester. Das ist aber durchaus nicht bei allen bewerteten Restaurants die Regel und kann so durchaus auch irreführen. Ich weiß aber, dass beispielsweise Gault Millau sehr aktiv testet.


Ist die „Verteidigung“ wirklich ein Muss, oder kann man sich nicht auch einfach nur auf das Kochen konzentrieren?

Kurz und prägnant: Verteidigung ist für mich der Anspruch.


Du steht seit Jahren unangefochten an der Spitze der Rangliste der Köche in M-V. Was macht dich stolz an dieser Position?

Zehnmal in Folge auf dieser Position zu stehen, ist schon eine Riesenauszeichnung, die mich sehr stolz macht. Aber da geht ohne ein gutes Team überhaupt nicht, mit dem man gemeinsam an den Gerichten arbeitet und an den Details feilt. Aber unabhängig von Bewertungen und Auszeichnungen ist unser Motto, täglich auf dem gleichen Niveau zu arbeiten und den Gast zu begeistern.


Hast du Angst, diesen Rang zu verlieren?

Nein, habe ich nicht, aber ich weiß, dass dieser Tag einmal kommt. Muss ja nicht gleich sein...

Apropos Rangfolge: Welchen Wert haben Listen wie Volkenborn in der Branche überhaupt`?

Auch hierzu kurz und knapp: Es ist „nur“ eine Zusammenführung der Wertungen verschiedener Restaurantführer.


Meinst du, dass die Spitzengastronomie im Osten trotzdem eher noch unterbewertet wird?

Die Wertschätzung einzelner Guides lässt diese Auslegung schon zu. Wohl wissend, dass alles immer im Auge des Betrachters liegt. Ich habe schon das Gefühl, dass der kulinarische Osten teilweise nicht die nötige Beachtung hat. Das hat aber nichts mit den eigentlichen Leistungen zu tun.


Haben auch andere Spitzenköche in MV nicht längst den zweiten Stern oder andere überhaupt einen Stern verdient?

Das sollen die Kritiker entscheiden. Ich sage es mal salomonisch: Im bundesweiten Vergleich haben einige Restaurants in MV durchaus eine höhere Bewertung verdient.


Bleibt die Frage, ob nur der allgewaltige Tester das Maß aller Dinge ist?

Das Maß der Dinge ist und bleibt der Gast. Punkt.

Nach welchen Kriterien entwickelst du deine Speisen?

Es muss immer „mein“ Niveau bleiben, muss aber auch wirtschaftlichen Kriterien standhalten.

 

Woher holst du dir die Inspirationen für deine Speisekarte?

Das ist sehr verschieden: In Ruhe kommen mir die besten Gedanken. Auf Märkten entwickeln sich oft gescmacklich-kombinatorische Ideen. Selbst Food-Blogs, das Internet überhaupt, regen zu neuen Gerichten an, ohne dass ich kopiere.

 

Kochst du eigentlich nach Rezepten, oder weitgehend nach Intuition?

Ich entwickle eigentlich nur intuitiv. Und wenn es perfekt ist, wird ein Rezept daraus.


Du giltst als Vertreter der klassischen französischen Küche, lebst und arbeitest aber in Mecklenburg. Wie setzt du mit deiner Küche geschmacklich auch regionale Aspekte um?

In der Frage liegt bereits ein Teil der Antwort. Ich verbinde beide Komponenten miteinander und setze bewusst regionale Akzente, in dem ich hochwertige Produkte der Region in die Menüs einbaue. Das alles muss man freilich auch preislich eintakten. Die Kunst besteht für mich daran, in jedem Gericht das hohe Niveau unserer Küche zu halten.

Hat sich dein kochender Ansatz im Laufe der Jahre in Bezug auf Regionalität und Saisonalität verändert?

Der Regionalität kommt schon ein gewisser Schwerpunkt zu, ohne die Saisonalität aus dem Auge zu verlieren. Beides bedingt sich ja auch in gewisser Weise. Wir decken diesbezüglich eine breite gastronomische Palette ab.


Wie stehst du zu dem Grundsatz der ganzheitlichen Verwertung von  Tieren oder der kulinarischen These von Franz Keller: Vom Einfachen das Beste?

Natürlich ist die ganzheitliche Verwertung ein wichtiges Anliegen. Aber, wie auch immer Keller das auslegt, mehr als drei bis vier Komponenten eines Tiers in einem Menü in Szene zu setzen, ist schon die Grenze des Machbaren. Was nicht heißt, dass andere Teile unverwertet in den Müll kommen.

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Und was hältst du von Slogans wie „Brutal lokal“?

Das kann jeder machen, wie er will. Ich halte nicht viel von solchen, teilweise einschränkenden und plakativen Sprüchen.


In diesem Zusammenhang: Bist du einer, der mit dem kulinarischen Strom schwimmt?

So gut müsstest du mich nun schon kennen, dass ich das noch nie war und auch nie sein werde. Ich habe vermeintliche Trends eher links liegen lassen und meine eigene Linie verfolgt.


