Im Interview: Andreas Scholz – ein kreatives Schwergewicht am Herd

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Andreas Scholz

Jahrgang 1971, stammt aus Langen in Hessen, verheiratet.

Er zog bereits mit 12 Jahren die erste Kochjacke an, da die Eltern ein gutbürgerliches Restaurant hatten. Seine Lehre absolvierte er in Todtmoos im Hochschwarzwald. Danach lernte und kochte er bei den Granden seiner Zunft auf Sylt bei Jörg Müller, bei Michael Fell in den Dichterstuben in Rottach-Egern, bei Holger Stromberg in Castrop Rauxel sowie bei Alexander Dressel, damals Borchardt in Berlin, heute Hotel Bayrisches Haus in Potsdam. Seit 2008/2009 ist er Pächter des und Küchenchef im Restaurant „Anastasia“ im renommierten Weimarer Grand Hotel „Russischer Hof“.

Was ist für Sie Genuss im Allgemeinen abseits kulinarischer Freuden?

Ganz einfach: Zeit haben, Ruhe und Entspannung genießen.

Und wie beschreiben Sie kulinarischen Genuss?

Ich möchte einfach Gaumenfreuden erleben, die die ganze kulinarische Palette abdecken. Das reicht vom vermeintlichen einfachen Gericht bis zum aufwendigen Gourmet-Menü. Ich muss spüren und schmecken, dass die Produkte handwerklich gut und geschmacklich kreativ zubereitet werden.

Beschreiben Sie Ihre kulinarische "Philosophie"?

Die ist ganz einfach: Ich will aus den bestmöglichsten Produkten das bestmöglichste Gericht zaubern. Dabei definiere ich „bestmöglich“ aber nicht über den Preis, sondern über die Qualität.

Beschreiben Sie das kulinarische Angebot Ihres Restaurants in einem Satz?

Wir bieten neue deutsche Küche mit klassischen Wurzeln.

Welchem gastgeberischen und kulinarischen Anspruch fühlen Sie sich verpflichtet? Spielt dabei höfisch-weimarische Tradition eine Rolle?

Das würde ich nicht so ausdrücken wollen. Wir möchten jedem Gast das geben, was er in  einem Restaurant wie dem unseren erwartet. Das hat natürlich auch etwas mit dem persönlichen Anspruch des Gastes zu tun, der durchaus unterschiedlich sein kann. Wir möchten in Verbindung von Küche, Service und Ambiente auch Schwellenängste nehmen und erlegen dem Gast keinen Dresscode auf. Das Ziel ist ein gastgeberisches Gesamterlebnis ohne höfische Zeremonie.

Oder anders gefragt: Über welche Werte definieren Sie Ihre Küche?

Hauptsächlich über Frische und Qualität. Aber diesen Anspruch hat jeder ambitionierte Koch. Ich koche das, was ich auch selbst gern esse. Und es kommt nichts auf den Teller, was ich nicht mag.

Das heißt im Umkehrschluss, Sie wollen dem Gast Ihren Geschmack aufdrängen?

Mitnichten. Ich möchte den Gast von meinem Geschmack und meiner Kochkunst überzeugen. Das ist ein feiner Unterschied, oder…

Hinterfragt: Wie setzen Sie diesen Anspruch in praxi um?

Da gibt es nur einen Grundsatz: Arbeit macht das Leben süß. Ich arbeite täglich. Entgegen allen Ratschlägen der Ärzte, 12 bis 14 Stunden und hinterfrage meine Arbeit täglich im Detail. Ohne meine Frau wäre das alles im Übrigen nicht zu schaffen.

Verstehen Sie sich als Koch eher als Künstler oder als Handwerker?

Köche, ab einem bestimmten Niveau erst recht, sind alle Diven. Da schließe ich mich nicht aus. Ich bin zu gleichen Teilen Handwerker und Künstler. Man kann aber nur gut, kreativ sein, wenn man sein Handwerk beherrscht.

Wie wichtig ist Ihnen traditionelle Küche?

Ich bin mit ihr aufgewachsen und groß geworden. Sie bedeutet mir in diesem Sinne sehr viel, weil ein großer Teil der Küche darauf basiert. Es kommt dann nur darauf an, in welche Richtung man sie verändert und weiterentwickelt.

