Im Interview: Michael Roger – ein Koch mit einem markanten Markenzeichen

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Michael Roger

Jahrgang 1965, verheiratet, 3 Kinder.

Er hat im Hotel "Adler" in Asperg Koch gelernt und ist Hotel- und Küchenmeister. Sein beruflicher Weg führte ihn unter anderem nach Zürich ins bekannte Hotel Dolder am Züriberg. Dort hat er seine Frau kennengelernt. Weitere Stationen waren das Hotel Hilton in Mainz, kleinere Häuser in Villingen-Schwenningen und eine Stelle als stellvertretender Küchenchef bei der "Royal Caribbean Cruise Line" auf der "Sovereign of the Seas", wo er immerhin die Arbeit von 90 Mitarbeitern koordinieren musste. Seit 1992 ist er Inhaber des Flair Hotels "Landgasthof Roger" in Löwenstein

Wie kommt man(n) zum Beruf des Kochs?

Das ist ganz einfach mein Kinderwunsch gewesen. Habe seinerzeit schon immer meiner Mutter zugeschaut. Ein anderer Beruf kam für mich nie in Frage. Und von der Mutter habe ich auch gelernt, wie man einen echten "Roschtbrate" macht.

Was ist für Sie kulinarischer Genuss im Allgemeinen und im Besonderen?

Da hat jeder so seine Sichtweise und seine Interpretation. Für mich ist Genuss die Kunst, aus regionalen Produkten ein tolles Gericht zu entwickeln. Und man muss sich dafür natürlich auch Zeit für Genuss nehmen.

Haben Sie eine kulinarische "Philosophie"? Wie würden Sie sie beschreiben?

Ich stehe für ehrliche, saubere und bodenständige Küche. Mein Anspruch ist es, wie vorher schon angemerkt, dem Gast den Genuss der Region zu vermitteln.

Anders gefragt: Was ist Ihr Anspruch beim Kochen hinsichtlich Zutaten, Verarbeitung und Präsentation?

Meine Gäste sollen ein Gericht nachvollziehen können hinsichtlich Geschmack und Präsentation. Und man soll schmecken und sehen, dass das alles hausgemachte Kost ist.

Beschreiben Sie kurz das kulinarische Angebot Ihres Hauses?

Unser Angebot steht unter dem Motto "Schmeck den Süden". Soll auch heißen, wir bieten authentische regionale Gerichte zum Teil aus Großmutters Zeiten. Aber eben sozusagen in die neue Zeit gekocht. Das macht den besonderen kulinarischen Reiz aus.

Sie sprechen von der Landschaft, in der Sie wohnen, als Schwäbische Toskana. Wie viel Schwaben und wie viel Toskana spiegelt sich auf Ihrer Speisekarte wider?

Der Schwerpunkt liegt ja auf "Schwäbisch.". Dementsprechend ist die Küche regional bodenständig ausgerichtet, wird aber mit feinen toskanischen Nuancen leicht mediterran kombiniert.

Nachgehakt: Wie setzen Sie Toskana in Schwaben geschmacklich um?

Toskana zeichnet frische Kräuter und Gewürze aus und bietet leichte Küche mit vielen Aromen. Das kann man auch in Schwaben geschmacklich sehr gut rüberbringen. Mehr noch, es entstehen daraus spannende geschmackliche Facetten.

Gibt es auch Bezüge zur internationalen Küche?

Ja, ich setze unter anderem auch Elemente der Schweizer Küche um, wo ich längere Zeit gearbeitet habe. Und es kommt natürlich auch auf die Gäste an. Internationales Publikum erfordert auch, auf dessen Essgewohnheiten einzugehen. Natürlich immer im Rahmen der Möglichkeiten.

Bieten Sie auch Gerichte oder Menüs im gehobenen kulinarischen und preislichen Segment an?

Auf Wunsch geht alles, was sich dann auch im Preis widerspiegelt. Aber ich koche in der Regel für  jeden "normalen" Gast, der unsere regionale Küche schätzt. Preislich bleibe ich deswegen ausgewogen erschwinglich.

Ist für Sie anspruchsvoll immer mit teuer gleichzusetzen...?

Eindeutig nein. Anspruchsvoll hat nichts zwangsläufig etwas mit billig oder teuer zu tun. Anspruchsvoll ist für mich in erster Linie die bereits genannte saubere fachliche Arbeit und der gute Geschmack der Gerichte.

Beispiel: Ein Gast wünscht sich, von Ihnen mit einem 4-Gang-Menü Ihrer Wahl überrascht zu werden. Würden Sie ihn auf die Speisekarte verweisen, oder sich tatsächlich eine Überraschung einfallen lassen?

Ich hinterfrage den Schwerpunkt seines Geschmacks und natürlich auch Produkte, die nicht verwendet werden sollen. Aus der Kenntnis dieser Eckdaten lasse ich mir etwas einfallen. Darauf kann der Gast vertrauen. Und ich bemühe mich in solchen Fällen vor allem immer, solche Wünsche sehr individuell umzusetzen.

Nach welchen Kriterien  wie Saison, Preis, Produkte wählen Sie Ihre a la carte Angebote aus?

Da gibt es ein schönes Sprichwort, das besagt, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler. Soll auch heißen, ich richte mich nach den Gästen. Und die schätzen allgemein saisonale Küche in raffinierter, ideenreicher Zubereitung. Das geht auch mit vermeintlich einfachen Gerichten, wie sie früher die Mutter zubereitet hat.

Woher beziehen Sie Ihre Produkte und Zutaten?