Das war sozusagen die "Fangfrage". Ich habe nichts anderes von dir erwartet.

Dein Glück auch...

Nicht alle deine Gäste sind Gourmets. Wie führst du auch den "normalen" Gast an anspruchsvolle Küche abseits von frittiertem Schnitzel und Pommes heran?

Grundsätzlich gilt, ich richte mich nach den Wünschen der Gäste. Aber im Zusammenspiel mit Restaurantleiter und Sommeliere kann man den Gast natürlich mit viel Fingerspitzengefühl an eben diese anspruchsvollen Gerichte heranführen. Das ist dann auch für den Gast ein geschmacklicher Erkenntnisprozess.


Befürwortest du es, den Gast für gutes Essen zu „erziehen“ und evtl. Empfehlungen für geschmacklich-kombinatorische Nuancen zu geben?

Nein. Punkt. Der Gast muss Spaß am essen haben und erwartet keinen dozierenden Koch oder Kellner. Wichtig ist für mich in diesem Zusammenhang, dass der Gast den Teller „versteht“, sich die einzelnen Komponenten nicht überlagern und so ein echtes Geschmackserlebnis herauskommt.

Ist Gourmet-Küche für dich mehr als künstlerisches Kochen auf hohem Preisniveau?

Das hat erst einmal gar nicht mit dem Preis, sondern mit der Verarbeitung der Produkte auf hohem Niveau zu tun. Insofern hat unser Kochen auch eine künstlerische Note. Die vergleichbar höheren Kosten entstehen durch die Qualität der Produkte und deren doch ziemlich aufwändige Verarbeitung.


Wie wichtest du übrigens für dich das Verhältnis von handwerklichem und künstlerischem Kochen?

Beides baut aufeinander auf. Ich würde das zu gleichen Teilen ansetzen.


Und mal ganz ehrlich: Wie zeitgemäß ist der Gourmetbegriff noch?

Der Begriff ist eigentlich nicht genau definiert. Nicht alles ist Gourmet, was manche darunter verstehen. Man sollte eher den Geschmack in den Vordergrund stellen. Dann fängt Gourmet schon bei ganz einfachen Dingen an.


Man sagt: Teamarbeit ist alles. Zu welchen Anteilen bist du Individualist und zu welchen Teamplayer, wie man so unschön neudeutsch sagt? Hat sich in dieser Hinsicht dein "Hauptcharakterzug: Ungeduld" verändert?

Ich bin immer noch ungeduldig, aber auch relativ entspannt, weil ich mich auf meine Mannschaft verlassen kann. Kochen ist wie im Fußball vor allem Teamarbeit. Und das Team muss so eingestellt werden, dass es funktioniert, dass beim Einzelnen Stärken und Schwächen ausgeglichen werden und er an der richtigen Stelle eingesetzt wird.


Du, um es einmal humorig zu sagen, tingelst auch mit "Siewert und Friends" durch die Lande. Was bedeutet dir die Zusammenarbeit mit Kollegen aus anderen renommierten Häusern?

Stimmt, ich arbeite mindestens sechs Mal im Jahr mit Kollegen, die längst auch zu meinen Freunden geworden sind. Dabei geht es auch darum, die einzelnen Restaurants noch breiter bekannt zu machen und zu bewerben.

Mehr noch, du hast mit den „Küchenheiligen“ auch eigene kulinarische Formate ins Leben gerufen. Aus welchen Erwägungen heraus?

Mit dieser neuen Veranstaltung in unserem Haus ist es mir ein besonderes Anliegen, neben dem Einblick in die kulinarische Bandbreite des Landes auch dem Köche-Nachwuchs eine Plattform zu bieten.

 

Und wie wirkt sich das praktisch aus?

Die daraus entstandene enge Zusammenarbeit mit der Berufsfachschule Bad Doberan soll vor allem dazu dienen, den heutigen Auszubildenden Perspektiven in unserem Beruf aufzuzeigen und die Lehrlinge bei den "Küchenheiligen" auf Augenhöhe mit den Küchenchefs zusammenarbeiten zu lassen.

 

Das Stichwort „Großer Gourmet Preis“ (GGP) kann ich mir nicht verkneifen. Was war/ist daran „Preis“ und plakative PR?

Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine Veranstaltung, die die besten Köche des Landes zusammenbringt, um den Gästen einen genussvollen Abend zu bieten. Ob das wirklich ein Preis ist, darüber will ich nicht richten.

 

Kritiker meinen, damit meine ich vor allem ehemalige Akteure des GGP, dass mit Heranziehung der Volkenbornliste ein Konkurrenzgedanke aufgebaut wurde und die Freude am gemeinschaftlichen Kochen Schritt für Schritt verloren ging. Wie stehst du dazu?

Auf jeden Fall hat die Liste insofern einen Sinn, dass sie Leistungen zum Vergleich zusammenfasst. Wie realistisch das angesichts durchaus unterschiedlicher Tester-Aktivitäten der Restaurantführer auch wirklich realistisch ist, darüber kann aber muss man nicht streiten.