Weimar bietet kulinarische Vielfalt. Was zeichnet Ihre Küche zu vergleichbaren Angeboten im kulinarischen Umfeld aus? Worin wollen Sie sich bewusst unterscheiden?

Ohne überheblich wirken zu wollen: Es ist auf diesem Niveau sehr schwer, sich zu unterscheiden. Wir teilen uns dieses Gourmet-Segment in Weimar mit dem Restaurant Anna Amalia im Hotel Elephant. Da hat jeder seinen Stil. Ich denke, wir bieten ein recht akzeptables Preis-Leistungs-Verhältnis.

Wie binden Sie regionale  Akzente in Ihre Speise-/Menükarte ein?

Da muss man(n) seine Fantasie spielen lassen und einfach auf den kulinarischen Kalender schauen. Außerdem gibt es eine große Palette Thüringer Produkte, die man geschmacklich wunderbar in Szene setzen kann.

Überhaupt, wie wichtig sind Ihnen regionale Produkte in Ihrer Küche?

Was ich regional bekommen kann, versuche ich auch zu verarbeiten. Dabei enge ich den Begriff regional nicht so signifikant ein wie andere. Für mich ist Deutschland in Gesamtheit regional. Vor allem kommt es mir auch auf ganzheitliche Verwertung an. Die Rosinen aus dem Kuchen picken kann jeder. Aber in diesem kulinarischen Segment ein Schwein als Ganzes zu verarbeiten, dazu muss man sich schon was überlegen.

Ich weiß, dass Sie auch vergleichsweise einfache Produkte kreativ und anspruchsvoll weiterentwickeln. Von welchen Grundsätzen lassen Sie sich dabei leiten?  Beispiel: Sie binden einen deftigen Schweinebauch in ein Menü ein…

Der Trend geht ja wohl zu gutem Eigengeschmack. Und eben den bieten solche vermeintlich einfachen Produkte. Mit Handwerk und Kreativität kann man auch damit neue geschmackliche Horizonte öffnen.

Was gehört aus Ihrer Sicht zur  Gourmetküche?

Wie gesagt, Geschmack und Qualität müssen eine Einheit sein. Da ist der Begriff an sich eher zweitrangig.

Wie kann der Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmet-Küche aussehen?

Wenn Sie schon auf den Gourmet-Begriff bestehen, dann bieten wir in beiden Restaurants das, was man einen Mittelweg nennen könnte.

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Ein Spitzenkoch ist einer, der sein Handwerk solide gelernt hat und es versteht, es immer wieder kreativ umzusetzen. Und er muss das mit Freude und dem Anspruch tun, aus guten Zutaten etwas sehr gutes zu entwickeln. Dazu muss er sich auch mit den Produkten auskennen und wissen, wie sie optimal verarbeitet werden können. Dafür ist ein Stern kein Kriterium.

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Woher holen Sie sich Inspiration und Anregung für Ihre Gerichte und Menüs?

Scherzhaft gesagt: Bei mir dreht sich meist alles um Speisen und Getränke. Ich höre auf die kulinarischen Zeichen der Zeit, stöbere viel im Internet, habe eine riesige Kochbuchsammlung. Und nicht zuletzt ist für mich auch der kollegiale Austausch sehr wichtig.

Hand aufs Herz: Kommt Ihre Küche ohne  "Verstärker" oder Convenience-Produkte aus?

Welche Antwort erwarten Sie jetzt? Natürlich ein klares Ja für beide Dinge. Nur den klaren Hühnerfond ergänze ich ganz geringfügig mit dementsprechenden Pulver von Bosfood. Auf 20 Kilogramm Hühnerkarkassen kommt nur etwa 2 Hände voll des Pulvers. Mein Grundsatz ist, dass aus meiner Küche keine deklarierungspflichtigen Dinge auf den Tisch kommen.

Woher beziehen Sie Ihre Produkte? Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern?

Ich hatte Ihnen ja bereits gesagt, wie ich den regionalen Rahmen ziehe. Spargel und Fleisch beispielsweise kommt aus dem Thüringischen, Wild aus Brandenburg, Fisch jedoch größtenteils aus dem gut sortierten Großhandel. Ich schaue mich diesbezüglich auch auf dem Weimarer Wochenmarkt um, wo es sehr gute Angebote gibt, die man in die Küche einbeziehen kann.

Gourmet-Küche – ein dehnbarer Begriff: Was gehört aus Ihrer Sicht dazu?