Weitestgehend aus der Region. So beispielsweise von Metzger Haas aus Zaberfeld oder dem Schlachthof Stuttgart. Oder Wild von Jägern aus der Region. Aber wir haben auch eigene Kartoffeln und Gemüse vom Bauern. Frische heißt die Devise.

Kommt Ihre Küche ganz ohne Convenience aus, oder gehen Sie da Kompromisse ein?

Wir kochen eigentlich ganz klassisch und alles selbst. Fertigprodukte setze ich nur im Detail und mit viel Bedacht in Sachen Qualität ein.

Mal um die Ecke gefragt: Können Sie etwas mit Geschmacksverstärkern anfangen?

Wie schon gesagt, ich bin kein Convenience geschädigter Mensch. Deswegen brauche ich auch keine Verstärker. Das regelt die Qualität und Frische der Produkte.

Wie kann man als Küchenchef in einem Haus wie dem Ihren seine kreative Ader als Koch ausleben? Gibt es dabei Beschränkungen z.B. monetärer Art?

Ich bin ja sozusagen mein eigener Vorgesetzter. Und ich halte bei aller Tradition nicht an alten Zöpfen fest. Also muss es auch immer etwas geschmacklich-kompositorisch Neues geben. Wichtig ist, dass man immer die kulinarische Handschrift, die kulinarische Sprache des Küchenchefs erkennt.

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Wie meistern Sie den Spagat zwischen dem Anspruch der meisten Gäste "viel und preisgünstig" zu essen und Ihrem eigenen Anspruch, niveauvolle Küche abseits lediglich voller Teller zu bieten?

Das ist für mich alles relativ. Die Produkte müssen gut sein. Die Portionen müssen angemessen sein. Das muss sich aber auch über den Preis ausgleichen. Dazu gehört unter anderem auch etwas Verhandlungsgeschick mit den Lieferanten und Erzeugern.

Wo liegt für Sie der sogenannte goldene Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmetküche?

Der wird beschritten, wenn bodenständige Küche ästhetisch noch aufwändiger umgesetzt wird. Bei der fachlichen Umsetzung allerdings sehe ich keinen Mittelweg. Gut kochen muss man in jedem Fall können.

Was halten Sie von Sterneküche allgemein?

Diese Küche ist unbestritten eine Bereicherung der kulinarischen Szene. Das sind Künstler, die ihre Ideen kulinarisch mit großem Aufwand umsetzen.

Ist Sterneküche für Sie mehr als "künstlerisches Kochen" auf hohem Preisniveau?

Ja, das ist es. Ich sprach ja gerade von Koch-Künstlern. Der Preis ist dabei erst einmal sekundär, denn man muss von dieser Küche gepackt sein und sie als Lebenseinstellung begreifen. Sonst kann man nicht solche Leistungen abrufen.

Wäre das für Sie einmal eine neue berufliche Herausforderung, auch Gourmetküche anzubieten?

Man(n) muss mit beiden Beinen im Leben stehen und mit seinen Möglichkeiten leben. Ich bleibe bei meiner traditionellen Küche, aber ich genieße es auch, manchmal ein Art Show-Kochen zu inszenieren und dabei etwas kulinarisch Besonderes zu bieten.

Welche der bekannten Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens?

Heinz Bernadis aus Asperg ist ein toller Koch, der seinen Beruf im besten Sinne des Wortes vorlebt und seiner kulinarischen Linie treu geblieben ist. Leider wird aus meiner Sicht im Adler Asperg heute nicht mehr so intensiv ausgebildet wie es einmal war. Aber das steht auf einem ganz anderen Blatt.

Mit wem würden Sie gern einmal gemeinsam in der Küche stehen?

Kochen ist Leidenschaft und Individualität. Da fallen mir spontan Namen wie Harald Wohlfahrt, Jörg Sackmann und Franz Feckl ein. Jeder ist auf seine Weise ein ganz besonderer Koch. Aber in meinem Haus bin ich als Gastgeber für die Küchenshow zuständig und eben auf meine Weise Individualist.

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Vielleicht ein ganz kleines, feines Lokal, zusammen mit meiner Frau. Drei Tage die Woche geöffnet und kochen, wozu ich Lust habe. Ein kulinarisches Refugium sozusagen, Essen in Harmonie und mit Candlelight-Atmosphäre. Aber wie gesagt, es ist ein Traum.

Was essen Sie selbst am liebsten und welche Gerichte bereiten Ihnen als Koch die meiste Freude?

Alles was gut zubereitet ist. Das reicht von Fleisch und Wild über Fisch bis hin zu Pilzen. Auch einfache Kutteln können eine große Delikatesse sein.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Das ist schwer zu erklären: Es muss zu den Gästen und zur Region passen. Der regionale kulinarische Touch darf nie fehlen. Es muss freundlich, hell und mit vielen Naturmaterialien ausgestattet sein. Wohlfühlatmosphäre eben.

Wie viel bedeutet Ihnen eine funktionierende Küchen-Crew?

Darauf gibt es nur eine Antwort: Die Mannschaft ist das A und O für den Erfolg. Jeder muss seinen Platz haben und wissen, was er zu tun hat. Und es muss Harmonie herrschen. Alle müssen sich als Rädchen in einem Getriebe verstehen. Dazu gehört auch, dass man über Karte, Planung und Arbeitsabläufe viel kommuniziert.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik auch in der Freizeit eine Rolle?

Ich wandere gern und fahre gern Rad. Ich gehe auch gern gut essen. Dabei schaue ich mir natürlich vergleichbare Häuser an und hole mir Anregungen für neue kulinarische Ideen. In meiner Freizeit koche ich auch mit Leidenschaft für die Familie. Auch das gehört zum Entspannen.

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