Nochmal GGP: Warum tun sich Spitzenköche diese undifferenzierte PR-Masche überhaupt noch an?

Ich kenne deine Meinung zum GGP gut und kann deine Überlegungen im Detail auch nachvollziehen. Ich wiederhole mich jedoch: Diese Veranstaltung trägt dazu bei, Spitzenküche aus und in MV aufzutischen. Den Gästen schmeckt es. Was will man mehr?!

 

A propos bewerben: Wie viel Entertainer muss heute in einem Spitzenkoch stecken, ohne dabei in kulinarischen Klamauk zu verfallen?

Show ist eigentlich nicht so mein Ding. Aber solche Veranstaltungen machen schon viel Spaß. Und wir Köche sind dann sehr locker, wenn wir unmittelbar vor den Gästen auftreten. Denn wir tun dann das, was wir am Besten können, nämlich kochen. Das schafft eine ganz besondere Atmosphäre.


Deine kochende Rente ist noch lange nicht in Sicht. Bereitest du trotzdem Nachwuchstalente auf höhere  Aufgaben vor, wie du es einst mit deinem früheren Sous-Chef Enrico Back erfolgreich getan hast, der inzwischen Küchenchef bei Harald Rüssel ist?

Erstens ist ein fester Stamm engagierter Mitarbeiter sehr wichtig. Und für Nachwuchs muss man immer sorgen. Nur so kann man Niveau halten und die Küche an sich weiterentwickeln.

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Gutes Essen setzt natürlich auch gute Zutaten voraus. Wie wählst du sie aus und vor allem, Stichwort: Regionale Erzeuger, woher stammen sie?

Qualität ist bei der Auswahl das A und O. Die muss top sein. Aus der weitläufigen Region kaufe ich beispielsweise Müritz-Fisch, Linumer Rind oder Gemüse. Das sind beste Voraussetzungen für anspruchsvolle Gerichte mit bestem Geschmack. Und ich arbeite inzwischen auch mit Erzeugern wie der „Landpute“ in Severin zusammen und entwickle aus deren Produkten Speisen, die auf unserer Karte einen festen Platz gefunden haben.


Konkret: Wie viel Regionalität findet sich auf deiner Karte wieder?

Du willst es aber auch immer ganz genau wissen: Bis zu 40 Prozent der Produkte stammen aus der Region.

 

Ein abgewandeltes Sprichwort lautet: Woran ich immer denke, sind Essen und Getränke. Gibt es für dich auch ein Leben außerhalb der Küche und kulinarischen Denkens?

Ich weiß natürlich, dass das Sprichwort auf "Frauen und Getränke" abzielt, aber das mit dem Essen geht schon klar. Mein Beruf spielt auch in Freizeit und Urlaub eine große Rolle. Ich hole mir gern auf Weingütern und Märkten neue kulinarische Ideen und gebe in meiner Freizeit auch Kochkurse.


Wer kocht bei euch zu Hause?

Ich lasse es mir natürlich nicht nehmen, auch zu Hause zu kochen. Aber meine Frau kocht sehr gut, ihr Risotto beispielsweise ist sensationell. Und wir genießen auch das sonntägliche Frühstück ausgiebig, weil wir unterschiedliche "Ruhetage" haben.

Welche Hobbys hast du?

Neben dem Beruf treibe ich auch etwas Sport und spiele gern Fußball und Tischtennis, war auch mal im Badminton ziemlich aktiv.


Wenn du privat einmal ausgehst, was isst du dann am liebsten und wo? Zusatz: Was isst man im Hause Siewert privat, deftig, pikant, gediegen, einfach...?

Privat essen wir ebenso gern einfach wie gediegen. Da genügen schon wenige Zutaten, um eine schmackhafte Mahlzeit zuzubereiten. Dazu ein gutes Glas Wein, das schafft auch Atmosphäre. Ansonsten gehen wir sehr gern ins Jagdhaus Heiligendamm zu Alexander Ramm, mit dem ich auch gut befreundet bin und gern zusammen koche.


Das Grandhotel Heiligendamm hatte in den letzten Jahre einige Höhen und Tiefen zu bewältigen. Wie siehst du die Zukunft dieses renommierten Hauses?

Das muss man sehen, Heiligendamm wächst und ist ein renommiertes Haus mit viel Potenzial.

 

Trifft das auch auf kulinarisch neue Wege zu?

Alles muss und wird sich weiterentwickeln. Diesbezüglich darf kein Bereich des Hauses eine Ausnahme machen. Unter der neuen Leitung des Grandhotels wird sich einiges bewegen, da bin ich mir sicher. Und beiden Küchen werden ihren Beitrag dazu leisten.


Einmal Ostsee, immer Ostsee. Liegt hier deine berufliche Zukunft, oder soll man nie "nie" sagen? Was verbindet dich inzwischen mit diesem Landstrich?

Dazu hatte ich schon etwas gesagt. Ich fühle mich hier sehr wohl und im besten Sinne des Wortes zu Hause. Wenn es nach mir geht, würde ich bis zur Rente an der Ostsee in Heiligendamm arbeiten.

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