Ich sträube mich immer etwas gegen den Begriff an sich, der sehr dehnbar ist und auch die bereits genannten Schwellenängste aufbaut. Gourmet an sich ist gute handwerkliche Küche. Und dann braucht man den Begriff schon nicht mehr. Wenn Sie verstehen, was ich damit sagen möchte…

Ich ahne es. Warum benutzt man den Begriff dann überhaupt noch?

Gute Frage. Nächste Frage. Aber im Ernst: Es soll wohl ein gewisses gastronomisch-kulinarisches Level postuliert werden. Jeder sollte seine Definition dafür haben. Begriffe an sich sind Schall und Rauch.

Wie kann der Mittelweg zwischen bodenständiger und Gourmet-Küche aussehen?

Sehen Sie, eben dieser Mittelweg läuft in den meisten Betrieben. Man geht auf traditionelle Produkte zurück, entwickelt Gerichte zeitgemäß weiter und wendet schonende armethoden an, um den Geschmack authentisch auf den Tisch zu bringen.

Was ist für Sie ein Spitzenkoch? Ist ein Stern dafür das Muss?

Um aus einem guten Produkt ein gutes Gericht zu kochen, muss man keinen Stern haben. Spitzenköche sind für mich alle, die auf solider handwerklicher Basis mit Herzblut arbeiten.

Ist ein Stern ein Ziel Ihres kulinarischen Schaffens? Wenn ja oder nein, warum...?

Ich würde ihn nicht vom Tisch schubsen. Alles andere wäre gelogen. Aber ich kann mit dem Bib Gourmand recht gut leben. Das nimmt auch etwas den Druck, dem Sterneköche durchaus ausgesetzt sind. Außerdem fehlt mir für den Stern das notwendige Personal.

Wie viel Entertainer muss ein Koch heutzutage sein? Wie viel kochender Entertainer sind Sie?

Ein wenig Rampensau sollte man schon sein. Aber diesbezüglich ist zum Glück jeder verschieden. Der Gast will den Koch schon sehen. Mir geht’s immer dann gut, wenn ich an den Tisch gehe. Bleibe ich in der Küche, geht es mir nicht gut. Und das will ich dem Gast dann nicht zumuten. Starallüeren allerdings sind mir völlig suspekt. Außerdem weiß ich, dass man als Koch allein überhaupt nichts stemmen kann. In diesem Sinne ist das Team der Star. Allen voran meine Frau.

Was halten Sie von der aktuellen Flut von Kochsendungen aller Couleur?

Na ja. Da sehe ich eine gewisse Diskrepanz, dass so der Berufsstand einerseits aufgewertet, andererseits die Realität dieses Berufs verklärt wird.

Welche der bekannten deutschen oder internationalen Köche sind für Sie eine Art Vorbild in Bezug auf Authentizität und Qualität des Kochens? Mit welchem Koch würden Sie selbst gern einmal zusammenarbeiten?

Da kann man eigentlich keinen wirklich herausheben. Aber ich schätze Kollegen wie Witzigmann und Jörg Müller sehr. Und kochen würde ich gern mal mit Harald Wohlfahrt und Christian Bau, der für mich auch sehr bodenständig und nahezu demütig kocht:

Welchen Traum als Koch würden Sie sich gern noch verwirklichen?

Noch viele Länder weltweit kulinarisch entdecken. Einmal in die Kochtöpfe Südamerikas und Südafrikas schauen und Produkte kennenzulernen, die ich noch gar nicht kannte.

Wie muss ein Restaurant aussehen und was muss es Ihnen bieten, um sich dort als Gast wohl zu fühlen?

Es muss ein Gesamterlebnis aus Ambiente, Service und Geschmack sein. Die Einrichtung muss einfach zum Typ des Hauses passen. Da lege ich mich auf nichts Spezielles fest.

Was hat ein Koch wie Sie für Hobbys? Spielt Kulinarik für Sie auch in der Freizeit eine Rolle?

Für mich zählen, in dieser Reihenfolge: Meine Frau Stefanie, das Kochen und der SG Eintracht Frankfurt. Wir reden auch in der Freizeit viel über Kulinarik und Gastronomie. Und natürlich schaue ich mir auch bei Kollegen etwas ab, ohne zu kopieren. In diesem Sinne ist der Beruf auch mein Hobby.

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